In der Affäre um Präsident Dirk Zingler agiert Union Berlin mit einer Mischung aus Verfolgungswahn und Verschwörungstheorie. Die Ansage von Stadionsprecher Christian Arbeit sorgt für Unruhe und schadet dem Verein bei der angestrebten Etablierung im Profifußball.

Es war ein diffuses Bild, das der 1. FC Union in den vergangenen Tagen abgegeben hat. Und damit ist nicht nur der Auftritt der Mannschaft beim 0:4 zum Heimauftakt gegen die SpVgg Greuther Fürth gemeint. Der Umgang des Fußball-Zweitligisten mit der Berichterstattung über den Armeedienst von Klubchef Dirk Zingler im Stasi-Wachregiment „Felix Dzierzynski“ offenbart eine Wagenburgmentalität, die dem Klub noch ernsthafte Schwierigkeiten bereiten könnte. Jenes „wir gegen alle“, in dem sich Union bewegt und mit dem der Verein sich zum großen Teil in den vergangenen Jahren selbst definiert hat, kann zum Stolperstein werden auf dem Weg, sich im Profifußball zu etablieren. Die Etablierung ist aber oberstes Ziel des Klubs.

„Wir haben keine Wagenburgmentalität. Das zeigt sich auch daran, dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ein gern gesehener Gast war“, äußerte sich Christian Arbeit am Sonntag gegenüber Morgenpost Online. Der Stadion- und Pressesprecher selbst war es jedoch, der mit seinem Statement vor dem Fürth-Spiel eben jene Denkweise noch einmal dokumentiert hat. „Ich glaube, dass wir uns die Dinge nicht erklären lassen müssen von Leuten, die damals gar nicht hier waren und dann irgendwann nach Berlin gekommen sind“ und „Offenbar gibt es Leute, die irgendwelche persönlichen Dinge klären müssen“ sagte Arbeit den 15.004 Fans im Stadion an der Alten Försterei Minuten vor dem Anpfiff.

In der offiziellen Vereinszeitschrift zum Spiel wird sogar eine Mischung aus Verfolgungswahn und Verschwörungstheorie bedient. In der Rubrik „Dies & Jenes“ ist die Rede von „denen im Hauptstadtklüngel, denen Union schon immer ein Dorn im Auge war“. Ein Werben um mögliche Sponsoren, die den Verein voranbringen könnten, zum Beispiel bei der Finanzierung der dringend benötigten Haupttribüne, sieht anders aus.

„Hier sind unsere Programmierer, die sonst ein wirklich gutes Programmheft machen, ein wenig über das Ziel hinaus geschossen“, kommentierte Arbeit. Die Programmierer, die das Programmheft gestalten, sind laut Impressum „ein bestehendes Zweckbündnis von Unionfans, die alle Mitglieder des 1. FC Union sind, jedoch in keinerlei Abhängigkeit zum Club oder unter dessen Inhalts-Zensur stehen“.

Seine Stadion-Ansprache sieht Christian Arbeit hingegen weniger problematisch: „Wir können ja nicht so tun, als wäre nichts passiert, wenn die ganze Woche über jede Zeitung in Berlin praktisch täglich über das Thema berichtet.“ Dass der „Fall Zingler“ im Stadion ohne Arbeits Statement praktisch nicht stattgefunden hätte, stört ihn nicht. „Das ist die Art der Öffentlichkeit, die wir haben. Die Zeitung hat die gedruckte Auflage, wir haben die Menschen im Stadion“, sagte Unions Stadionsprecher. Doch populistische Ansprachen haben bislang noch keinem so richtig geholfen, zumal der Eindruck der Attacke auf kritische Berichterstattung nicht wegzudiskutieren ist. „Es muss letztlich auch erlaubt sein, Kritiker zu kritisieren“, sagte Arbeit dazu.

Es ist sicher nachvollziehbar, dass Union auf das Stichwort „Stasi“ höchst empfindlich reagiert. Das liegt in der Klubgeschichte begründet, in der sich die Köpenicker als Widersacher gegen den BFC Dynamo positionierten, jenem Spielzeug von Erich Mielke, dem Chef des Ministeriums für Staatssicherheit. Doch an dem Fakt, dass Klubchef Zingler unter dem Dach der Stasi seinen Dienst verrichtete, kommt auch Union nicht vorbei. Arbeit erklärte dazu: „Mich stört, dass ein bestimmter Fakt auf eine bestimmte Art interpretiert wird. Dass die Wehrdienstableistung von Dirk Zingler im Wachregiment Felix Dzierzynski als Stasi-Tätigkeit bezeichnet wird.“ Ein Vorwurf, von dem zumindest diese Zeitung freizusprechen ist. Dennoch, je weiter man aus Berlin wegginge, bleibe, so Arbeit, „als Zitat in den Zeitungen dann nur noch ‚Zingler war Stasi-Mann' übrig“. Eine aktive Aufklärungsarbeit von Seiten der Unioner würde da sicher mehr helfen als irgendwelche Stadionansprachen. Doch Präsident Zingler weilt immer noch im Urlaub in Portugal, wird sich erst im August bei einem Fantreffen stellen.

Apropos – war Arbeits Aktion überhaupt mit dem Klubchef abgesprochen? „Es ist Stadionsprechertradition bei uns bei Union, dass wir Dinge, die uns betreffen, am Spieltag aufgreifen und auch kommentieren. So was wird vorher nicht mit dem Präsidium abgesprochen“, sagte Christian Arbeit. Was nicht heißt, dass der Präsident hinterher von einem Kommentar dieser Art auch begeistert sein muss.