Berlin. Wo laufen sie denn, wo laufen sie denn hin? Die Quintessenz dieses Komik-Klassikers von Wilhelm Bendow lässt sich mit Blick auf den 1. FC Union durch Nina Hagens Klubhymne beantworten: Immer weiter, ganz nach vorn. Bis in die Bundesliga.
Der Sieg auf St. Pauli, dieser sechste Erfolg im siebten Rückrundenspiel, hat wieder einmal gezeigt: Union hat Luft nach oben. Viel Luft. Die Mannschaft von Jens Keller ist in der Lage, auch in der Schlussphase, in der einer Elf schon mal die Kräfte schwinden können, noch eine Schippe draufzulegen.
Der fünfte Sieg in Folge, die Einstellung des Klubrekords aus der Zeit des damaligen Erfolgstrainers Georgi Wassilew (2001/02), zeigt, „dass wir immer wieder in der Lage sind, unser Bestes zu geben“, sagte Mittelfeldspieler Damir Kreilach, neben Sebastian Polter der Union-Torschütze am Millerntor. Jens Keller, der heutige Coach, hat eine einfache Erklärung für die gute Verfassung seiner Profis: „Wir wollen nicht quatschen, sondern arbeiten.“
Ökonomisches Spiel statt Riesenaufwand
Das hat die Mannschaft getan. In der Vorbereitung, in der die Grundlage dafür gelegt wurde, dass den Köpenickern auch in der Schlussphase die Luft nicht ausgeht. Und auch zwischen den Partien, wie Rechtsverteidiger Christopher Trimmel bestätigte: „Auch wenn es gut funktioniert, setzten wir uns hin und bereden, was wir besser machen können.“ Daran wird gearbeitet, in jeder Trainingseinheit.
„Wir ruhen uns nicht darauf aus, dass wir unsere Spiele gewinnen“, sagte Torwart Daniel Mesenhöler: „Ich will jetzt nicht sagen, dass dies ein Schlüssel zum Erfolg sein könnte, aber was würde es uns bringen, wenn wir jetzt sagen: Wir haben fünf Spiele in Folge gewonnen, jetzt brauchen wir nicht mehr weiterarbeiten. Davon haben wir ja nichts. Deshalb arbeiten wir kontinuierlich weiter, und das Resultat sieht man auf dem Platz.“ Wie gerade in Hamburg wieder.
Der Effekt ist klar zu erkennen. Während St. Pauli, das am Freitagabend kein schlechtes Spiel abgeliefert hat, einen Riesenaufwand betreiben musste, um vor das Union-Tor zu kommen, sparten die Köpenicker viel Kraft durch ihr präziseres Spiel nach vorn. Nur so gelang es, den Rückstand von vier Punkten auf die zu Jahresbeginn zweitplatzierten Hannoveraner in einen Zwei-Punkte-Vorsprung auf die Niedersachsen zu verwandeln. Und zugleich mit Siegen am Freitagabend immer wieder vorzulegen und den Druck auf die Konkurrenz aufrechtzuerhalten oder sogar zu erhöhen.
„Ich schaue lieber von oben nach unten“
Apropos Druck. Gerade jetzt, da das letzte, das entscheidende Saisondrittel begonnen hat, ist es wichtig, körperlich voll da zu sein. Denn auch wenn Union, mit dem Saisonziel Platz eins bis fünf gestartet, nicht zwingend aufsteigen muss – je länger die Berliner sich auf einem direkten Aufstiegsplatz befinden, desto eher schleicht sich das Gefühl ein, am Ende doch etwas verspielt zu haben, sollte es nicht reichen.
„Nach dem, was wir uns erarbeitet haben, wäre es schon eine Enttäuschung, wenn wir nicht die Plätze eins bis drei erreichen würden“, sagte Verteidiger Emanuel Pogatetz, ohne zu verkennen, welche Leistung die Köpenicker bislang vollbracht haben: „Wenn man dann später einen Schritt zurücktritt, wäre Platz vier sicher auch ein Erfolg.“
Bislang kann Union mit der Situation gut umgehen. Oder wie es Trainer Keller formulierte: „Wenn man das Druck nennt, dann ist das schöner Druck. Ich bin gern im Aufstiegsrennen dabei und schaue von oben nach unten. Wer das als Druck empfindet – ich nicht. Ich empfinde das als etwas angenehmes.“ Im Abstiegskampf, „wenn es um Arbeitsplätze geht“, so Keller, das sei Druck: „Wir haben nur Druck, weil wir jedes Spiel erfolgreich gestalten wollen. Und das ist in keiner Weise belastend.“ Kapitän Felix Kroos nennt es schlicht „Vorfreude auf noch mehr richtig große Spiele“.