Berlin. Am Sonntag wirkte Sascha Lewandowski noch enttäuscht, desillusioniert, ja fast resignierend. Zwei Tage später wirkte der Trainer des 1. FC Union wie immer, fester Stand, aufmerksamer Blick, in der rechten Hand einen Filzschreiber, als wolle er dokumentieren: Wir dürfen keine Zeit verlieren. Schließlich hatte der Coach auch etwas zu verkünden, als er ans Pult im Presseraum der Alten Försterei trat. Benjamin Kessel übernimmt ab sofort das Kapitänsamt von Damir Kreilach, darüber hinaus wurden Denis Prychynenko und Bajram Nebihi freigestellt.
Von kurz-, mittel-, und langfristigen Maßnahmen hatte Lewandowski gesprochen, die er mit seinem Trainerteam und der Klubführung besprechen wolle, um Union aus der misslichen Lage (nur zwei Siege in zwölf Spielen, Rang 15) zu befreien. Insofern will der Coach die Kapitänsentscheidung auch nicht als eine gegen Kreilach, sondern als eine für die Mannschaft verstanden wissen.
„Kreilach ist ein großartiger Mensch und Fußballer“, sagte Lewandowski, „aber eben weil er für alles verantwortlich sein will, hat er die Binde wie eine Last mit sich rumgeschleppt. Doch wir brauchen den guten Spieler Kreilach. Nur den haben wir nicht, wenn er sich zu viel auflädt.“
Führungsspieler zu sein, ist Kessels Anspruch
Der Einschätzung des Trainers habe sich im Gespräch mit dem Kroaten am Montag verfestigt. Lewandowski will sogar eine Spur von Erleichterung bei Kreilach erkannt haben.
„Es war eine große Anerkennung für mich, Union-Kapitän zu sein“, sagte Kreilach. Er respektiere die Entscheidung des Trainers und machte deutlich: „Mein Ehrgeiz muss es sein, der Mannschaft weiter zu helfen.“ Worte, die man dem Mittelfeldspieler, der im Sommer 2014 das Amt von Torsten Mattuschka übernommen hatte, auch abnimmt.
Kessel musste „nicht lange überlegen, weil es mein eigener Anspruch ist, bei Union Führungsspieler zu werden. Ich werde jetzt aber keinen Aktionismus betreiben.“
Thiel wird neuer Stellvertreter
Der Trainer lobte „Power, Willensstärke und Mentalität“ des Ex-Braunschweigers, umschreibt dessen Reaktion auf die Berufung mit „Feuer und Flamme“. Für Lewandowski ist Kessel einer, der stets voran geht, das habe sich im Braunschweig-Spiel gezeigt, wo er „unser Elfmeter-Problem“ (Lewandowski) gelöst hat, als er sich vor seiner ehemaligen Fankurve den Ball schnappte und eiskalt einschoss. Auch der Last-Minute-Ausgleich gegen den FC St. Pauli (3:3) oder die ähnliche Chance zuletzt gegen den SC Paderborn (0:2) dokumentierten, wie wichtig der Verteidiger für Union ist.
Kessels Stellvertreter ist Maximilian Thiel, der genau das verkörpere, was Lewandowski von seiner Mannschaft sehen will: „Positives Draufgängertum, Biss und Unerschrockenheit.“
Kessel statt Kreilach – eine Entscheidung, die durchaus Erfolg haben kann. Denn bei allem Respekt für Kreilach, dass es in bestimmten hitzigen Situationen auf dem Platz immer noch eine Sprachbarriere geben dürfte, ist nachvollziehbar. Das ficht die sportlichen Qualitäten des Kroaten jedoch in keinster Weise an.
Gemeinsam kochen, gemeinsam Heidenheim studieren
Als weitere Maßnahme wird sich Union bereits am Donnerstagfrüh in Richtung Heidenheim aufmachen. Darüber hinaus wird am Mittwochabend gemeinsam gekocht und der kommende Gegner 1. FC Heidenheim im Pokalspiel in Sandhausen eingehend studiert. Auch dass die Spieler ab sofort um zehn Uhr einbestellt werden, ohne den genauen Tagesablauf zu kennen, ist neu.
Dass die Ergänzungsspieler Prychynenko und Nebihi nicht mehr dabei sind, soll beim restlichen Personal die Sinne dahin gehend schärfen, keinen Deut nachzulassen.
„Wir können nicht irgendetwas laufen lassen, bei dem wir nicht am Limit sind“, sagte Lewandowski: „Bis zur Winterpause steht alles und jeder auf dem Prüfstand, ergebnisoffen. Ich hoffe, die meisten Spieler sind Teil der Lösung und nicht des Problems. Sonst müssen wir handeln.“ Das schließt auch den Trainer mit ein.