Köln. Die Mienen sagten mehr als Worte. Frustriert, resigniert und vor allem enttäuscht schlichen die Profis von Hertha BSC am Freitagabend in die Katakomben des RheinEnergie-Stadions. 2:5 (2:3) beim 1. FC Köln – der Berliner Fußball-Bundesligist muss sich langsam aber sicher mit dem Gedanken an die Zweite Liga vertraut machen.
„Die Enttäuschung ist natürlich riesig. Wir müssen es in den letzten beiden Spielen besser machen. Noch ist die Hoffnung da“, erklärte Kapitän Marvin Plattenhardt. Florian Niederlechner sprach von einem „gebrauchten Tag“ und einem „Scheiß-Gefühl“. Und Trainer Pal Dardai, der in Köln auf die gleiche Elf wie in der Vorwoche setzte, warf schon einen Blick auf die Konkurrenz: „Wir müssen abwarten, was jetzt noch passiert.“
Ex-Herthaner Selke bringt die Kölner in Führung
Dass nach dem 2:1-Erfolg gegen Stuttgart in Köln zwingend der nächste Dreier für den Tabellenletzten hätte folgen müssen, um das Wunder Klassenerhalt im Saisonendspurt doch noch möglich zu machen, war allen Beteiligten in Westend bewusst.
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Und doch war vor allem die erste Hälfte ein Sinnbild der bisherigen Saison. Ein Auf und Ab, ein klassisches Wechselbad der Gefühle – Rückstand, Ausgleich, Führung, wieder Ausgleich und zurück zum Rückstand. Und dann war dieses erste Gegentor. Eine Situation, für die das Wörtchen „ausgerechnet“ erfunden wurde.
Nach einer völlig unbehelligten Flanke von Kölns Eric Martel stieg Davie Selke in der Mitte hoch, setzte sich gegen Marc Kempf und Filip Uremovic durch und köpfte ein – 0:1 (8. Minute). Der Treffer hatte allerdings schmerzhafte Nachwehen. Uremovic und Selke waren im Luftduell mit den Köpfen aneinander gerasselt, Herthas Innenverteidiger blieb liegen, musste dann auch benommen ausgewechselt und durch Agustin Rogel ersetzt werden.
Tousart und Jovetic treffen für Hertha BSC
Für Selke ging es trotz Brummschädel weiter. Aber nur eine Viertelstunde. Nach 24 Minuten war der Arbeitstag des Ex-Berliners, der im Winter aus der Hauptstadt an den Rhein gewechselt war und sich beim Jubel vornehm zurückhielt, vorbei. 24 Minuten, die reichten, um seiner alten Liebe wehzutun.
Hertha traf dieses Szenario aber nicht unvorbereitet. Stevan Jovetic legte einen langen Ball auf die rechte Seite zu Marco Richter, der sich geschickt in den Kölner Strafraum dribbelte. Als Richters Schuss von FC-Keeper Marvin Schwäbe abgewehrt wurde, war Lucas Tousart für die Zweitverwertung zur Stelle – 1:1 (18.).
Und genau so munter ging es weiter: Ein langer Ball von Marton Dardai fand Dodi Lukebakio, der sich im Strafraum nicht durchsetzen konnte und im Liegen noch den heraneilenden Jovetic sah. Der Montenegriner zog humorlos ab – 2:1 (33.). Eine Führung, die nur wenige Minuten Bestand hatte, weil Timo Hübers per Kopf einen durchaus strittigen Freistoß von Florian Kainz zum Ausgleich einköpfte (39.).
Abstiegsgesänge der Kölner Fans
Und als dann aus einem eigenen Einwurf auf Höhe des gegnerischen Strafraums auch noch ein astreiner Kölner Konter entstand, beförderte Ellyes Skhiri Hertha mit seinem Treffer zum 2:3 wieder ein kleines Stückchen näher an die Zweite Liga.
Den Berliner Profis war schon lange vor Anpfiff ein derbes „Absteiger, Absteiger“ entgegengeschallt, als sie den Rasen inspizierten. Ein Wort, das sie an diesem Abend im mit 50.000 Zuschauern ausverkauften Stadion häufiger hören sollten. Ebenso wie „Hey, was geht ab? Wir schießen die Hertha ab“ oder alternativ „Die Hertha steigt endlich ab.“
Dardai ließ sich an der Seitenlinie wenig davon beeindrucken, peitschte seine Mannschaft weiter nach vorn. Solange der Klassenerhalt noch möglich ist, will der Chefcoach den Glauben daran vorleben. Allerdings ist der Verein, der drei Spieltage vor Schluss auf dem letzten Platz stand, in 56 der 59 bisherigen Saisons abgestiegen.
Abstieg kann an diesem Wochenende noch nicht final feststehen
Einer wehrte sich am Freitagabend besonders gegen dieses drohende Unheil: Oliver Christensen. Köln hatte nach der Pause etliche Großchancen, um zu erhöhen. Während Herthas Abwehr vogelwild agierte, parierte Herthas Torwart gleich mehrmals in höchster Not, fischte Flanken ab, rettete mit starken Reflexen und einem guten Auge für den Gegner.
Irgendwann stand dann aber auch Christensen nicht mehr richtig. Nach einer Flanke von Linton Maina netzte Hübers per Hacke ein – 2:4. Und Denis Huseinbasic setzte mit dem 2:5 (81.) den Schlusspunkt einer Partie, die sich zwischendurch so verheißungsvoll für die Blau-Weißen angefühlt hatte.
Der Abstieg kann nach der Niederlage in Köln zwar noch nicht endgültig besiegelt werden, ist aber vor den beiden finalen Partien gegen Bochum am kommenden Wochenende und am letzten Spieltag in Wolfsburg auch kaum mehr abzuwenden.
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