Berlin. Ob der Schein trügt? Im Trainingsspiel am Dienstagvormittag stand Herthas Innenverteidiger Niklas Stark in jener Elf, die der Startformation für die kommende Partie gegen Schalke 04 sehr nahekommen dürfte. Dass Herthas Vizekapitän das Team am Freitag (20.30 Uhr) auf den Rasen des Olympiastadions führt, darf trotzdem bezweifelt werden, denn ausgerechnet im Abwehrzentrum schien Trainer Jürgen Klinsmann am Dienstag zu experimentieren. Das Duo Dedryck Boyata und Jordan Torunarigha, das am Freitag aller Voraussicht nach erste Wahl sein wird, spielte ausnahmsweise in der B-Elf.
„Mit mir hat der Trainer noch nicht gesprochen“, sagt Stark mit Blick auf das Schalke-Spiel. Ein Phänomen, das für den 24 Jahre alten Nationalspieler nicht ganz neu ist. Schon als er sich kurz nach dem Amtsamtsantritt von Jürgen Klinsmann plötzlich auf der Bank wiederfand, hatte sich der sonst so kommunikative Coach wortkarg gegeben. „Mir wurde das nicht wirklich erklärt“, erzählt Stark (24), „das hätte ich mir natürlich anders gewünscht.“ Worte eines Alleingelassenen.
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Klinsmann macht Niklas Stark zum Bankdrücker
Im Gespräch ist Stark der Frust über seine Situation anzumerken, große Mühe, seine Unzufriedenheit zu verbergen, gibt er sich nicht. Zwar stand er beim jüngsten 2:1 in Wolfsburg erstmals seit Anfang Dezember wieder in der Startelf, doch das war vor allem der Gelbsperre von Dedryck Boyata (29) zu verdanken. Den Belgier hatte Klinsmann zuvor als „einen der besten Innenverteidiger Europas“ bezeichnet und zum neuen Abwehrchef ernannt. Ein Posten, der eigentlich für Stark reserviert war.
Seit seiner Ankunft in Berlin 2015 wurde der Franke systematisch zu Herthas „Captain Future“ aufgebaut, zum Kapitän einer Zukunft, die im vergangenen Sommer von der Gegenwart eingeholt wurde. Ex-Coach Ante Covic machte Stark zum Vizekapitän, und weil Spielführer Vedad Ibisevic immer häufiger auf der Bank saß, trug der Abwehrchef inzwischen acht Mal die Binde. Mehr noch: Im November gab Stark sogar sein langersehntes Debüt in der Nationalmannschaft, sodass er und Herthas Verantwortliche fast platzten vor Stolz. Bis Ende November Klinsmann kam.
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Für ein EM-Ticket muss Niklas Stark zwingend spielen
Vom Hochgefühl des DFB-Debüts ist derzeit nichts mehr zu sehen. Stark ist nach den durchwachsenen Leistungen der Hinrunde nur noch zweite Wahl, wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen vom EM-Anwärter zum Bankdrücker degradiert.
„Das ist natürlich nicht schön“, gibt er zu, „aber Rückschläge gehören nun mal dazu.“ Gegen Klinsmann wettern will er deshalb aber nicht. „Ich verstehe natürlich die Situation: Der Trainer kommt neu von außen und muss erstmal alle kennenlernen, aber auch direkt entscheiden, wen er spielen lässt. Das ist dann so.“
So ungünstig wie aktuell war die Lage jedoch noch nie für ihn. Bundestrainer Joachim Löw plant in der Innenverteidigung ohne Routinier Mats Hummels, Niklas Süle ist verletzt. Die Chance auf ein EM-Ticket ist daher denkbar günstig für den Berliner, doch um am Ende tatsächlich dabei zu sein, muss er zwingend spielen. „Das Turnier ist im Hinterkopf“, sagt Stark, „da will ich dabei sein, dafür würde ich alles tun.“
Der Franke lotet die Chance auf einen Wechsel aus
Aufzugeben, würde nicht passen zu Stark, den Hertha-Manager Michael Preetz als „natürlichen Anführer“ bezeichnet. Stattdessen versuchte der U21-Europameister von 2017 zu verstehen, wie er Klinsmann überzeugen kann. „Ich bin zweimal auf ihn zugegangen und habe das Gespräch gesucht“, sagt er.
Den ersten Anlauf nahm er schon nach dem ersten Spiel unter Klinsmann gegen Borussia Dortmund. Am vergangenen Sonntag probierte er es nun erneut und lotete dabei bereits die Möglichkeiten eines Vereinswechsels aus. Stark weiß: Nur, wenn er spielt, wird Löw ihn berücksichtigen – er ist zur Eigenwerbung verdammt. Ein Umstand, von dem sich Ex-Bundestrainer Klinsmann nicht beeindrucken ließ. „Er hat ganz klar gesagt, wir geben dich nicht weg“, erzählt Stark.
Niklas Stark: „Ich kann Arne Maier verstehen“
Dass sich Mittelfeldtalent Arne Maier, der für sich unter Klinsmann keine Perspektive mehr sieht, unlängst öffentlich um einen Wechsel bemühte, kann Stark nachvollziehen. „Er ist ein super Fußballer, das sehe ich jeden Tag im Training. Er will spielen und versucht alles, um das umzusetzen. Ich verstehe ihn, aber ich verstehe auch den Verein. Aber über die Medien zu gehen, ist nicht mein Weg.“
Die Frage ist, welchen Weg er stattdessen wählt, wenn er wieder nur auf der Bank sitzen sollte. Die Situation sei nun mal so, wie sie ist, nun gelte es, sie anzunehmen, sagt Stark: „Abschütteln, weitermachen und so viel spielen wie möglich. Ich gebe im Training alles und versuche, meinen Platz zu behalten. Was anderes gibt es nicht.“ Wirklich zuversichtlich wirkt er dabei nicht.