Interview

Union-Verteidiger Peitz hilft Kindern in Jordanien

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Martin Kleinemas

Foto: Dominic Peitz

Er ist in vielerlei Hinsicht ein ungewöhnlicher Profi: Unions Dominic Peitz spricht über sein Engagement für eine Schule in Amman, schmerzlindernde Adrenalinschübe und die Reisen von Minister Guttenberg.

Es gibt nicht allzu viele Fußball-Profis, die von sich aus zurückrufen und sich entschuldigen, warum sie für das vereinbarte Interview nicht erreichbar waren. Dominic Peitz, Defensivstratege in Diensten des 1. FC Union, gehört dazu. Mit seiner ehrlichen Art und seinem nimmermüden Kampfgeist hat er sich längst in die Herzen der Fans gespielt.

Morgenpost Online: Herr Peitz, die Platzbedingungen sind derzeit alles andere als optimal. Müssen wir uns Sorgen machen, dass Ihre Mannschaft nicht rechtzeitig fit wird?

Dominic Peitz: Um die Fitness brauchen wir uns, glaube ich, nicht zu sorgen. Dafür gibt es ja genügend Möglichkeiten in der Halle. So eine Einheit wie der Laktattest am Montag oder ein Turnier in der Halle sind auch anstrengend, darüber kann man auch die nötige Kraft sammeln.

Morgenpost Online: Aber spielerisch läuft es demnach nicht so gut im Training?

Dominic Peitz: Da haben wir in der Halle natürlich nicht die Möglichkeiten wie auf dem Platz, alleine schon von der Breite her. Das kommt ein bisschen zu kurz. Immerhin können wir jetzt den Kunstrasenplatz nutzen. Das ist vielleicht für die Gelenke nicht so gut, aber da muss man dann eben mit zurechtkommen. Dafür sind spielerische Elemente einfach zu wichtig.

Morgenpost Online: In jedem Fall trainieren Sie einmal mehr die Tugend, die Union in der Hinrunde ausgezeichnet hat: das Kämpfen. Ist das der Trumpf Ihrer Mannschaft im Vergleich zu anderen Teams?

Dominic Peitz: Um das zu beurteilen, müsste man die Spiele der anderen Mannschaften nochmals genauer unter die Lupe nehmen. Da will ich keiner Mannschaft der Liga zu nahe treten. Fakt ist, dass sich sicher keine der Mannschaften einfach hängen lässt. Ich glaube aber, dass wir die Dinge, die wir falsch gemacht haben, ausgeglichen haben. Das zeichnet uns aus, und wir haben uns damit ja auch eine Ausgangslage geschaffen, die alles andere als ausweglos ist und aus der wir nun selbst etwas machen können.

Morgenpost Online: Sie werden gerne als der Vorkämpfer dieser Mannschaft bezeichnet. Ist das ein Lob oder vielmehr eine Bürde, immer bis zum Umfallen fighten zu müssen?

Dominic Peitz: Schwierig zu sagen. Es ist das, was ich in diesen Beruf einbringen kann. Ich komme sicherlich mehr über den Einsatz, das ist für mich auch in gewisser Weise beruhigend, weil ich mich eigentlich nie damit aufhalten muss, dass meine Einstellung nicht stimmt. Ich weiß nicht, ob man das als Bürde bezeichnen kann, ich habe keine Probleme damit.

Morgenpost Online: Da wird kein unterschwelliger Druck aufgebaut? Zuletzt spielten Sie gegen Karlsruhe mit getapter Kopfwunde und deuteten an, dass Sie alles doppelt sehen…

Dominic Peitz: …ich habe Blitze gesehen, das ist richtig.

Morgenpost Online: Der Grat, auf dem man als Spieler wandelt, scheint sehr schmal. Manchmal kann man seiner Mannschaft vielleicht gar nicht mehr helfen.

Dominic Peitz: Ja, bei mir war es so und so. Nachdem ich draußen behandelt wurde, habe ich mich erst gut gefühlt. Leider sind Karim (Benyamina, d. Red.) und ich dann beim 2:1 durch Halil Savran nochmals zusammengeprallt, dann fing das mit den Blitzen an. Da fragst du dich natürlich: Inwieweit kann ich noch helfen? Ist ein anderer klarer im Kopf? Deshalb habe ich dann auch gesagt: Jetzt hat es keinen Sinn mehr.

Morgenpost Online: Sind solche Aktionen möglich, weil Sie so unter Adrenalin stehen?

Dominic Peitz: Klar, das Adrenalin sorgt dafür, dass man bestimmte Schmerzen oft erst später wahrnimmt. Ich habe in der Vergangenheit mal einen Jochbeinbruch gehabt und bin auch wieder zurück aufs Feld gelaufen. Irgendwann habe ich dann so eine Kerbe gespürt und habe gemerkt, dass ich auf einem Auge gar nicht mehr richtig den Ball in der Luft sehen konnte, weil es so zugeschwollen war. Mir ging es eigentlich ganz gut und trotzdem musste ich, wohl oder übel, vom Feld.

Morgenpost Online: Sie haben auf jeden Fall ein starkes Jahr gespielt, Ihr Vertrag läuft aus. Gibt es überhaupt die Chance, Sie zu halten?

Dominic Peitz: Das kann ich so noch gar nicht sagen. Ich weiß jetzt seit Weihnachten, dass ich bei Union bleiben darf, das freut mich sehr. Aber ehrlich gesagt, sehe ich jetzt erst mal den Verein. Ich will gar nicht von mir ablenken, aber viel wichtiger ist, dass wir als Mannschaft das erreichen, was wir uns vorgestellt haben: den Klassenerhalt. Da zählen einzelne Vertragskonstellationen nicht. Wenn wir dieses Ziel nicht erreichen, brauchen wir uns bei keinem Spieler über einen Vertrag zu unterhalten.

Morgenpost Online: Dennoch ist ein bisschen Geborgenheit doch nichts Schlechtes, die Aussortierung von Jerome Polenz und Kenan Sahin zeigt doch einmal mehr, wie hart und schnelllebig das Geschäft ist.

Dominic Peitz: Absolut. Das verdeutlicht ja wieder, dass Profi-Fußball ein Beruf zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt ist. Da muss man auch immer wieder sehen, dass einem das sehr schnell auch selbst passieren kann, und sollte deshalb ein bisschen Mitgefühl haben.

Morgenpost Online: Das ist ein gutes Stichwort. Sie engagieren sich schon seit einiger Zeit für ein Schulprojekt in Jordanien. Wie kam es dazu?

Dominic Peitz: Der Kontakt ist durch meine Freundin Britta entstanden, die dort ein Praktikum für ihr Wirtschaftsarabistik-Studium gemacht hat. Sie hat damals für die Hans-Seidel-Stiftung gearbeitet, die christliche Theodor-Schneller-Schule war eines ihrer Projekte. Dort erhalten Waisen und Flüchtlingskinder eine Realschulausbildung und können einen Handwerksberuf erlernen. Ich habe dann überlegt, was ich tun kann, um diesen Kindern eine Freude zu bereiten. Unsere privilegierte Stellung als Fußball-Profi sollte uns Fußballern des Öfteren bewusst sein, und deshalb habe ich dann versucht, etwas für diese Kinder auf die Beine zu stellen. Schließlich sollten wir gewisse Verantwortung, eben auch abseits des Platzes, übernehmen.

Morgenpost Online: Sie unterstützen die Schule nicht nur finanziell, Sie brachten auch Sportartikel persönlich mit…

Dominic Peitz: …ich möchte als Person da gar nicht so im Vordergrund stehen, für mich zählen die Schüler und Kinder, nichts anderes ist mir wichtig dabei. Mit Hilfe eines großen deutschen Sportartikelherstellers und der Deutschen Botschaft in Amman konnte ich tatsächlich einige Utensilien mitnehmen. Das freute mich und die Kids, glaube ich (lacht), sehr.

Morgenpost Online: Wer als Prominenter in Krisengebiete reist, bekommt schnell mal vorgehalten, sich nur selber präsentieren zu wollen, da gibt es aktuelle Beispiele. Wie empfinden Sie das?

Dominic Peitz: Ich sehe mich gar nicht so sehr als prominent. Ich wage dennoch mal einen kleinen Exkurs in die Politik: Wenn Verteidigungsminister zu Guttenberg nach Afghanistan reist, um sich ein Bild von alldem zu machen, was seinen Job betrifft, und am Ende heißt es: Das ist Selbstdarstellerei, dann kann ich das nicht verstehen. Man muss sich doch mit den Menschen, die vor Ort das Sagen haben, austauschen. Das finde ich viel sympathischer, als wenn Leute sagen: Wir brauchen mal 100 Bälle für Afrika, und dann schicke ich die da runter. Deshalb ist es mir wichtig, selber zu schauen, was sich wirklich abspielt. So wie ein Minister eben nur in Absprache mit den Einflussnehmern an Ort und Stelle wirklich entscheiden kann, wie Deutschland helfen soll.

Morgenpost Online: Planen Sie weitere Besuche?

Dominic Peitz: Ja, klar. Ich war inzwischen zweimal dort und tausche mich in regelmäßigen Abständen mit der Schule aus. Sobald es meine Zeit erlaubt, werde ich auch wieder hinfahren, vielleicht schon im kommenden Sommer.