Berlin. In der Nachspielzeit wurde es dann doch noch einmal turbulent. Als Gegner SC Freiburg zur großen Schlussoffensive blies, mussten Herthas Profis die letzten Kräfte mobilisieren. Verteidiger Dedryck Boyata köpfte den Ball aus der Gefahrenzone, Joker Maximilian Mittelstädt warf sich in einen Gewaltschuss, und Keeper Rune Jarstein fischte auch die letzte Hereingabe der Gäste aus der Luft.
Wenige Sekunden später pfiff Schiedsrichter Frank Willenborg die insgesamt dürftige Partie im Olympiastadion ab. Während die Berliner Spieler fast regungslos stehen blieben, nahmen sich Hertha-Trainer Jürgen Klinsmann und sein Assistent Alexander Nouri erleichtert in die Arme. Das 1:0 (0:0) kam am Sonnabend einer Erlösung gleich. Für Hertha war es der erste Sieg seit zehn Wochen.
Dass sich die Berliner Fans nicht recht über den Erfolg freuen mochten, sondern mitunter sogar pfiffen, kam nicht von ungefähr, denn außer dem sehenswerten Siegtor von Vladimir Darida (53. Minute) hatte Hertha wenig zustande gebracht.
Klinsmann setzt auf die Doppelspitze Selke/Ibisevic
„Die Fans sind nicht zufrieden, dass wir in der Tabelle so weit unten stehen“, sagte Keeper Jarstein, „aber wir alle sollten zufrieden sein, dass wir drei Punkte geholt haben.“ Matchwinner Darida sah es ähnlich: „In unserer Situation ist es nicht einfach, locker zu spielen“, sagte er. Immerhin: Die prekäre Lage hat sich nun etwas entspannt. Hertha klettert auf Platz 13, was die Adventszeit spürbar angenehmer gestalten dürfte.
Im Vergleich zu Vorwoche hatte Klinsmann seine Elf deutlich offensiver ausgerichtet. Erstmals schickte er eine 4-4-2-Formation aufs Feld, wobei er überraschend auf Vizekapitän Niklas Stark verzichtete. Ähnlich erstaunlich fiel die Wahl im Sturm aus. Neben Davie Selke lief Vedad Ibisevic auf – ein Duo, das schon zu Zeiten von Ex-Coach Pal Dardai erprobt wurde, sich aber nie bewährte. Um’s vorweg zu nehmen: Auch gegen Freiburg standen sich die beiden Angreifer oft auf den Füßen.
„Wir sind heiß“, hatte Klinsmann im Vorfeld des Spiels versichert. Nun, davon war in der ersten Halbzeit wenig bis nichts zu sehen, stattdessen wirkte das Team verunsichert, selbst die routinierten Kräfte leisteten sich Aussetzer. Boyata holte sich eine frühe Gelbe Karte ab und spielte den Ball anschließend unbedrängt in die Füße des Gegners, Torhüter Jarstein machte ihm diesen Fauxpas wenig später nach, und auch Darida verstolperte das Spielgerät ohne Not. So blieb das Positivste an den ersten 45 Minuten, dass die Berliner defensiv wenig zuließen, denn Freiburg wusste mit Herthas Patzern wenig anzufangen.
Herthas Fan platzt der Kragen
Auch sonst hielten sich die Breisgauer zurück – sie beschränkten sich darauf, kompakt zu verteidigen. Das wiederum führte dazu, dass Hertha so gut wie nie in Kontersituationen kam. Die schnellen Flügelspieler Dodi Lukebakio und Javairo Dilrosun blieben beinahe wirkungslos – zumindest bis zur 26. Minute. Da setzte Dilrosun auf der linken Außenbahn zu einem furiosen Solo an, sprintete über 60 Meter in den Freiburger Strafraum, scheiterte jedoch aus spitzem Winkel an Torhüter Mark Flekken.
Ansonsten ging allerdings kaum etwas zusammen bei den Berlinern. Zäh plätscherte die Partie dahin, ohne Tempo und Passsicherheit, dafür mit defensivem Quergeschiebe, das an die biedersten Auftritte der Ära Dardai erinnerte.
Nach 35 Minuten platzte vielen der 37.343 Zuschauern der Kragen. Ihre Pfiffe und Buh-Rufe sorgten dafür, dass sich Klinsmann, der bis dahin durchgängig auf der Bank gesessen hatte, erstmals erhob. Auch dass Selke nach guter Klünter-Flanke noch das Außennetz traf (37.) konnte die Stimmung nicht recht aufhellen. Mit Pfiffen ging es in die Kabine. „Wir haben uns schwer getan“, gab Klinsmann zu.
Darida trifft aus gut 20 Metern
Durchgang zwei begannen die Berliner zwar mit altem Personal, dafür aber mit neuem Elan. Als der Schwung gerade wieder zu versiegen drohte, fasste sich Darida ein Herz: In seinem 100. Bundesligaspiel für Hertha zog der Tscheche nach Doppelpass mit Selke aus gut 20 Metern ab, halbhoch schlug der Ball ins linke Eck ein. „Das ist meine Lieblingsposition“, sagte der Torschütze nach seinem dritten Saisontor, „eigentlich muss ich von dort noch viel häufiger schießen.“
Wer nun auf den großen Brustlöser gehofft hatte, sah sich enttäuscht. Die Gastgeber taten sich trotz der Führung schwer, stattdessen setzte Freiburg zu einem Zwischenspurt an. Robin Koch köpfte nach einer Ecke knapp am Berliner Tor vorbei (57.), ehe Manuel Gulde von der Strafraumkante über die Querlatte drosch (60.).
Und Hertha? Brachte es lediglich noch zu Schüssen von Ibisevic (67.), Lukebakio (80.) und einem Plattenhardt-Freistoß (89.), wobei letztere weit am Ziel vorbei segelten. Sei’s drum, zum Sieg reichte es trotzdem. „Ich hoffe, das gibt uns Selbstvertrauen für die letzten beiden Spiele des Jahres“, sagte Darida. Am Mittwochabend sind die Berliner bei Bayer Leverkusen zu Gast.