London. Da war dieses Gefühl, als sie ankam im Londoner Südwesten, das Julia Görges im Zusammenhang mit Wimbledon nicht kannte. „Ich habe mich zum ersten Mal auf das Turnier gefreut“, sagt sie. Viele Jahre waren die All England Championships und die 30-Jährige keine Freunde, seit ihrer Premiere 2008 war Görges über die dritte Runde nie hinausgekommen, sieben Mal gar schon zum Auftakt gescheitert. Aber dann kam 2018, das Halbfinale auf dem Center-Court gegen Serena Williams, das die Weltranglisten-17. Frieden schließen ließ mit dem ungeliebten Rasen.
Im Vorjahr gab es eine 2:6, 4:6-Lehrstunde
Jetzt sitzt Julia Görges im Medienzentrum und soll erklären, was sie mitgenommen habe aus der Erfahrung des vergangenen Jahres. Die Auslosung hat ihr schon für die dritte Runde an diesem Sonnabend (14 Uhr, Sky) die Möglichkeit serviert, sich bei der US-Ikone für die 2:6, 4:6-Lehrstunde im Semifinale 2018 zu revanchieren.
Aber darüber will Görges nicht reden. „Ich will das Match angehen wie jedes andere Match gegen eine Topspielerin“, sagt sie. Ihr Ansatz sei, sich nicht um diejenige zu scheren, die auf der anderen Seite des Netzes steht. „Ich schaue auf das, was ich selbst beeinflussen kann. Alles andere interessiert mich nicht.“
Gelassenheit hilft Görges am meisten
Man mag das als Pfeifen im dunklen Wald abtun. Doch die Julia Görges von 2019 ist kein Mensch, der sich hinter einer Maske verstecken oder eine Rolle spielen muss, die ihr nicht passt. Sie hat den im vergangenen Jahr angestoßenen Reifeprozess weiterverfolgt und für sich den richtigen Weg gefunden, die Belastungen des Profigeschäfts zu kanalisieren. „Ich habe gelernt, dass Ruhe und Gelassenheit im Leben am meisten helfen“, sagt sie.
„Jule hat die Ruhe, mit den gewachsenen Ansprüchen umzugehen. Sie ist unglaublich gereift und hat gelernt, bei sich zu bleiben“, sagt Barbara Rittner, Frauenchefin im Deutschen Tennis-Bund. Die Konstellation, erneut mit Serena Williams den Platz zu teilen, sei extrem reizvoll.
Ihr Aufschlag ist auf Rasen eine Waffe
„Man wird sehen, was sie aus 2018 mitgenommen hat“, sagt die 46-Jährige, die es für einen Vorteil hält, in der ersten Woche auf die US-Amerikanerin zu treffen. „Serena braucht immer etwas Zeit, um ihren Rhythmus zu finden, das haben die ersten beiden Matches wieder gezeigt. Wenn beide Bestform haben, gewinnt Serena. Aber ich glaube, dass Jule große Chancen hat, wenn ihr Aufschlag kommt“, sagt Barbara Rittner.
Tatsächlich ist Görges‘ Service besonders auf Rasen eine Waffe, aber nicht ihre einzige. Ihr konstant aggressives Offensivspiel verhalf ihr in den ersten beiden Runden – gegen die zugegeben durchschnittlichen Qualifikantinnen Elena Ruse (Rumänien) und Warwara Flink (Russland) – zu einem dominant wirkenden Auftreten. „Mir ist wichtig, dass ich eine gewisse Präsenz auf dem Platz ausstrahle“, sagt sie. Unbelastet Tennis zu spielen, ist für die in Regensburg lebende Schleswig-Holsteinerin die Voraussetzung für Erfolg. Insofern ist Julia Görges glücklich, dass der nach dem Erstrundenaus bei den French Open vollzogene Trainerwechsel zu fruchten scheint.
Ihr neuer Trainer ist drei Jahre jünger als Görges
Nach dreieinhalb sehr erfolgreichen Jahren hatte sie sich von Michael Geserer getrennt, weil es Differenzen in der Ausrichtung der Trainingsarbeit gab, die sie öffentlich nicht benennen will. Neuer Chefcoach im Team, zu dem weiterhin ihr Freund und Physiotherapeut Florian Zitzelsberger zählt, ist Sebastian Sachs, drei Jahre jünger als Görges, aber für sie zählen weder Alter noch Name. „Für mich ist nur wichtig, dass mir jemand weiterhelfen kann, und das kann Basti.“ Besonders im Returnspiel habe sie bereits erste Weiterentwicklungen festgestellt. Gelingt es ihr, diese gegen Serena Williams umzusetzen, dann könnte Julia Görges noch viel Freude haben am Wimbledon-Turnier von 2019.