Berlin. Hertha liefert beim Comeback von Pal Dardai eine Bankrotterklärung ab und verliert 2:4 gegen Werder Bremen.
Bierbecher und Frust flogen den Profis von Hertha BSC entgegen. Auf halbem Wege in die Ostkurve drehten die Spieler des Berliner Fußball-Bundesligisten wieder ab. Und schlichen mit gesenktem Kopf in die Kabine. 2:4 (0:2) gegen Werder Bremen, eine Offenbarung aller Unzulänglichkeiten – und ein missglücktes Debüt für Trainer Pal Dardai.
„Die Probleme in den Köpfen sind größer, als ich sie mir vorgestellt habe. Jeder hatte nur mit sich zu tun, das hat der Gegner ausgenutzt“, sagte der Ungar am Sonnabend, der erst vergangenen Sonntag von Sandro Schwarz übernommen hatte. „Ich habe von Anfang an gesagt: Ich rede über nur die Relegation.“
Der Tabellenletzte steht vor einer Herkulesaufgabe
Die muss für den Tabellenletzten nun das Ziel sein, ist aber auch schon drei Zähler weit entfernt. „Wenn wir etwas Positives mitnehmen können: Wir sind noch nicht abgestiegen, haben noch wichtige Heimspiele vor uns“, erklärte Kevin-Prince Boateng.
Eine Herkulesaufgabe. Am Sonnabend verließen die ersten Fans schon 25 Minuten vor Schluss das mit 74.667 Zuschauern ausverkaufte Olympiastadion. Unterstützung von den Rängen gab’s kaum mehr, dafür ein Pfeifkonzert, das im Jubel der gut 25.000 Bremer Anhänger, die das weite Runde zu einem guten Drittel grün-weiß färbten, fast unterging.
„Ich bin auch Hertha-Fan, diese Niederlage tut mir auch weh, ich würde wahrscheinlich auch pfeifen“, gab Boateng zu. „Ich kann es verstehen. Aber ob es uns hilft, weiß ich nicht. Wir müssen probieren, noch enger zusammenzurücken.“
Drei Änderungen in der Startelf
Genau dafür wurde Pal Dardai verpflichtet. Der 47-Jährige hatte Hertha schon zwei Mal vor dem Abstieg gerettet, soll auch jetzt das Unmögliche noch möglich machen. Dass er dabei auf ein verändertes System mit anderem Personal im Vergleich zu Vorgänger Schwarz setzen würde, war keine Überraschung.
Der Ungar schickte Jessic Ngankam, Derry Scherhant und Peter Pekarik von Beginn an auf den Rasen. Setzte Jonjoe Kenny und Kevin-Prince Boateng auf die Bank. Wilfried Kanga flog sogar aus dem Kader, weil Dardai die Körpersprache des Stürmers unter der Woche nicht gefiel. Im 4-2-3-1 sollten die ersten drei Punkte auf dem Weg zum Klassenerhalt her.
Eine taktische Ausrichtung, in der allerdings nicht jeder sofort seinen Platz fand. Die Konsequenz: fragwürdiges Positionsspiel, Ballverluste und ganz viel Verunsicherung. Dardai war schon nach einer Viertelstunde stinksauer, diskutierte mit dem Vierten Offiziellen, mit seinen Assistenten auf der Bank und gestikulierte wild Richtung Rasen.
Dardai kann mit Hertha BSC keine Wunderdinge vollbringen
„Zerreißt euch endlich für Hertha BSC!“ stand in Großbuchstaben auf einem Transparent über der Ostkurve. Eine Botschaft, die kaum ein Profi gelesen haben dürfte. Anders ist die Leistung, die der Hauptstadtklub in den folgenden 90 Minuten zeigte, nicht zu erklären.
Wer dachte, dass es nach dem 2:5-Debakel auf Schalke nicht mehr schlimmer kommen konnte, wurde eines Besseren belehrt. Standards ohne Gefahr, Angriffe ohne Idee, hanebüchene Abwehraktionen – auch Dardai kann mit dieser Mannschaft keine Wunderdinge vollbringen.
Zum Thema:
• Die aktuelle Folge des „Immer Hertha“-Podcasts.
• Pal Dardai und der Club der alten Dame.
• Pal Dardai zurück bei Hertha BSC: Diese Wahl ist nut konsequent.
Werder Bremen (zuvor seit sechs Spielen ohne Sieg) brauchte einen, maximal zwei Pässe, um Herthas Verteidigung auszuhebeln. So nutzten die Gäste aus dem Norden die ersten beiden Großchancen gleich zu Toren. Das mag auf der einen Seite effizient erscheinen, ist aber vor allem ein Zeichen dafür, wie schlecht die Berliner defensiv standen.
Ducksch mit Dreierpack für Werder Bremen
Erst steckte Jens Dalsgaard Stage auf Marvin Ducksch durch, der viel zu frei einschieben durfte – 0:1 (6.). Zwanzig Minuten später legte Christian Groß für Ducksch auf, der ohne Gegenwehr einköpfte – 0:2 (27.). Und in der zweiten Halbzeit dann Ducksch zum Dritten: Werders Torjäger nahm eine Flanke von Anthony Jung mit der Brust an und zog direkt ab – 0:3 (51.).
In allen drei Szenen standen Herthas Abwehrspieler unbeteiligt daneben. Das konnte man beim vierten Gegentor zwar nicht behaupten, dafür sah Verteidiger Agustin Rogel (zur zweiten Hälfte für Marton Dardai gekommen) gänzlich schlecht aus. Eine verunglückte Rückgabe auf Oliver Christensen landete bei Mitchell Weiser, der problemlos traf – 0:4 (63.).
Ngankam und Lukebakio treffen noch für Hertha BSC
Während der grün-weiße Teil des Stadions feierte und „Zweite Liga, Hertha ist dabei“ skandierte, machten sich die ersten blau-weißen Anhänger frustriert und desillusioniert auf den Heimweg. Sogar die Ostkurve leerte sich ein wenig. Dass manch einer deshalb die beiden Tore durch Ngankam (68. Minute zum 1:4) und Dodi Lukebakio (79. per Elfmeter zum 2:4) verpasste, war Nebensache.
Der Gesamteindruck zählte. Und der glich einer Bankrotterklärung, die wenig Hoffnung macht, dass in den verbleibenden fünf Spielen noch genügend Punkte für den Klassenerhalt – oder wenigstens die Relegation – zusammenkommen.