Er hat durchaus einen Schalk im Nacken. Dennoch wirkt Sebastian Polter geerdet. Ob Karriere oder Familie, der Stürmer des 1. FC Union hat einen festen Plan. „Ich habe mir schon eine bestimmte Marke gesetzt“, sagt Polter nach dem 1:0 am Freitagabend gegen den FC St. Pauli, angesprochen auf die Anzahl von Toren, die er noch schießen will. Auf die Frage, wie hoch die Marke sei, lässt er seinen Gegenüber mit einem Grinsen zurück. Dass er bei jenen zehn Treffern nun nicht haltmachen will, die er bislang für den Berliner Fußball-Zweitligisten erzielt hat, dürfte klar sein.
Nicht nur der Treffer gegen den Abstiegskandidaten aus Hamburg hat wieder einmal gezeigt: Der 23-Jährige ist Unions Lebensversicherung in dieser Spielzeit. Seine zehn Tore und vier Vorlagen bescherten Union 15 der nun 34 Punkte. Eine Ausbeute, die in den restlichen acht Saisonspielen natürlich ausgebaut werden soll.
Und dann? Trägt Sebastian Polter ab dem Sommer weiter das Union-Trikot? Oder kehrt er doch zum Bundesligisten FSV Mainz 05 zurück, von dem er ausgeliehen wurde und wo er noch zwei Jahre Vertrag hat? Auch wenn Union den Angreifer gern halten möchte, die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Im Gegensatz zu einigen anderen:
Kopfball oder Seitfallzieher?
„Im Spiel eher Kopfball, im Training auch gern mal ein Seitfallzieher.“ Spektakuläre Aktionen sind Polters Spiel nicht. „Ich suche lieber den schnellen Weg zum Tor. Da mache ich nicht viel Schnickschnack.“ So wie beim Siegtor gegen St. Pauli, als er das Luftloch von Torwart Robin Himmelmann erahnte, ihm den Ball wegspitzelte und trocken einschob.
Polters Spiel ist in der Tat einfach, aber meistens effektiv: „Ich lege den Ball oft am Gegner vorbei, weil ich weiß, dass ich schnell bin.“ Das bringt Zug zum Tor und entspricht der Spielphilosophie von Trainer Norbert Düwel vom schnellen Umschaltspiel. Wobei er gegen die Auszeichnung „Tor des Monats“ auch nichts einzuwenden hätte. „Natürlich würde ich das gern mitnehmen, wie wohl jeder Fußballer.“
Ein Seitfallzieher könnte da helfen, wie Unions bislang einziger Torschütze des Monats bewies: der Brasilianer Silvio im Heimspiel gegen den FC Ingolstadt im Oktober 2011. Bis dahin hält es Polter mit der einzigen Wahrheit: „Ich bin Stürmer und will Tore schießen.“
Blond oder brünett?
Polter muss nicht lange überlegen. „Blond, weil meine Frau blond ist“, erzählt er. Und strahlt bis über beide Ohren, als er von Denise spricht: „Sie ist meine absolute Traumfrau.“ Was folgt, ist eine Liebeserklärung, die tief aus seinem Herzen kommt. „Ich habe damals, mit 17, 18, noch nicht so viel verdient. Meine Frau hat mir immer geholfen, auch finanziell. Es war schon sehr früh ein Geben und Nehmen zwischen uns. Meine Frau war immer für mich da.“ Polter spürte dies vom ersten Moment an. Erst recht seit den Tagen, in denen aus dem Ehepaar Polter eine Familie mit zwei Kindern geworden ist. „Sie kümmert sich um die Kinder und nimmt mir sehr, sehr viel ab, sodass ich mich voll auf den Fußball konzentrieren kann.“
Auch die Ortswechsel in den vergangenen drei Jahren – von Wolfsburg über Nürnberg und Mainz nach Berlin – machte sie klaglos mit. „Sie will mich immer bei sich haben, ich will immer bei ihr sein“, ist für Polter die Familie eminent wichtig.
Auf seinem rechten Unterarm trägt er ein riesiges Tattoo mit der Aufschrift „Familie“, darunter die Initialen seiner Eltern Maria und Detlef sowie seiner Geschwister Stephanie, Benjamin, Vanessa und Julia. „Sie haben meine Karriere immer wieder vorangetrieben“, sagte Polter. Genau wie seine Frau. „Es ist schön, einen so starken und liebevollen Rückhalt zu haben.“
Felix Magath oder Norbert Düwel?
Im Jahr 2007 zog es den damals 16-jährigen Polter, geboren in Wilhelmshaven, von Eintracht Braunschweig nach Wolfsburg zum VfL. Einer Ausbildung bei VW stand nichts im Wege. „Doch Felix Magath hat mir damals geraten, mich auf Fußball zu konzentrieren“, erinnert er sich.
Der Trainer, als harter Hund verschrien, gab ihm 2009 seinen ersten Profivertrag. Nicht nur deshalb genießt Magath bei Polter ein sehr hohes Ansehen. „Ich bin froh, ihn als Trainer gehabt zu haben, weil er mir gezeigt hat, wie hart es im Profifußball sein kann. Auch wenn man immer wieder Negatives über ihn hört und liest: Man wird unter ihm topfit, das ist bewiesen.“
Magath mit Norbert Düwel zu vergleich, „das geht nicht. Er ist ein ganz anderer Trainertyp, legt sehr viel Wert auf Taktik, ist in diesem Punkt auch immer wieder auf dem neuesten Stand und wechselt auch oft zwischen Spielern und Systemen“. Nur an Polter kommt er nicht vorbei. Und der Stürmer zahlt dieses Vertrauen oft mit guten Leistungen, immer aber mit bedingungslosem Einsatz zurück.
Torwart oder Stürmer?
Als Angreifer hält Polter, was man sich bei Union von ihm versprochen hat. In der Jugend, beim SV Wilhelmshaven, hielt er vor allem den Kasten sauber. „Ich wollte früher unbedingt Torwart werden, mein Vorbild war Oliver Kahn“, erzählt er. Tatsächlich spiegelt sich in Polters Spiel auch immer ein wenig die Niemals-aufgeben-Einstellung des Torwart-Titans wider. „Auch mein Vater hat mich immer wieder angetrieben und gesagt: Nimm die Handschuhe mit“, erinnert er sich. Es war die Schule, die den Fußball vorerst verdrängte und seinen Traum zwischen den Pfosten beendete. „Echt durchgehangen“ habe er damals.
„Aber es hilft mir jetzt natürlich, mal im Tor gestanden zu haben.“ Er weiß in vielen Situationen, wie der gegnerische Torwart reagiert – wie am Freitagabend gegen St. Pauli. „Es sind Kleinigkeiten, die mir helfen, die richtige Entscheidung vor dem Tor zu treffen, auch wenn mir dies nicht immer gelingt.“
Helene Fischer oder Metallica?
„Ganz klar, Helene Fischer.“ Polter, der auf dem Rasen in vielen Szenen rockt, antwortet ohne zu zögern, auch wenn „meine Frau mich fast dafür hasst“. Wieder ist es die Familie, seine Eltern, die ihn in Sachen Musik geprägt haben: „Sie haben viel Schlager gehört“. Auch dass die Blondine im vergangenen Sommer am Brandenburger Tor für die Fußball-Weltmeister gesungen hat, „hat sie noch einmal sympathischer gemacht. Ich würde sie gern einmal persönlich kennenlernen.“ Natürlich nicht ohne das Einverständnis seiner Denise.
Zweite Liga oder Bundesliga?
„Die Bundesliga ist der Grund, warum ich Fußballer geworden bin. Deswegen habe ich mein komplettes Leben auf Fußball ausgerichtet.“ 2009 stand Polter sogar im Kader der Wolfsburger Meistermannschaft. „Ich habe mit Edin Dzeko oder Grafite trainiert, zwei echte Typen, zu denen man aufschauen und sich von ihnen viel abschauen konnte.“
Spieler, die Polter träumen lassen. „Ich möchte auch gern mal in der Champions League spielen oder wieder in der Nationalmannschaft.“ 17 Mal trug er immerhin schon das Trikot der DFB-Nachwuchsteams. Das macht Appetit auf mehr. „Ich würde gern mal zu einer EM oder WM fahren. Ich bin jetzt 23 Jahre alt. Warum soll ich mit 28 oder 29 nicht ins Nationalteam kommen?“