Nach dem Abschneiden des deutschen Teams bei den Olympischen Spielen in London ist eine Debatte über die künftige Sportförderung entbrannt.

Am Sonntag gehen sie zu Ende, die Olympischen Sommerspiele von London. Können wir zufrieden sein mit dem Erreichten? Die deutsche Mannschaft hat zwar insgesamt mehr Medaillen gewonnen als noch vor vier Jahren in Peking. Die Zahl der Goldmedaillen aber liegt deutlich unter der von damals. Damit werden die Zielvereinbarungen zwischen Bundesinnenministerium (BMI) und den Sportfachverbänden klar verfehlt.

Mit jährlich rund 132 Millionen Euro ist das BMI der größte Förderer des Leistungssports in Deutschland. Obwohl es sich dabei um Steuergeld handelt, waren die Zielvereinbarungen jahrelang geheim gehalten worden. Erst auf eine Klage der WAZ-Mediengruppe vor dem Verwaltungsgericht Berlin hin veröffentlichte das Ministerium von Hans-Peter Fried-rich (CSU) die Zahlen. Demnach hätten deutsche Athleten in London 86 Medaillen gewinnen sollen, davon 28 goldene. So wurde es vor vier, zum Teil fünf Jahren vertraglich festgehalten.

Derart viele Medaillen jedoch hatte die gesamtdeutsche Mannschaft seit 1992 nicht geholt. In London waren es bis zum Sonnabend insgesamt nur 43, davon zehn goldene. Darunter auch die der Berliner Olympiasieger Julius Brink und Jonas Reckermann (Beachvolleyball), Robert Harting (Diskus) sowie Andreas Kuffner und Martin Sauer (Ruderachter).

Insgesamt holten die 47 Berliner Athleten bis zum Schlusstag neun Medaillen und lieferten damit eine Bilanz, die die Sporthauptstadt auch nicht zufriedenstellen kann. Zumal mit Schwimmstar Britta Steffen eine Topsportlerin komplett leer ausging.

Deutscher Olympische Sportbund verteidigt Zielvereinbarungen

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) verteidigte derweil die Zielvereinbarungen als legitimes und geeignetes Instrument zur Steuerung des Spitzensports. Von einer „Medaillen-Planwirtschaft“ könne keine Rede sein, sagte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper. Es sei bei der Aushandlung nur um die „Beschreibung von Potenzialen gegangen, die man gemeinsam entwickeln möchte“.

Damit, so Vesper, sei das frühere System von „Belohnung und Bestrafung“ überwunden worden. Für den kommenden Olympiazyklus soll der „Fördervereinbarungsprozess“, wie er in Zukunft heißt, im Januar 2013 beschlossen werden.

An Inhalt, Zustandekommen und Intransparenz der Zielvereinbarungen gibt es bei den Fachverbänden zum Teil harte Kritik. Als einer der ersten Verbandschefs trug sie der Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes vor: „Wir sehen eine grundlegende Diskussion über die Förderung des deutschen Sports als notwendig an“, sagte Thomas Weikert.

Zustimmung erhält er von vielen deutschen Athleten, die das System kritisieren oder sich gegen den Vorwurf verwahren, in London versagt zu haben. Auch nationale Sportidole schlagen Alarm. So sagt zum Beispiel Hochsprung-Olympiasiegerin Ulrike Nasse-Meyfarth (56): „Die Frage muss erlaubt sein, warum viele ihr Leistungsvermögen nicht abrufen konnten.“ Laut einer Umfrage sagen zwei Drittel der Deutschen, Medaillengewinne deutscher Sportler machten sie „stolz“ und „glücklich“.

Abschneiden in einzelnen Disziplinen bleibt hinter Erwartungen zurück

Den Anspruch, in möglichst vielen olympischen Sportarten erfolgreich zu sein, statt sich auf medaillenträchtige zu konzentrieren, will der DOSB künftig weiterhin vertreten – auch wenn das Abschneiden in einzelnen Disziplinen jetzt deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.

Was die erhebliche Diskrepanz zwischen den Zahlen aus den Zielvereinbarungen und dem Medaillenspiegel betrifft, so sagte Michael Vesper: „Wir diskutieren darüber, dass wir nicht 86 Medaillen erreicht haben, anstatt uns zu freuen, dass wir mehr Medaillen als in Peking erreicht und ein wunderbares Ergebnis vorzuweisen haben.“

Unterdessen hofft DOSB-Präsident Thomas Bach auf Olympia in Deutschland. „Wir wollen Olympische Spiele in Deutschland.“ Er hoffe, dass „der Erfolg von London auch Skeptiker zu Hause zum Nachdenken bringt – vielleicht auch den einen oder anderen Politiker, der bisher eine ablehnende Position hatte“, sagte der DOSB-Präsident.