Berlin. Lässig lehnt Maximilian Mittelstädt an der Berliner Mauer. Doch dem Fußballer von Hertha BSC mangelt es nicht etwa an Respekt vor dem geschichtsträchtigen Bauwerk. Der 22-Jährige posiert mit verschränkten Armen für ein Foto, vor dem Mauerstück, das der Verein blau-weiß anmalen, als Torwand durchlöchern und vor der Geschäftsstelle platzieren ließ. Das von einem offiziellen Anbieter erworbene Originalteil soll, als Teil von Herthas Image-Kampagne zum Mauerfall-Jubiläum, eine City-Tour absolvieren und am 9. November am Stadion zum Spiel gegen RB Leipzig präsentiert werden.
Gegen Bremen hatte er die meisten Ballkontakte
„Wir wissen alle um die Bedeutung dieser Mauer“, sagt Mittelstädt nach dem Fototermin brav. „Ich bin froh, dass ich so frei sein und überall hingehen kann, wo ich möchte, und nicht so eine Mauer habe.“ Das mit der Bewegungsfreiheit könnte man auch auf die aktuelle sportliche Situation beziehen. Denn Herthas Eigengewächs hat sich wieder in die Stammelf gespielt und genießt auf der Linksverteidiger-Position freie Fahrt, vor (Ex-)Nationalspieler Marvin Plattenhardt.
Am vergangenen Sonnabend beim 1:1 in Bremen war Mittelstädt sogar einer der besten Berliner, neben dem stark parierenden Torwart Rune Jarstein und Einwechselspieler Dodi Lukebakio, der den Ausgleich erzielte. Von Mittelstädt kam zuvor der letzte Pass vor Lukebakios Solo, sein erster Assist in dieser Bundesliga-Saison. Dazu gewann Mittelstädt, je nach Statistik-Anbieter, bis zu hundert Prozent seiner Zweikämpfe, brachte gut drei Viertel seiner Pässe zum Mitspieler und hatte die meisten Ballkontakte seiner Mannschaft (94 an der Zahl). Eine fast maximale Ausbeute für den jungen Mann, den alle nur Maxi rufen.
Covic holte Mittelstädt mit 15 Jahren zu Hertha
Zu Saisonbeginn war Mittelstädt nach einigen Aussetzern noch auf der Bank gelandet, nun zeigt er wieder die Leistungen, die ihn in der Vorsaison zu einem der begehrtesten Berliner Talente gemacht hatten. Das freut einen ganz besonders: seinen Trainer Ante Covic. Nicht nur, weil der frühere Jugendcoach Mittelstädt mit 15 Jahren zum Wechsel zu Hertha überredete. „Seine Entwicklung ist sehr gut“, lobt der Trainer. Das Heranreifen des bisherigen U21-Nationalspielers zeigt, dass sich Talente unter Covic durchaus weiterentwickeln. Dafür war er ja vom Nachwuchs- zum Chefcoach befördert worden. Doch bisher spielen Herthas Eigengewächse aus unterschiedlichen Gründen kaum eine Rolle.
Da trifft es sich gut, dass Mittelstädt nun wieder performt. Der gebürtige Spandauer, der als Kind schon in blau-weißer Bettwäsche geschlafen hat, ist eine Wohlfühlgeschichte für Hertha-Fans. Und für den Verein fast so ein Aushängeschild wie das Stück Berliner Mauer auf City-Tour. Die schwankenden Leistungen, trotz immerhin 58 Bundesligaspielen auf dem jungen Buckel, sind für den Trainer verständlich.
Nach der U21-EM fiel Mittelstädt in Leistungsloch
„Höhen und Tiefen gehören bei einem jungen Spieler dazu“, sagt Covic. Nach der Teilnahme an der U21-EM im Sommer stieg Mittelstädt verspätet, aber mit starken Leistungen ins Training ein. „Danach ist er in ein Riesenloch gefallen“, sagt sein Trainer und lobt: „Da hat er sich jetzt herausgearbeitet und fängt an, grundlegende Sachen zu verinnerlichen, uns defensive Stabilität zu verleihen. Darüber hinaus kann er jedem Gegner offensiv weh tun.“ Dennoch betont der Trainer, mit Plattenhardt einen Spieler in der Hinterhand zu haben, der im Training „Tag für Tag abdrückt“, wie Covic es formuliert.
Mittelstädt selbst, der sich als junger Fußballer noch oft der Phrase behilft, wenn er sich äußert, will „zusehen, dass ich an meine absolute Leistungsgrenze komme und die auch konstant über eine Saison hinweg zeige“. Denn Covics Spiel, über die Außen nach vorn zu kommen und zu flanken, liegt dem offensivstarken Flügelmann. Ebenso wie die kommunikative Art des Trainers, „da weiß jeder, woran er ist“.
Vor der Saison verlängerte der 22-Jährige einen Vertrag bis 2023
Zusätzlich habe ihm die Familie in der schweren Phase geholfen. Dass Mittelstädt der U21 entwachsen ist und die Länderspielpausen daheim verbringen kann, „ist für den Kopf gut, auch für die Beine“. Wobei es sein nächstes Ziel sei, „dass ich in der Länderspielpause auch mal nicht mehr in Berlin bin“. Für die A-Nationalmannschaft will er sich von Berlin aus empfehlen, wo er vor Saisonbeginn seinen Vertrag bis 2023 verlängert hat.
Von einem früheren Interesse der TSG Hoffenheim, Herthas nächstem Gegner am Sonnabend (15.30 Uhr), „höre ich zum ersten Mal“, sagt er und schmunzelt. „Ich fühle mich sehr wohl, habe meine Familie und Freunde hier. Momentan läuft es fußballerisch wieder besser, mein Ziel ist erst mal, mich hier durchzusetzen und kontinuierlich Spielzeit zu bekommen. Und dann weiß man nie, wo die Reise hingeht.“ Mittelstädt, fast acht Jahre nach dem Mauerfall geboren, ist ja zeitlebens Reisefreiheit gewohnt.