Berlin. Die DFL überprüft den Lizenzierungsprozess bei Hertha BSC. Einfluss von Investor 777 könnte zur Gefahr werden.
Sportlich lebt die Hoffnung auf den Klassenerhalt bei Hertha BSC nach dem 2:1 gegen den VfB Stuttgart wieder. Nun scheint die Bundesliga-Zugehörigkeit aber aus wirtschaftlicher Perspektive nicht mehr so sicher. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ am Montag berichtet, prüft die Deutsche Fußball Liga (DFL) den Lizenzierungsprozess des Hauptstadtklubs.
Die laufende Untersuchung sei „hochkritisch“ und „der schlimmste Fall, den wir je hatten“, zitiert die „SZ“ eine beteiligte Person. Den Berlinern fehlt es an Kapital und Rücklagen, die Liquidität für die kommende Saison sei wohl nicht gesichert.
Hertha BSC mit Bedingungen, die im Juni erfüllt werden müssen
Hinzu kommt, dass Hertha fast 91 Millionen Euro Verbindlichkeiten hat und im Herbst 40 Millionen Euro aus einer Nordic-Bond-Anleihe zurückzahlen muss. Altlasten aus jahrelanger Misswirtschaft, die man in Westend nicht einmal mit den 374 Millionen Euro von Investor Lars Windhorst tilgen konnte.
Die DFL hat dem Verein die Lizenz erteilt, allerdings unter Bedingungen, die bis zum 30. Juni erfüllt werden müssen. Außerdem gibt es Auflagen für die kommende Spielzeit, die allerdings ein Großteil der Bundesligaklubs einhalten muss.
Doch nicht nur Herthas Finanzen stehen im Fokus der DFL. Auch die Übernahme der Windhorst-Anteile durch US-Investor 777 wird kritisch beäugt. Der Einfluss und die Mitbestimmungsrechte von Josh Wander und Co. könnten den 50+1-Regularien widersprechen, wie es bei der „SZ“ heißt.
DFL schaut genau auf den Deal zwischen Hertha und 777
War der Einstieg der US-Amerikaner vor wenigen Wochen noch als vermeintliche Rettung des wirtschaftlich schwer angeschlagenen Berliner Profiklubs gesehen worden, könnte das nun zum Stolperstein werden. Die DFL schaut jedenfalls ganz genau auf die neue Partnerschaft.
Wobei schwer vorstellbar ist, dass sich 777 auf einen Deal eingelassen hat, der in wenigen Monaten nach Einstieg von CEO Wander und Co. in der Unterklassigkeit oder noch schlimmer in der Insolvenz enden würde. Die US-Amerikaner haben alles wasserdicht prüfen lassen, auch deswegen dauerten die Verhandlungen etliche Wochen an.
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777 hat seine Anteile neben der Übernahme der 64,7 Prozent von Windhorst auf 78,8 Prozent aufgestockt, überwies dafür weitere 100 Millionen nach Westend. Damit 50+1 gewahrt wird, wurde eine Sperrminorität vereinbart, wonach die Stimmrechte bei 63 Prozent gedeckelt wurden. Angeblich alles im Sinne der Vereinshoheit in Deutschland.
Hauptstadtklub in engem Austausch mit er DFL
Hertha wollte sich am Montag nicht tiefergehend zu dieser Thematik äußern. „Wir stehen mit der DFL sowohl bezüglich des laufenden Lizenzierungsverfahrens als auch hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung der geschlossenen Partnerschaft mit unserem Investor 777 Partners in regelmäßigem Kontakt“, hieß es in einem Klub-Statement. „Beide Themen gilt es unter Wahrung sämtlicher rechtlicher Anforderungen – insbesondere der 50+1-Regel – und inhaltlichen Vorgaben zu besprechen und zu klären.“
Bedeutet: Es gibt eine Menge Redebedarf. Wohl auch auf der Mitgliederversammlung des Klubs, die am kommenden Sonntag in Halle 18 der Messe Berlin ansteht (ab 11 Uhr). Die sportliche Krise in Verbindung mit den jüngsten Nachrichten zur wirtschaftlichen Lage bieten genügend Zündstoff für Auseinandersetzungen.
Ein Lizenzentzug wäre in jedem Fall eine Premiere, seit die DFL 2001 die Organisation von Bundesliga und Zweiter Liga übernommen hat. In den Jahren davor – unter dem Dach des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) – hatte es drei Vereine getroffen. Hertha (1965) wegen unerlaubter Handgeld-Zahlungen, Arminia Bielefeld (1972) im Zuge des Bundesliga-Skandals und zuletzt Dynamo Dresden (1995), die sogar direkt in die damals noch drittklassige Regionalliga gehen mussten.
Droht Hertha BSC der komplette Neuaufbau?
Zudem mutet eine eingehende Überprüfung der Zusammenarbeit zwischen Hertha und 777 etwas merkwürdig an, wenn man bedenkt, dass Konstrukte wie RB Leipzig oder die TSG Hoffenheim, noch abhängiger von externen Geldgebern, Jahr für Jahr problemlos ihre Ligazugehörigkeit erhalten.
Die Frage wird nun sein, ob die DFL tatsächlich ernst macht und Hertha die Lizenz fürs Profigeschäft entzieht, wenn es die wirtschaftliche Lage oder aber die Zusammenarbeit mit 777 nicht anders möglich machen. Dann würde ein Zwangsabstieg folgen, vielleicht sogar bis in die Regionalliga. Das wiederum könnte in einer Insolvenz enden.
Der endgültige K.o. für den Hauptstadtklub. Der allerdings auch die Chance mit sich bringen würde, den Verein von Grund auf zu sanieren. Ganzheitliche Problemlösung statt Flickwerk. Ein Neuanfang, der seinen Namen dann auch wirklich verdient hätte.