Den Interview-Marathon nach dem Spiel ließ er ebenso gelassen über sich ergehen, wie er die Glückwünsche seiner Familie für seine gute Leistung wohlwollend entgegennahm. „Die Punkteteilung ist auch für die Familie ganz gut“, sagte Toni Leistner, „da gibt es wenigstens keinen Streit.“ Der Abwehrchef des 1. FC Union hatte maßgeblichen Anteil daran, dass die Berliner bei Dynamo Dresden, an Leistners alter Wirkungsstätte, 0:0 spielten.
Jens Keller sah dies ähnlich: „Leistner hat ein bärenstarkes Spiel gemacht und in der Luft alles weggefischt.“ Mit der Defensivleistung seiner Mannschaft war Unions Trainer also vollauf zufrieden. Auch mit dem Punkt? Oder waren es angesichts der Tatsache, dass sich nach Hannover (1:4 in Fürth) auch Braunschweig mit 1:2 gegen St. Pauli eine Blöße gab, nicht sogar zwei verschenkte Zähler?
„Ein Punkt in Dresden ist schon etwas wert, hier haben schon ganz andere Mannschaften verloren“, machte Leistner deutlich. Auch Keller stellte eher die Verkürzung des Abstandes zu den Aufstiegsplätzen auf drei Punkte in den Vordergrund. „Wir können nicht so vermessen sein und sagen, wir fahren nach Dresden und gewinnen hier. Beide Mannschaften haben gezeigt, dass sie zu Recht oben stehen in der Zweiten Liga.“ Union ist Vierter, Dresden Fünfter.
Keller nahm im Vergleich zum Sieg gegen Bochum (2:1) die eine erwartete Änderung vor. Stephan Fürstner kehrte nach abgesessener Gelbsperre wieder ins defensive Mittelfeld für Michael Parensen zurück. Und es entwickelte sich das von Dynamo-Coach Uwe Neuhaus prognostizierte enge Spiel. Beide Mannschaften erledigten ihre Defensivaufgaben konzentriert, sodass es in der ersten Halbzeit nicht wirklich viele Torszenen gab. Dennoch war es eine ansehnliche Partie vor 30.153 Zuschauern (darunter gut 3000 Union-Fans), weil beide Seiten auch das Spiel nach vorn suchten, selbst wenn der letzte Schuss Verrücktheit fehlte, der einem Ost-Derby die richtige Würze gibt.
Rückkehrer Leistner vergibt gute Chance zur Führung
Wenn es für Union gefährlich nach vorn ging, dann auf der linken Seite, wo Kristian Pedersen den Antreiber gab. Logisch, dass sich die erste Chance des Spiels über den Dänen entwickelte, der sich zusammen mit Damir Kreilach gut durchkombinierte, ehe Kapitän Felix Kroos seinen 20-Meter-Schuss zu hoch ansetzte (13.). Auch der Konter über Simon Hedlund und Sebastian Polter, dessen Pass in den Strafraum keinen Abnehmer fand, kam über links (38.).
Auf der anderen Seite war schnell klar, dass es vor allem auf das Duell zwischen Leistner und Dynamo-Stürmer Stefan Kutschke ankommen würde. Beide gingen derart robust zur Sache, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Leistner sich seine fünfte Gelbe Karte abholen würde. Dass der gebürtige Dresdner sich die Verwarnung und damit die Sperre für das Heimspiel gegen Bielefeld am Sonntag für einen Zweikampf am Mittelkreis einhandelte, bei dem es hart, aber fair zur Sache ging, ist unglücklich. „Ich hatte schon ein wenig Angst, dass er sich nach der frühen Gelben Karte noch mehr abholt, aber in der zweiten Halbzeit hat er kein Foul gemacht“, lobte Keller.
Doch jene Szene in der 21. Minute beschwor eine der beiden Dresdner Torchancen vor der Pause herauf. Der 30-Meter-Freistoß von Marvin Stefaniak flog rechts am Tor von Union-Keeper Jakob Busk, der keine Mauer gestellt hatte, vorbei. Kurz vor der Pause wäre ein völlig verunglückter Rückpass von Christopher Trimmel den Berlinern fast zum Verhängnis geworden, Busk musste in höchster Not gegen Kutschke retten (42.).
Nach dem Wechsel schien die Partie endlich mehr Fahrt aufzunehmen. Hedlund zog aus 25 Metern einfach mal ab, der Ball klatschte an die Latte (56.). Auf der Gegenseite verhinderte Busk mit einem Reflex gegen Niklas Hauptmann den Rückstand (62.). Es war ein kleiner Weckruf für Dynamo, das sich nun „leichte Feldvorteile“ (Neuhaus) erarbeitete. Doch Union lieb ruhig und sorgte dafür, dass hinten weiter die Null stand, „auch wenn ich mir ein Tor und einen Sieg gewünscht hätte“, sagte Sebastian Polter.
Der Union-Stürmer lieferte sich mit Dresdens Verteidiger Florian Ballas packende Duelle. Mehr als eine Torchance sprang für ihn jedoch nicht heraus. Nach einer Hedlund-Ecke und einem Kopfball von Leistner sprang der Ball Polster auf die Brust und von dort am Tor vorbei (78.). „Ich habe zu spät gesehen, dass Toni den Ball verlängert“, erklärte Polter.
Sogar Leistner bekam die Möglichkeit zu einem Kopfball-Treffer (75.). „Da kann man mal wieder sehen, wie blind ich vor dem Tor bin“, sagte Leistner, der den Sonntagnachmittag wie folgt zusammenfasste: „Wir haben den Abstand nach oben verkürzen können und fahren sicher nicht mit dem Kopf nach unten zurück.“ Seine Familie hat dies bestimmt auch nicht getan.