Berlin. Hertha gewinnt gegen Abstiegskonkurrent Stuttgart und verliert drei Spiele vor Saisonende nicht den Glauben an den Klassenerhalt.

Florian Niederlechner klebten die Spuren des Nachmittags noch im Gesicht. Erde an der Wange und ein breites Grinsen auf den Lippen. „Ich bin stolz auf die Jungs“, erklärte der Stürmer von Hertha BSC. „Das war ein wichtiger erster Schritt.“ 2:1 (2:1) gegen den VfB Stuttgart – der erste von vier Siegen, die der Berliner Fußball-Bundesligist auf dem Weg zum Klassenerhalt wohl brauchen wird.

Niederlechner hatte großen Anteil daran, dass der Tabellenletzte aus der Hauptstadt drei Spiele vor Saisonende doch noch hoffen darf. Dass die Minimalchance auf den Bundesligaverbleib trotz drei Punkten Rückstand auf den Relegationsrang weiterhin besteht.

Hertha BSC tritt endlich als Mannschaft auf

In der ersten Hälfte war er es, der Hertha mit seinem ersten Tor im blau-weißen Trikot schließlich den sechsten Saisonsieg, den ersten Erfolg seit dem 25. Februar, bescherte. Im perfekten Moment, wenn man so möchte. „Ich bin glücklich, dass es mir gelungen ist“, sagte der Torschütze zurückhaltend und wollte lieber die Leistung seiner Mannschaft in den Mittelpunkt rücken.

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Die trat gegen Abstiegskonkurrent Stuttgart immerhin genauso auf: wie ein Team. Ein Charakteristikum, das Hertha in den vergangenen Wochen nur selten zeigte. „Heute waren wir eine Mannschaft und haben bis zum Schluss gekämpft“, befand auch Kapitän Marvin Plattenhardt.

Wie einfach Fußball manchmal sein kann, offenbarte auch die Botschaft von Trainer Pal Dardai. „Kackt euch nicht in die Hose und spielt Fußball“, hatte der Ungar seinen Profis mitgegeben, wie Niederlechner verriet. Eine Anweisung, die der Hauptstadtklub tatsächlich umsetzte.

Herthas Offensivtraining zahlt sich aus

Ebenso wie die Maßgabe, mehr Offensive zu wagen. Deshalb hatte Dardai Stevan Jovetic für Jean-Paul Boetius und Marco Richter (für Jessic Ngankam) von Beginn an aufs Feld geschickt. Und dafür hatte der Chefcoach unter der Woche in etlichen Trainingseinheiten versucht, seiner Abteilung Attacke Selbstvertrauen einzuimpfen.

Mit Erfolg. Lucas Tousart versuchte es von der Strafraumkante (12. Minute), setzte den Ball aber ebenso knapp am Tor vorbei wie Dodi Lukebakio (15.). Gemeinsam produzierte das Duo auch die nächste Großchance. Nach einer Hereingabe von Lukebakio lauerte Tousart in der Mitte, traf den Ball aber nicht richtig (28.).

Weil aber auch Stuttgart nicht untätig herumlief, hatte Oliver Christensen schon früh retten müssen. Tiago Barreiros scheiterte mit seinem Schuss aus gut 17 Metern (7.), genau wie Serhou Guirassy, dessen direkter Freistoß von Filip Uremovic zur Ecke geklärt wurde (20.). Beide Mannschaften mussten, also machten sie auch.

Niederlechner mit erstem Treffer im Hertha-Trikot

Eine Tugend, die Hertha zuletzt nicht mehr nachweisen konnte. Gegen Stuttgart aber war da plötzlich Marc Kempf, der nach einer Flanke von Richter hochstieg und den Ball mit Zwischenstation Pfosten einköpfte (29.) – 1:0, ein Großteil der 63.443 Fans im Olympiastadion bebte.

Allerdings nicht allzu lang. Josha Vagnoman tauchte vor Christensen am rechten Pfosten auf, Herthas Keeper streckte sämtliche Gliedmaßen in alle Richtungen, konnte den Stuttgarter aber nicht daran hindern, den Ball auf Guirassy durchzustecken, der in der Mitte völlig frei einnetzen konnte. 1:1 (38.), Ausgleich.

Ein Rückschlag, der das Tabellenschlusslicht empfindlich hätte treffen können. Tat er aber nicht. Stattdessen fand Niederlechner gerade noch rechtzeitig seinen Torinstinkt wieder. Nach einem Freistoß von Lukebakio setzte sich der 32-Jährige im Getümmel durch und stocherte den Ball „mit dem Stollen“ über die Linie. „Manchmal weiß man selbst nicht, wie er reingeht“, gestand der Premierentorschütze.

In Köln wartet das nächste Endspiel

Auf den Rängen entlud sich die Anspannung. Auch in den Gesichtern der Spieler war zu lesen, wie viel Druck auf ihnen lastet. „Die Jungs waren aber trotzdem nicht nervös, sondern konzentriert“, bilanzierte Dardai. Niederlechner wusste, dass sie in Westend „selbst verantwortlich“ sind für diesen Druck. „Aber jetzt müssen wir am Boden bleiben, Vollgas geben und dann ab nach Köln.“

Da wartet am Freitag (20.30 Uhr, DAZN) das nächste von drei verbleibenden Endspielen. Die neue Vorgabe: Drei Spiele, drei Siege. Und während sie bei Hertha zumindest für einen Moment erleichtert aufatmeten, saß auf der Tribüne im Olympiastadion ein älterer Herr und schaute durch ein Fernglas. Ob er das rettende Ufer suchte? Das ist zumindest im Moment noch mit bloßem Auge zu erkennen.

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