Berlin. Da standen die Profis von Hertha BSC vor ihrer Fankurve und ließen sich von den rund 2000 Anhängern feiern, die sich auf den Weg nach Leverkusen gemacht hatten. Und die Spieler nahmen die Ovationen dankbar entgegen, auch wenn ihnen beim Mitklatschen der Enthusiasmus fehlte. Dennoch war die Szenerie, die sich nach Abpfiff in der BayArena bot, durchaus bemerkenswert. Weil die Berliner ein weiteres Mal dokumentiert hatten, dass sie auswärts in der Fußball-Bundesliga bislang nur Punktelieferant sind.
So nahm Trainer Sandro Schwarz nach dem 1:4 (0:2) bei Bayer Leverkusen auch kein Blatt vor den Mund. „Mich ärgert am meisten, dass wir unser Spiel nicht auf den Platz bekommen haben. Wir hatten wenig Zugriff, einige Stellungsfehler und haben deshalb auch verdient verloren“, sagte der Hertha-Coach. Die Berliner bleiben zwar auf dem 14. Platz. Das Feld im Tabellenkeller hat sich jedoch durch den Schalker Sieg in Bochum am Sonnabend auf einen Zähler zusammengeschoben.
Leverkusens Schnelligkeit wird Hertha BSC zum Verhängnis
Die Leverkusener hatten sich im bisherigen Saisonverlauf recht wankelmütig präsentiert. Gute Leistungen wechselten sich mit schwachen Vorstellungen ab. Ein Umstand, aus dem Hertha hätte Nutzen ziehen können. Doch die „Werkself“ spielte da am Sonntagnachmittag nicht mit. „Wichtig wird sein, die Geschwindigkeit zu verteidigen“, hatte Hertha-Coach Schwarz noch vor der Partie gefordert. Seine Spieler versuchten es – und scheiterten in den entscheidenden Momenten.
Trotz des neuen Wohlfühlsystems mit Dreierkette in der Abwehr, die nach Ballverlust zur Fünferkette wird, zeigte Hertha exakt in den Augenblicken, in denen die Leverkusener Tempo aufnahmen, erhebliche Defizite. Beim 0:1 düpierten Moussa Diaby und Jeremie Frimpong Herthas linke Seite mit einfachen Pässen. Frimpongs Pass in die Mitte nahm Sardar Azmoun direkt, Marco Richter konnte den Ball erst hinter der Linie aus dem Tor schießen – der Rückstand nach gerade einmal zwölf Minuten.
Hertha wurde danach ähnlich wie schon beim Auswärtsspiel zuvor in Dortmund (1:4) einen Tick zu übermütig. Ein einfacher Pass, wieder über Herthas linke Seite, genügte, um vier Berliner aus dem Spiel zu nehmen. Diaby war schneller am Ball als der heranstürzende Filip Uremovic, diesmal war Frimpong zur Stelle, 0:2. Wieder versuchte Richter zu retten, und stolperte den Ball fast selbst ins Tor (21.).
Hertha BSC fehlt es an Intensität
„Wir haben ihnen genau in die Karten gespeilt. Unser Pressing hat nicht gestimmt. Es war nichts Halbes und nichts Ganzes. Wir sind ein bisschen draufgegangen und ein bisschen nicht. Vielleicht war der Respekt vor dieser Schnelligkeit zu groß“, sagte Hertha Innenverteidiger Marc Kempf.
Die Berliner präsentierten sich ohne Zweifel selbstbewusster als noch zu Beginn des Jahres. Die beiden Heimsiege gegen Mönchengladbach (4:1) und Augsburg (2:0) hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Doch gegen die technische Versiertheit der Leverkusener fand Hertha zu oft kein Mittel. „Wir wollten anlaufen, das musst du aber mit einer ganz anderen Intensität machen“, monierte Schwarz: „Wir haben keinen Zugriff gehabt. Und wenn du hinten die Kette öffnest, hat Leverkusen die Qualität, das auszunutzen.“
So blieben Offensivaktionen des Hauptstadtklubs Mangelware. Lediglich Richter hatte in der ersten Halbzeit eine gute Aktion. Sein Schlenzer strich jedoch knapp am Bayer-Tor vorbei (14.).
Hertha BSC hat kaum Torchancen
Ein Fernschuss von Dodi Lukebakio leitete eine zweite Halbzeit ein, in der Hertha sich keineswegs aufgegeben hatte. Leverkusens Torhüter Lukas Hradecky musste sich bei dem abgefälschten Schuss des Hertha-Stürmers ordentlich strecken (50.). Mehr brachten die Berliner im Spiel nach vorn allerdings nicht zustande. „Wir haben in unserem Spiel wenig kreiert, hatten auch fast keine Torchancen. Das ist zu wenig von der gesamten Mannschaft. Es war kein gutes Spiel von uns“, analysierte Hertha-Kapitän Marvin Plattenhardt.
Dann kam der Auftritt von Diaby, der Hertha-Torwart Oliver Christensen beim 0:3 auch noch tunnelte (60.). Es war die Entscheidung in einer Partie, die durch Lukebakios verwandelten Foulelfmeter nur gefühlt noch mal spannend wurde (66.). Der eingewechselte Amine Adli machte mit dem 1:4 Herthas nächste Auswärtsniederlage perfekt.
Die große Frage ist: Wirft diese Niederlage Hertha erneut aus der Bahn im Kampf um den Klassenerhalt? Zumindest Abwehrspieler Kempf ist sich sicher: „Wir haben uns in den vergangenen Wochen als Mannschaft zusammengerauft und sind gefestigt.“ Den Rückhalt durch die Fans hat Hertha jedenfalls.
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