Berlin . Ante Covic feiert mit erhobenen Händen, neben ihm jubelt die gesamte Mannschaft. Der Schriftzug auf dem XXL-Plakat lautet: „Die Zukunft gehört Berlin“, dazu Fahne pur. Knapp drei Meter Meter ist die Szene im Graffiti-Style hoch und sieben, acht Meter lang, die jeder Besucher auf dem Weg zur Geschäftsstelle von Hertha BSC passiert. Tatsächlich sieht es jedoch so aus, als bewege sich Ante Covic (44) auf dünnem Eis. Der Trainer von Hertha muss schauen, dass er nach dem nur leidlichen Saisonstart auch alle Spieler seines Kaders mitnimmt.
Besucht man den Hauptstadt-Klub nach dem 2:1 gegen Paderborn, dem ersten Saisonsieg am fünften Bundesliga-Spieltag, erhält man sehr unterschiedliche Eindrücke. Da ist Trainer Covic, der bei einer Passübung gegen die sechs Spieler von „Team Blau“ poltert: „8:0 - wollt ihr mich verarschen? Wenn ihr hier nicht lauft, dann lauft ihr extra.“ Prompt ordnet der Coach zweimal vier Sprints über je 30 Meter an (von der Auslinie bis zur Strafraumgrenze und zurück). Also erfüllen Karim Rekik, Eduard Löwen, Davie Selke, Ondrej Duda und Alexander Esswein die Vorgabe.
Kalou scheint von dieser Art Strafe nichts zu halten
Salomon Kalou jedoch, der älteste und erfolgreichste Spieler im Team, schien von dieser Art von Strafe nichts zu halten. Der 34-jährige trabte bei beiden Durchgängen in demonstrativem Abstand den Kollegen hinterher.
Dazu muss man wissen, dass Kalou, mit 47 Hertha-Toren bester Schütze im Team, seit dem Amtsantritt von Covic kaum gespielt hat. Von 450 möglichen Einsatzminuten in der Liga hat Kalou zwei Teilzeiteinsätze bestritten (87 Minuten). Der Ivorer verließ später den Trainingsplatz wortlos.
Trainer Covic sagte über Kalou: „Ich glaube, dass Sala erfahren genug ist zu wissen, dass sich sein Stellenwert nicht nur auf dem Platz widerspiegelt. Er hat für viele unserer Spieler eine Vorbildfunktion, nicht nur auf dem, sondern auch neben dem Platz.“ Der Coach wisse, dass Kalou „als Sportler jedes Spiel mitmachen möchte.“ Covic lobte aber eben jene Spieler, die anstelle von Kalou eingesetzt wurden – Marius Wolf auf der rechten Seite und Javairo Dilrosun auf der linken – „ihre Sache ordentlich gemacht haben“. Beide sorgten mit ihren Toren für den Sieg gegen Paderborn.
Klünter wehrt sich gegen Esswein
Auf die Frage, wie sich die Stimmung geändert hat durch den Erfolg, antwortete Covic: „Alle haben zwei Tage durchgeatmet. Das ist o.k. Aber das darf nicht zulange dauern. Wir wollen am Wochenende beim 1. FC Köln den jetzt angefangenen Weg in die richtige Richtung lenken.“
Auf dem Trainingsplatz hat der Konkurrenzkampf deutlich angezogen. So geriet Alexander Esswein mit Lukas Klünter aneinander. Innerhalb von zwei Minuten setzte sich Esswein zweimal heftig gegen den rechten Außenverteidiger ein. Beim zweiten Mal, eigentlich war die Situation vorbei, setzte Esswein nach und schubste Klünter in der Manier von Halbstarken mit der Schulter beiseite. Der wehrt sich: „Was willst du, es ist Training. Da will sich jeder anbieten.“
Esswein regte sich weiter auf und ließ sich kaum von den Kollegen beruhigen. Irgendwann griff Covic, der auf der anderen Seite des Spielfeldes stand, ein: „Männer, genug jetzt. Runterfahren. Und weiter geht’s.“
Je nach Lesart kann man sagen: Die Spieler wie Kalou und Esswein, die derzeit kaum Einsatzzeiten haben, zeigen ihre Unzufriedenheit.
Torunarigha und Redan spielen gegen Benfica
Man kann die Situation aber auch beschreiben wie Trainer Covic: „Ich finde das gut. Man merkt an der Stimmung, dass sich die Spieler nicht auf dem Sieg ausruhen wollen. Dass wir uns wehren, dass wir versuchen Spiele zu gewinnen.“
Zumindest seinen jüngeren Profis kann Hertha Gelegenheiten für hochkarätige Spielpraxis neben der Bundesliga bieten. So sind Jordan Torunarigha (22), Sidney Friede (21), Maurice Covic (21), Dennis Smarsch (20) und Daishan Redan (18) dabei, wenn Herthas U23 im Premier League Internal Cup in Bolton/England im Einsatz ist. Dort trifft das von Andreas Neuendorf trainiert Team an diesem Mittwoch auf den Nachwuchs von Benfica Lissabon (20 Uhr).