Wenn es etwas gibt, das man als Qualität des Union-Jahrgangs 2014/15 bezeichnen möchte, dann ist es die Fähigkeit, Spiele umzubiegen. Gleich fünf der acht Saisonsiege des Berliner Fußball-Zweitligisten gelangen nach einem Rückstand, das ist Liga-Höchstwert. Die Kehrseite der Medaille: Der 1. FC Union hatte auch die meisten Gelegenheiten, um Moral zu zeigen. 17 Mal schoss der Gegner das erste Tor. Erst am Sonntag war es bei RB Leipzig (2:3) wieder soweit. Diese Rückschläge sind es, die Union auf der Stelle treten lassen. Und die Protagonisten ratloser denn je zurücklassen.
Immer wieder sind Sätze zu hören wie „Wir müssen endlich mal selbst das erste Tor schießen“ oder „Wir hatten uns fest vorgenommen, in Führung zu gehen“. Allein an der Umsetzung hapert es Wochenende für Wochenende. Ein Umstand, der Trainer Norbert Düwel in Erklärungsnot bringt. „Wenn ich eine Ahnung für den Grund hätte, warum wir immer wieder in Rückstand geraten, hätte ich ihn längst abgestellt“, sagte der Coach und versicherte: „Wir sprechen die Dinge immer wieder an, um sie abzustellen. Wir versuchen auch weiterhin alles. Aber vielleicht gehört das auch zum Umbruchprozess dazu.“
Einem 0:1 hinterherzulaufen, erfordert viel Willensstärke. Diese hat Union auch in Leipzig gezeigt. Nur nicht immer gelingt es, wieder derart ins Spiel zurückzufinden, dass etwas Zählbares herausspringt. So wie in Leipzig, oder zuvor in Nürnberg (1:3). „Wir können nicht jede Woche ein Spiel drehen“, sagte Christopher Quiring ernüchtert.
Ein Schwur vor dem Spiel soll helfen
Sebastian Polter, mit neun Treffern Unions bester Torschütze, versuchte sich an einem Lösungsansatz: „Vielleicht müssen wir uns schon vor dem Spiel in der Kabine so einschwören, dass wir das Gefühl haben, hinten zu liegen.“ Unions Auftritt quasi als Aufholjagd beim Stande von 0:0. Doch Aufholjagden sind „auch immer mit Kraft verbunden“, so Polter. Fehlt diese Kraft, ist jedes Hinterherrennen zum Scheitern verurteilt.
An eben diese Grenzen scheint Union jetzt zu stoßen. In Leipzig „hatten wir am Ende nicht mehr diese Durchschlagskraft“, sagte Trainer Düwel: „Das ist auch etwas unserer personellen Situation geschuldet.“ Am Sonntag musste Sören Brandy mit ausgerenkter Schulter schon nach einer Viertelstunde ausgewechselt werden – eine Möglichkeit weniger, in der Schlussphase einen frischen Mann einzuwechseln. Die Alternativen werden nicht größer angesichts der derzeit erkrankt oder verletzt fehlenden Benjamin Köhler, Maximilian Thiel, Björn Kopplin und eben Brandy.
Und je länger ein Spiel dauert, desto größer ist das Risiko, bei verstärkter Offensive in Konter zu laufen. Aber: „Gerade gegen Leipzig, das bekanntlich immer mit starkem Pressing agiert, muss man ohne Risiko spielen“, sagte Christopher Trimmel. Das gilt auch für die kommenden Gegner 1. FC Kaiserslautern (8.3., Alte Försterei) und Darmstadt 98 (13.3.), den Tabellendritten und Tabellenzweiten.