Berlin. Um den „Geschichtsunterricht“ kam Jens Keller nicht herum. Folglich genoss er den Abend, den er als Trainer des 1. FC Union mit seinen Spielern abseits des Trainingsplatzes verbrachte. Die Theatervorführung „Und niemals vergessen. Eisern Union - Das Stück zum Spiel“ bezeichnete der Coach des Berliner Fußball-Zweitligisten jedenfalls als „kurzweilig“. In jenen 2x45 Minuten, in denen der gemeinsame Weg von Fans und Verein unterhaltsam geschildert wird, „bekommt man viel über die Vergangenheit und Tradition mit“, sagte Keller.
Zwei Begriffe, die man gern auch mit Eintracht Braunschweig, Unions Gegner am Montagabend (20.15 Uhr, Alte Försterei) verbindet. Die Spielzeit steht ganz unter dem Banner 50 Jahre Deutscher Meister. Die aktuelle Mannschaft läuft sogar mit einem speziellen Jubiläums-Logo auf dem Trikot auf.
Union gegen Braunschweig – das ist das Duell zweier Klubs, die 2008 zu den Gründungsmitgliedern der Dritten Liga zählten und als Meister den Aufstieg in die Zweite Liga schafften: Union im Jahr 2009, Braunschweig zwei Jahre später. Der weitere Weg der beiden Klubs lässt sich aus Union-Sicht wie folgt beschreiben: überholen ohne einzuholen.
Mehr Mitglieder, mehr Umsatz, mehr Zuschauer
Abseits des Geschehens auf dem Rasen haben die Köpenicker die Niedersachsen längst hinter sich gelassen. Union schloss die vergangene Saison mit einem Rekordumsatz von 31,2 Millionen Euro ab und plant für diese Spielzeit mit dem Rekordetat von 34,4 Millionen Euro. Die Eintracht Braunschweig GmbH & Co. KG mit ihrer ausgegliederten Profi-Abteilung setzte 2015/16 knapp 29 Millionen Euro um.
Braunschweig verzeichnet mit knapp 4700 Mitgliedern gerade mal rund ein Drittel so viele wie Union (13.828). Auch bei den Zuschauern liegt Union mit 21.433 Besuchern pro Heimspiel diese Saison vor der Eintracht (21.036). Und im Gegensatz zur Braunschweiger Spielstätte, dem Eintracht-Stadion, das der Stadt Braunschweig gehört, kann Union die Alte Försterei sein Eigen nennen, Ausbaupläne inklusive.
Nur im Kerngeschäft, der sportlichen Bilanz, hinken die Berliner seit Jahren hinterher, trotz des Vorsprungs von zwei Jahren nach dem Aufstieg. Von einem Sprung in die Bundesliga, wie ihn die Braunschweiger 2013 schafften, nur zwei Jahre nach ihrer Zweitliga-Rückkehr, träumt man bei Union immer noch. Und aktuell liegen die Blau-Gelben – sechs Punkte vor Union – erneut auf Erstligakurs.
Eintracht mit der Selbstverständlichkeit zu siegen
Wer nach einem Spieltag auf Platz eins steht, „der hat es auch verdient“, sagte Union-Coach Keller: „Es war nicht zu erwarten, dass sie so souverän auftreten. Doch wenn man vorn steht, gibt das ein unglaubliches Selbstbewusstsein und auch eine Selbstverständlichkeit, Spiele zu gewinnen.“
Unter Keller schickt sich Union seit vergangenem Sommer an, diese Selbstverständlichkeit mehr und mehr zu entwickeln. Der Unterschied zu Braunschweig: Bei der Eintracht leiten Trainer Torsten Lieberknecht und der Sportliche Leiter Marc Arnold seit 2008 die Geschicke – seit achteinhalb Jahren, so lange wie kein anderes Führungsduo im deutschen Profifußball.
Und ein Ende der Zusammenarbeit ist nicht in Sicht, beide haben ihre Verträge im Herbst bis 2019 (Arnold) und 2020 (Lieberknecht) verlängert.
Keller: „Wir haben keinen schlechten Tag“
Wichtig sei es, „dass wir eng kommunizieren“, ließ Arnold ein Erfolgsrezept wissen für die heutzutage im Profigeschäft schon episch lang anmutende Zusammenarbeit. Selbst nach dem Bundesliga-Abstieg 2014 waren kaum Abnutzungserscheinungen zu erkennen. Das kommt dem heutigen Eintracht-Jahrgang zugute. „Gerade die aktuelle Situation zeigt, was man als eingespieltes Team bewegen kann“, so der ehemalige Hertha-Profi.
Von der derzeit guten Ausgangslage will man sich bei der Eintracht dennoch nicht verrückt machen lassen. Arnold spricht von „wollen“, nicht von „müssen“, wenn es um den Aufstieg geht. Ähnlich agierten die Verantwortlichen auch 2013. Am Ende stand der Sprung in die deutsche Eliteklasse.
Ein Sprung, den auch Union gern vollziehen möchte. Dafür gilt es jedoch, den ersten Schritt vor dem zweiten zu tun, sprich: erst die sportliche Lücke zu Braunschweig zu schließen. „Braunschweig muss schon einen guten Tag haben und wir einen schlechten, damit sie hier etwas mitnehmen können. Und wir haben keinen schlechten Tag“, ist Keller zuversichtlich. Die 2x45 Minuten werden zeigen, ob der Union-Trainer auch den Montagabend genießen kann.