Zweite Liga

Unions Problem mit der rechtsradikalen Fangruppe „Crimark“

| Lesedauer: 7 Minuten
Sebastian Fiebrig

Foto: Matthias Koch

In der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Gruppierung „Crimark“ organisieren sich Anhänger von Union. Der Verein versucht, das Problem im Stillen zu lösen.

Es ist bitterkalt im Chemnitzer Stadion im Januar, als der 1. FC Union zu einem Testspiel antritt. Auf dem Zaun vor dem Berliner Gästeblock feuern zwei Fans die Anhänger an. Auf den Rückseiten ihrer orangfarbenen Daunenjacken ist der Kopf des Preußenkönigs Friedrich des Großen zu sehen, umrahmt von der Aufschrift „Crimark - Union Berlin“.

Nicht weiter auffällig, eher ein Zeichen der begeisterungsfähigen Anhängerschaft von Union. Bei Heimspielen zeugt lediglich eine schwarze Fahne mit dem Aufdruck „Crimark“ am Zaun vor dem Tor auf der Waldseite von der Anwesenheit dieser Fans. Dort, wo die Köpenicker Ultras stehen.

Doch gerade um diese unscheinbare Gruppe entbrennt eine Diskussion im Verein. Denn „Crimark“ taucht im aktuellen Bericht des Landesverfassungsschutzes Brandenburg auf und wird dort in der rechten Szene verortet.

In einem Absatz des Verfassungsschutzberichtes wird die Fangruppe so charakterisiert: „Eine im Berliner Umland aktive rechtsextremistische Fußball-Anhängerschaft ist Crimark. Es handelt sich hierbei um Fans des 1. FC Union Berlin. Die führenden Akteure kommen aus Potsdam und Umgebung.“

Nach Informationen der Morgenpost ist „Crimark“ eine lose Gruppierung von circa 20 Fans, von denen einige vor allem mit linken Anhängern des SV Babelsberg 03 Auseinandersetzungen gesucht haben sollen. Der Name setzt sich aus den Wörtern Crime und Mark zusammen. Laut Recherchen der linken Szene, die auch der Verfassungsschutz zitiert, sollen sie für rechte Schmierereien und einen Angriff auf einen Fan des Potsdamer Vorortsverein verantwortlich sein. Mittlerweile ist auch die Polizei eingeschaltet.

Union möchte Problem im Stillen lösen

Union machte sich in der jüngeren Vergangenheit, wie in der Debatte um mehr Sicherheit in den Stadien, für die Verteidigung von Rechten für die Fans stark. Da passt die Diskussion um „Crimark“ und die Verbindungen der Gruppe in die politisch rechte Szene überhaupt nicht. Gegenüber der Morgenpost wollte sich niemand aus der Fanbetreuung des Vereins öffentlich zu dem Thema äußern.

Der Klub macht geltend, dass keine Stadionverbote ausgesprochen werden können, da die vorgeworfenen Taten nicht im Umfeld von Union-Spielen stattgefunden hätten. Zudem hätten die Ermittlungsbehörden, zu denen Kontakt aufgenommen wurde, noch keine detaillierten Erkenntnisse oder gar Personendaten mitgeteilt.

Stattdessen setzt die Fanbetreuung auf eine aus Vereinssicht bewährte Strategie: Das Problem soll im Stillen gelöst werden. Ohne großes Aufsehen wurde Anfang Mai ein Treffen mit einem Teil von „Crimark“ und einem Klubvertreter arrangiert, in dem klargemacht wurde, dass die Zaunfahne im Stadion nicht mehr hängen darf und die Gruppe als solche nicht mehr im Union-Umfeld aktiv werden soll. Bei Zuwiderhandlungen wurden Hausverbote für das Stadion an der Alten Försterei angedroht. Als Argument für eine mögliche Aussperrung nutzten die Köpenicker den sehr allgemeinen Vorwurf der Vereinsschädigung.

Der Verein steckt in einer selbstgewählten Zwickmühle. Während der Sicherheitsdebatte forderten Union-Vertreter, dass Stadionverbote erst nach Verurteilungen durch Gerichte und nicht auf Verdacht ausgesprochen werden sollen. Doch der Verfassungsschutzbericht hat den Klub unter Druck gesetzt. „Wir können nicht fordern, dass die Behörden ermitteln sollen und dann deren Erkenntnisse ignorieren“, so ein Vereinsvertreter zur Morgenpost. Sollten die polizeilichen Ermittlungen Straftaten belegen, behält sich Union Stadionverbote ausdrücklich vor.

Trotz Verbot wird Fahne im Stadion gezeigt

Aber eigentlich möchten die Köpenicker nicht mit harten Maßnahmen öffentlich in Erscheinung treten. Auch weil das nicht zur Kultur des Klubs passt. Fanarbeit eignet sich aus Sicht des Zweitligisten überhaupt nicht für öffentlichkeitswirksame Aktionen, weil dadurch Kontakte zur Fanszene und über Jahre aufgebautes Vertrauen in die Brüche gehen können. Damit wären ausgerechnet die Teile der Anhängerschaft für Union nicht mehr ansprechbar, die das eigentliche Ziel der Fanbetreuung sind. „Das sind die Mühen der Ebene“, heißt es in der Geschäftsstelle dazu.

Das Heimspiel am 12. Mai gegen Duisburg sollte die erste Probe sein, ob sich „Crimark“ an die informelle Vereinbarung hält. Doch während des Spiels tauchte die Fahne der Gruppe ausgerechnet inmitten der Vorsänger der Union-Ultras auf. Eine Provokation und Solidaritätsaktion, die während der Partie für Unmut innerhalb der sehr differenzierten Fanszene und auf den Rängen fast für eine Prügelei sorgte. Kein Wunder, sind die Übergänge von den Ultras bis zu „Crimark“ teilweise fließend.

Mindestens ein Mitglied der unter Rechtsextremismusverdacht stehenden Brandenburger Vereinigung war früher Teil der Ultragruppe „Teen Spirit Köpenick“ und pflegt noch intensive Kontakte zu einigen Ultras. Noch im März nahm „Crimark“ mit einem eigenen Team beim Hallenturnier der Union-Fanszene teil, bei dem auch Mittelfeldakteur Christopher Quiring mitspielte und Kapitän Torsten Mattuschka den Pokal überreichte.

Für Aufsehen sorgte am letzten Bundesligaspieltag bei der Partie zwischen Mönchengladbach und Meister FC Bayern ein Spruchband von Borussenfans, auf dem Stand: „Union an 1. Stelle - nun behandelt wie Kriminelle. Solidarität mit Crimark!“ Die Anhänger der Borussia sahen im Handeln von Union gegen „Crimark“ einen Gegensatz zur Köpenicker Vereinspolitik, die bei der Verteidigung der Rechte der Fans voranging. Die Unterstützung vom Niederrhein passt vielen in Berlin nicht.

„Crimark“ kann die Ultra-Szene spalten

Die Ultragruppen von Union sind sehr heterogen und haben sich auf einen gemeinsamen Nenner geeinigt: Politische Meinungsäußerung sind im Stadion tabu. Ein Konflikt zwischen rechten und linken Ultras, der beispielsweise bei Bundesligaaufsteiger Eintracht Braunschweig oder bei Alemannia Aachen gewalttätig eskalierte, soll unbedingt vermieden werden.

„Crimark“ hat das Potenzial die Fanszene bei Union zu spalten. Denn die Ultras müssen sich jetzt positionieren, sollte in der neuen Zweitliga-Saison die Zaunfahne wieder hängen. Eine Situation, die über Jahre ferngehalten werden konnte. Einmal, in der Oberliga-Saison 2005/06, wurden die Ultras aktiv und entfernten die rechtsextreme „Gruppe 9“ aus ihrem Block.

In den Reihen der Anhänger gibt es zwar viele, die „Crimark“ zugute halten, sich an den Kodex des Unpolitischen im Stadion gehalten zu haben. So fallen sie weder durch rechte Symbole noch Parolen auf. Doch die Einsicht ist ebenso da, dass sich die Gruppe aus Potsdam mit ihren Aktionen im Berliner Umland und dem Eintrag im Verfassungsschutzbericht selbst von dem Konsens verabschiedet hat.

Bei einem gruppeninternen Treffen am Mittwochabend einigte sich die Fanszene von Union darauf, zunächst noch einmal das Gespräch mit „Crimark“ zu suchen, damit die Brandenburger Vereinigung von selbst auf Präsenz im Stadion verzichtet. Denn am letzten Spieltag in Bochum hing die schwarze Fahne von „Crimark“ mit dem märkischen Adler und dem Konterfei von Friedrich dem Großen wieder im Gästeblock der Berliner.