Berlin. In den vergangenen Tagen war im Zusammenhang mit Hertha BSC ein Wort häufiger zu hören als die obligatorischen Weihnachtsklassiker im Radio. Wann immer Trainer Jürgen Klinsmann sprach, ging es um die Zukunft. Die soll nach dem Dafürhalten des Coaches heller strahlen als all die Leuchtreklame auf den Weihnachtsmärkten der Stadt. Hertha strebt nach Großem, teuren Spielern, Champions League, all das. Vor diesem Hintergrund barg es eine gewisse Ironie, dass der zukunftsorientierte Klinsmann seine Mannschaft ausgerechnet mit einem Kniff aus der Vergangenheit wieder in die Spur gebracht hat.
Klinsmann hätte gern ein Tor gehabt
Hertha spielt unter seiner Führung Fußball wie zu Zeiten seines Vor-Vorgängers Pal Dardai. Mit guter Raumaufteilung, aus einer sicheren Defensive heraus und mit der Hoffnung, durch schnelle Konter zu Erfolg zu kommen. So hatten die Berliner zuletzt sieben Punkte aus drei Spielen geholt. Gegen Borussia Mönchengladbach ließen die sie den achten folgen. Im letzten Spiel vor der Weihnachtspause trotzte Hertha dem Tabellenzweiten ein 0:0 ab. „Für uns zählt jeder Punkt“, sagte Klinsmann, der seine Mannschaft lobte, „die unglaublich diszipliniert“ gearbeitet habe und den Zähler verdiene. Aber natürlich „hätten wir gern ein Tor gehabt“. Auch Borussias Sportdirektor Max Eberl fand die Punkteteilung gerecht: „In der ersten Halbzeit hatte Hertha die etwas besseren Chancen, in der zweiten wir. So ist leider nur ein 0:0 herausgekommen.“
„Der Trainer macht uns wirklich heiß“, erklärte Hertha-Verteidiger Marvin Plattenhardt die erneut sehr engagierte Spielweise seiner Mannschaft. „Seit Klinsmann da ist, geht es allgemein mit Hertha nach oben. Zurzeit läuft es doch gut. Drei Spiele ohne Gegentor gab es nicht so oft in letzter Zeit.“ Sein Kollege Karim Rekik ergänzte: „Jeder kann sehen, dass wir uns stark verbessert haben, seit der neue Trainer mit seinem Team da ist.“
Klinsmann vermisst noch etwas Kaltschnäuzigkeit
Die Gäste, für die vor dem Spiel feststand, dass es nach dem Leipziger Sieg gegen Augsburg nichts wird mit der Herbstmeisterschaft, begannen mit dem Selbstbewusstsein einer Mannschaft, die über Wochen an der Spitze der Liga gestanden hatte. Sicher ließen sie den Ball durch die eigenen Reihen zirkulieren und drängten die Berliner tief in die eigene Hälfte zurück. Das Gladbacher Übergewicht war so gewaltig, dass die Berliner Fans nach zehn Minuten „Wir wollen euch kämpfen sehen“ skandierten.
Vor einigen Wochen noch wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen, wann die Berliner unter dem Druck des Gegners zusammenbrechen würden. Inzwischen ist die Mannschaft aber gefestigt genug, sich aus solchen Situationen zu befreien. Und das immer nach dem gleichen Muster. Nach Ballgewinnen werden die schnellen Außenbahnspieler Dodi Lukebakio oder Javairo Dilrosun gesucht, die dann möglichst schnell vor das gegnerische Tor kommen sollen.
Löwens Freistoß klatscht an die Latte
Beide waren es auch, die Hertha die erste Entlastung des Spiels verschafften. Dilrosun flankte in den Fünfmeterraum, wo Lukebakio aber keinen Druck hinter den Ball bekam (19.). Kurz darauf schoss Eduard Löwen einen Freistoß an die Latte (22.). „In einigen Situationen“, bemängelte Klinsmann, „fehlt uns noch ein bisschen die Kaltschnäuzigkeit.“ Löwen hatte im defensiven Mittelfeld den Vorzug vor Arne Maier bekommen, um den gesperrten Marko Grujic zu ersetzen. Ansonsten vertraute Klinsmann der Mannschaft, die unter der Woche 1:0 in Leverkusen gewonnen hatte. Als Lukebakio mit einem Distanzschuss nur knapp scheiterte (29.), hatte sich das Geschehen gedreht. Gladbach wirkte bedröppelt aufgrund der zielgerichteten Berliner Spielweise, mit dem Ball wussten die Gäste recht wenig anzufangen. Nur Marcus Thuram kam kurz vor der Pause zu einer nennenswerten Chance.
Es wäre erstaunlich gewesen, hätte Gladbach bei all der individuellen Klasse eine weitere ideenlose Halbzeit folgen lassen. Dazu kam es auch nicht, Thuram verpasste nach dem Wiederanpfiff nur knapp die Gladbacher Führung (53.). Die Gäste hatten nun ihre stärkste Phase, Herthas Torwart Rune Jarstein musste gegen Plea (59.) und Embolo (62.) in höchster Not klären. Klinsmann reagierte, er brachte in Pascal Köpke und Marius Wolf frische Kräfte. Vedad Ibisevic und Salomon Kalou blieben wie so oft zuletzt außen vor. Ein Abgang der beiden Routiniers im Winter würde kaum noch überraschen.
Im Winter wird es sicher personelle Änderungen geben
Je länger das Spiel dauerte, desto weniger wollten die beiden Mannschaften an dem Ergebnis etwas ändern. Die Kräfte schwanden sichtbar. Vor allem die Gladbacher hatte die Hinrunde mit Spielen in drei Wettbewerben viel Substanz gekostet. Es dürfte das letzte Mal gewesen sein, dass die gut 50.000 Zuschauer ihre Mannschaft in dieser Zusammensetzung gesehen haben. Hertha wird sich im Winter personell verändern, um dann entgegen der vergangenen Jahre eine erfolgreichere Rückrunde zu spielen.
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