Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Dass Spieler und Trainerstab des 1.FC Union gestern bei ihrer Weihnachtsfeier ein wenig die Seele baumeln ließen, war zum derzeitigen Zeitpunkt vielleicht genau das Richtige. Speziell einem Unioner dürfte der gestrige Abend gut getan haben. Schließlich waren die vergangenen Wochen für Jan Glinker nicht einfach gewesen. Abwechslung ist da sicherlich nicht verkehrt.
„Er musste zuletzt einem enormen Erwartungsdruck standhalten“, sagte Uwe Neuhaus, Unions Trainer. Erst die Verbannung auf die Bank, nachdem Glinker Jahre lang als unangefochtene Nummer eins den Kasten der Köpenicker gehütet hatte. Dann musste er mit ansehen, wie sein Konkurrent Marcel Höttecke mit guten Leistungen seinen Platz in der Startformation immer weiter festigte. Und als Glinker für den verletzten Höttecke einspringen musste, als er die Chance bekam zu zeigen, dass er doch die wahre Nummer eins bei Union ist – der schwere Patzer, der zur Niederlage gegen den VfL Bochum geführt hat. Mit der Schelte vom Trainer noch obendrauf: „Wenn er rauskommt, muss er ihn haben. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn er gar nicht rausgekommen wäre.“
Aus den Fehlern lernen
Es ist ein Beleg dafür, dass dem 26-Jährigen die Rückstufung zur Nummer zwei doch mehr zu schaffen macht, als ihm lieb ist. „Er hat das Gefühl bekommen, irgendetwas machen zu müssen“, suchte Neuhaus nach einer Erklärung für den erneuten Fehler. Glinkers Drang, den Trainer unbedingt davon überzeugen zu wollen, dass ein Wechsel auf der Torhüterposition ein Fehler gewesen ist, bringt die Mission Klassenerhalt ernsthaft in Gefahr. Denn auch in den nächsten beiden Partien am Montag bei Energie Cottbus (20.15 Uhr, Sport1 und Sky live) sowie eine Woche später zum Hinrunden-Abschluss gegen den Karlsruher SC wird Glinker im Tor stehen. Höttecke ist wegen eines Muskelfaserrisses bis Jahresende außer Gefecht. Und sollten beide Partien auch noch verloren gehen, würde Union wohl auf einem Abstiegsplatz ins neue Jahr gehen. Genau dies gilt es zu verhindern. So ist der dringlichste Appell, den Trainer Neuhaus an Glinker hat: „Er muss einfach ruhiger werden.“ Die neuen Leiden des Jan Glinker.
Regel Nummer eins in solchen Fällen: Dem Angeschlagenen wird der Rücken gestärkt. „Jan weiß, dass er ein guter Torwart ist“, sagt Neuhaus. Was für seine Qualitäten auf der Linie sicherlich zutrifft. Sobald er jedoch sein sicheres Terrain verlässt, setzt es Gegentore. So geschehen in Augsburg, Bielefeld und nun gegen Bochum. Dazu kommt der Fehler beim Freistoß gegen Aue. Was also tun? Dem Torwart solche Ausflüge zu verbieten, ist ebenso falsch wie unmöglich. „Man muss genau abwägen, was man macht“, sagt Neuhaus. Und macht sich seine Gedanken: „Vielleicht müssen wir in einer ruhigen Minute mal einen Kaffee zusammen trinken gehen.“
Glinker muss jetzt seine Stärken zeigen
Dass es diese ruhigen Minuten immer weniger geben wird, je weiter die Köpenicker in den Tabellenkeller rutschen, versteht sich von selbst. So gerieten gestern beim Training am frühen Nachmittag Mittelfeldspieler Jerome Polenz und Stürmer John Jairo Mosquera nach einem Zweikampf im Training aneinander. Nicht nur beim Torwart macht sich die Anspannung immer mehr bemerkbar.
Für Glinker kommt es nun darauf an, sich auf seine Stärken zu besinnen. Ansonsten schwindet nicht nur das Zutrauen des Trainers in Glinker, sondern auch der Zuspruch der Mannschaft immer mehr. „Wir müssen ihm in den nächsten zwei Spielen das Vertrauen aussprechen“, fordert Neuhaus. Er hat angesichts der Verletzungsmisere aber auch gar keine Wahl. Denn Unions eigentliche Nummer drei, Christoph Haker, ist nach seinen Schulterproblemen längst noch nicht wieder hundertprozentig fit. Und A-Junioren-Keeper Kilian Pruschke nun in die Startelf zu stellen, käme einer Demontage Glinkers gleich, von der er sich noch langsamer erholen würde als von der Rückstufung zur Nummer zwei.