Berlin. Gute Neuigkeiten kann man nie genug hören, das gilt für einen kriselnden Klub wie Hertha BSC genauso wie für einen unerschütterlichen Optimisten wie Jürgen Klinsmann. Der neue Trainer des Fußball-Bundesligisten dürfte am Donnerstag jedenfalls erleichtert durchgeschnauft haben, als die medizinische Abteilung positive Nachrichten verkündete.
Doppelte Entwarnung, hieß es, die zuletzt angeschlagenen Ersatzkeeper Thomas Kraft und Dennis Smarsch können wieder trainieren, beide dürften am Sonnabend (15.30 Uhr, Sky) bereit stehen für die Partie im Olympiastadion gegen Borussia Dortmund. Eine Sorgenfalte weniger also, vor allem mit Kraft (31) steht Klinsmann nun ein routinierter Ersatz für den gesperrten Stammtorwart Rune Jarstein zur Verfügung.
Ibisevic: „Es weht ein neuer Wind“
Auch sonst scheint es seit der Ankunft des neuen Trainers am Mittwoch steil bergauf zu gehen in Westend. „Man spürt, dass ein neuer Wind weht“, sagte etwa Kapitän Vedad Ibisevic, „der Aufschwung ist bemerkbar.“
Klinsmann steht seit dem Sommermärchen 2006 ja im Verdacht, allein aufgrund seiner Ausstrahlung Wunder bewirken zu können. Der neue Coach habe eine ganz andere Erfahrung, sagte Mittelfeldspieler Marius Wolf, und die beiden Assistenten Alexander Nouri und Markus Feldhoff „machen ihren Job auch richtig gut – man hat gesehen, es war Feuer drin, es hat Spaß gemacht“.
Die Spieler sollten erst einmal die Köpfe freibekommen, habe ihnen der Trainer mitgegeben. Optimismus, das kann Klinsmann. Und der wird auch nötig sein.
Mehr Spannung, mehr Konzentration
In seiner ersten Trainingseinheit tippelte der 55 Jahre alte Ex-Profi häufig auf der Stelle. Einerseits, weil die Temperaturen in Berlin im November nun mal deutlich frostiger sind als in seiner Wahlheimat Kalifornien. Vielleicht aber auch, weil er selbst gern mitgekickt hätte, schließlich ist der frühere Klassestürmer bemerkenswert geschmeidig geblieben. Könnte sich der frühere DFB- und Bayern-Trainer, der in 108 Länderspielen 47 Tore erzielte, noch einmal selbst aufstellen – viele seiner Baustellen in Berlin hätten sich erledigt.
So aber muss der Schwabe innerhalb von nur drei Tagen ein Rezept finden, um am Sonnabend gegen den Vizemeister aus Dortmund zu bestehen. Und das mit einem Team, das lediglich elf Punkte in zwölf Spielen gesammelt hat und zuletzt vier Mal in Folge verloren hat.
„Wir werden die Spieler so gut es geht vorbereiten auf diesen Gegner“, sagte Klinsmann, „und da wird ein Stadion hinter der Mannschaft stehen, um zu punkten.“ Dass seine neue Elf plötzlich Premium-Fußball zelebriert, ist deshalb natürlich nicht zu erwarten. Aber eine andere Einstellung, mehr Körperspannung und Biss, mehr Konzentration und taktische Disziplin, das allemal.
Stabilität statt Spektakel
Nach und nach will der Nachfolger von Ante Covic von Platz 15 ins gesicherte Mittelfeld klettern. Das wird durchaus anspruchsvoll, bis Jahresende lauten die Gegner nach Dortmund noch Frankfurt, Freiburg, Leverkusen und Gladbach.
Wie Klinsmann sein Kletterziel sportlich erreichen will, verriet er nicht. Zunächst einmal konzentrierte er sich darauf, Zuversicht auszustrahlen. Seine Vorstellungen von Fußball will der Vor- und Querdenker ganz den Gegebenheiten in Berlin anpassen.
Es gehe im Moment nur darum zu punkten, sagte er. Das klang eher nach pragmatischem Abstiegskampf als nach den One-Touch-Fußball-Idealen früherer Zeiten. Aber Klinsmann war ja stets so etwas wie ein zielorientierter Projektarbeiter. Und bei Hertha lautet der Auftrag eben, dem Nachfolger in sechs Monaten eine stabile Bundesligamannschaft zu hinterlassen. Wunschkandidat ist da weiter der Berliner Niko Kovac.
Co-Trainer Alexander Nouri blieb zuletzt glücklos
Für seine Rückkehr nach Deutschland hat Klinsmann Alexander Nouri (40) als Co-Trainer ins Boot geholt. Auf dem Platz überlasse er Nouri das Wort, kündigte er an, die Spieler hörten ihn noch genug. Tatsächlich schaute Klinsmann beim Training am Mittwoch eher zu wie ein Supervisor, während Nouri (40) und der zweite Assistent Markus Feldhoff (45) die Arbeit machten. Nur selten griff der Chef korrigierend ein.
Klinsmanns letztes Bundesligaspiel als Trainer des FC Bayern liegt nicht weniger als zehn Jahre zurück. Damals waren ihm auch taktische Mängel vorgeworfen worden. Beim DFB hatte sein Assistent Joachim Löw das Inhaltliche verantwortet. In Berlin soll dies nun Nouri übernehmen. Ob der Deutsch-Iraner tatsächlich ein ähnlich findiger Taktik-Tüftler ist? Das kann er nun beweisen.
In Bremen scheiterte der 40-Jährige vor zwei Jahren an zu ängstlichem Defensiv-Fußball, ehe er bei Zweitligist Ingolstadt nach nur acht Spielen ohne Sieg entlassen wurde.
Heißen muss das freilich nichts, schließlich ist Erfolg meist eine Frage der richtigen Konstellationen. Dass eine solche nun bei Hertha gefunden wurde – so viel Optimismus darf man haben.