Weil der Präsident des 1. FC Union zu DDR-Zeiten im Stasi-Bataillon “Felix Dzierzynski“ diente, steht beim Zweitligisten die Frage: Hätte Dirk Zingler das früher mitteilen müssen?

Dirk Zingler ist derzeit im Urlaub in Portugal. Ob die Reise bereits lange geplant war oder erst kurzfristig angetreten wurde – der Zeitpunkt hätte kaum besser sein können, angesichts des Ungemachs, das sich am Dienstag über dem Präsidenten des 1. FC Union zusammenbraute. Der Klubchef des Berliner Fußball-Zweitligisten war ein gefragter Mann. Auskunft erhielt man von ihm jedoch nicht, weiter als bis zur Mailbox seines Handys kam man nicht. Statt bei Zingler prasselten bei Unions Pressesprecher Christian Arbeit die Anfragen für ein Statement des Vereinsbosses ein. „Ich kann die Aufregung ehrlich gesagt nicht verstehen“, äußerte sich Arbeit.

Es war ein Bericht der „Berliner Zeitung“, der für mächtig Unruhe rund um den Köpenicker Klub gesorgt hatte. Das Blatt berichtete über Zinglers Armeedienst im Regiment „Felix Dzierzynski“ – dem Wachregiment der Staatssicherheit der DDR. Hat nun auch der 1. FC Union seinen Stasi-Fall? Muss der Klubchef seinen Hut nehmen, ähnlich wie es zum Beispiel Ralf Hechel vom Drittligisten SV Babelsberg 03 tun musste, nachdem im vergangenen Herbst die Stasitätigkeit des damaligen 03-Geschäftsführers bekannt wurde?

Auch wenn diese Fälle auf den ersten Blick identisch aussehen – sie sind es nicht. Denn anders als Hechel, der als Informeller Mitarbeiter (IM) für die Stasi unterwegs gewesen ist und damit deren verbrecherische Machenschaften aktiv unterstützt hat, gibt es keinen Hinweis darauf, dass Zingler während oder nach seiner Soldatenzeit als IM gearbeitet hat. Zingler selbst ließ über die Homepage des 1. FC Union mitteilen: „Ich bin weder verfolgt worden, noch habe ich andere verfolgt. Es war meine Armeezeit.“

Um den 18-monatigen Grundwehrdienst kam man in der DDR nicht herum. Dennoch verpflichtete sich Zingler als 18-Jähriger für drei Jahre, weil er nur so in Berlin bleiben konnte, wie er erklärte. Zingler: „Berlin war mit sehr wichtig, denn ich war damals schon Unioner, und von Adlershof an die Alte Försterei war es nicht so weit.“ Um in Berlin zu bleiben gab es nur zwei Möglichkeiten: das Wachregiment der Nationalen Volksarmee (NVA) oder das des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS).

Doch schon allein beim Begriff Stasi bekommen viele im Union-Lager das Schaudern. Schließlich haben sich die Anhänger dieses Vereins stets als Insel gegen das DDR-Establishment verstanden. Die ersten Reaktionen im Internet-Fanforum waren eindeutig. „Herr Z. auf Wiedersehen. Wer im Stasi-Wachregiment war, ist bei uns falsch“ oder „Mein erster Gedanke ist, meine Mitgliedschaft zu kündigen“, heißt es dort. Erst nachdem sich die ersten Emotionen gelegt hatten, wurde eines immer deutlicher: Zinglers Dienst im Stasi-Wachregiment wird ihm weit weniger angekreidet als der unsägliche Deal mit Ex-Hauptsponsor ISP, der im Herbst 2009 nach nur wenigen Wochen wieder beendet wurde, als die IM-Tätigkeit von ISP-Aufsichtsratschef Jürgen Czilinsky bekannt geworden war. Sven Kastanowicz, seit fast 20 Jahren Union-Fan, sieht das ähnlich: „Das ist doch alles Quatsch. Wichtig ist die Leistung als Präsident, und nicht, ob Zingler drei Jahre bei der Armee dienen musste, wie viele andere im Osten auch.“ Auch Union-Mitglied Ronny Kern, immerhin Historiker, meint: „Das war doch üblich in der DDR, dass drei Jahre Wehrdienst geleistet werden, um bessere Karrierechancen zu haben. Dass er im Wachregiment war, sieht heute natürlich blöd aus, aber solange er nicht gespitzelt hat, ist das für mich kein Problem. Seit sieben Jahren macht Zingler einen guten Job. Er ist durch und durch Unioner.“

Nur warum ist Zingler nicht viel früher selbst an die Öffentlichkeit gegangen? Seine dreiseitige Verpflichtungserklärung sowie sein Eid auf die Fahne der DDR vom 23. April 1983 sind auf Dokumenten des MfS verewigt. Die Akte Zingler der Jahn-Behörde für Stasi-Unterlagen liegt Morgenpost Online vor. Damit bekommt Zingler („Ich habe dann Wache vor einem Krankenhaus gestanden. Mit der Stasi an sich hatte ich nichts zu tun“) ein Glaubwürdigkeitsproblem. Das Vertrauen der Anhänger in ihn, das Zingler in den vergangenen Jahren mit der wirtschaftlichen Konsolidierung, der Realisierung des neuen Stadions und der Zweitliga-Rückkehr gewinnen konnte, ist jedenfalls im Minimum belastet, wenn nicht gar erschüttert. Viele werden Dirk Zingler nun mit anderen Augen sehen, weil er die nötige Transparenz hat vermissen lassen. Dabei hätte ihm die Problematik bewusst sein müssen, die ein Amt als Union-Präsident mit Armeevergangenheit im Stasi-Wachregiment mit sich bringt.

Rückendeckung gab es von Antonio Hurtado, dem Vorsitzenden des Union-Aufsichtsrats, der Zingler erst vor einem Jahr für dessen dritte dreijährige Amtszeit bestätigt hat. „Dirk Zingler hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, wo er seine Armeezeit verbracht hat“, bestätigte Hurtado, dass der Aufsichtsrat davon vor Zinglers Berufung zum Union-Präsidenten gewusst hatte. Hurtado machte deutlich: „Es gibt für uns nicht den geringsten Zweifel an seiner Integrität oder seiner Eignung für das Amt des Präsidenten. Er hat unser vollstes Vertrauen und unsere Unterstützung.“