Bundesliga

Hertha greift nach Europa

| Lesedauer: 6 Minuten
Uwe Bremer
Hertha feiert Torschütze Marvin Plattenhardt (3.v.r.) gegen Crysta Palace: Salomon Kalou (v.l.), Lukas Klünter, Vladimir Darida, Vedad Ibisevic, Niklas Stark und Maximilian Mittelstädt.

Hertha feiert Torschütze Marvin Plattenhardt (3.v.r.) gegen Crysta Palace: Salomon Kalou (v.l.), Lukas Klünter, Vladimir Darida, Vedad Ibisevic, Niklas Stark und Maximilian Mittelstädt.

Foto: Foto: Isabel Infantes / dpa

Hertha BSC sagt es nicht öffentlich, will aber 2019/20 unter den ersten Sechs landen. Nach Lukebakio soll ein weiterer Star kommen

Berlin. Zum Ende des Trainings wurde Ante Covic laut: „Männer, Schluss für heute. Sammelt die Bälle ein. Mo und David kommen noch mal zu mir.“ Ein Kiebitz an der Seitenlinie feixte: „Jetzt werden den beiden die Ohren lang gezogen.“ Doch die Annahme war verkehrt. Der Trainer von Hertha BSC zeigt seinem Sohn Maurice Covic und Davie Selke auf einem Laptop eine Videosequenz aus der gerade absolvierten Übung. Die moderne Technik macht es möglich: Beim Hauptstadt-Klub wird jede Übungseinheit aufgezeichnet. Die Bilder kann der Trainer seinen Spielern umgehend zeigen.

„Der Spieler hat auf dem Platz manchmal eine andere Wahrnehmung von Situationen als wenn man von draußen guckt“, sagte Covic. „Dann erzählt man ihm was und der Spieler denkt: Was will der von mir? Kann ich es visuell zeigen, kann das hilfreich sein.“

Hertha in der neuen Saison: Schub durch 125-Millionen-Investment

Die technischen Möglichkeiten sind einer der Punkte, an denen Hertha BSC zur neuen Saison aufgerüstet hat. Mit Covic (43 Jahre) gibt es einen neuen Trainer, sein Chef-Vertrag läuft bis Ende des Spieljahres. Durch das 125-Millionen-Euro-Investment von Lars Windhorst (der 37,5 % der Anteile der Hertha-Aktien kaufte) hat Hertha finanziell Möglichkeiten wie noch nie.

Von denen wurde ordentlich Gebrauch gemacht: So wurde der Vertrag mit Spielmacher Ondrej Duda vorzeitig um zwei Jahre bis 2023 verlängert. Der Hauptstadt-Klub hat den belgischen Nationalspieler Dedryck Boyata (28/von Celtic Glasgow) verpflichtet, Eduard Löwen (22/vom 1. FC Nürnberg) und Daishawn Redan (18/Jugendakademie FC Chelsea).

Mit seinem Königstransfer Dodi Lukebakio (21) hat sich Hertha finanziell in neue Dimensionen vorgewagt. Die Ablöse, die an den FC Watford geht, beträgt 20 Millionen Euro. Insgesamt hat Hertha für den belgischen U21-Nationalspieler ein Fünf-Jahres-Paket geschnürt, das mehr als 35 Millionen Euro schwer sein dürfte.

Hintergrund: Mit Lukebakio nimmt Hertha Fahrt auf

Zwei Alternativen zu Maximilian Philipp

Damit nicht genug: Es soll noch ein weiterer Hochkaräter kommen. Hertha ist schwer an Maximilian Philipp (25) interessiert. Doch die von Borussia Dortmund aufgerufene Ablöse (26 Mio. Euro) ist für Hertha „derzeit nicht darstellbar“, wie Manager Michael Preetz sibyllinisch formuliert. Sollte mit dem BVB wegen Philipp in dieser Transferperiode (bis 2. September) keine Einigung möglich sein, hat Hertha zwei weitere Eisen im Feuer.

Mit den Partien gegen West Ham United (3:5) und Crystal Palace (4:0) ist die Vorbereitung beendet. Bleibt die Frage: Was ist vom Hertha-Jahrgang 2020 zu erwarten? Die Resultate gegen die Premier-League-Klubs spiegeln das Bild der Vorbereitung wider: Alles ist möglich. Gegen die englischen Vertreter zeigte Hertha, was im Training über fünf Wochen intensiv geübt worden war: Taktische Flexibilität mit unterschiedlichen Systemen. Im Zweifel fordert Trainer Covic den Pass nach vorne statt nach hinten. Aus dem Spiel hat Hertha reichlich Chancen kreiert. Mit Pascal Köpke, Davie Selke, Marvin Plattenhardt, Vedad Ibisevic und Maximilan Mittelstädt gab es viele verschiedene Torschützen.

Hertha und die zwei Gesichter

Andererseits hat Hertha gegen West Ham und Crystal Palace wie auch im Test gegen Fenerbahce Istanbul (2:1) in jedem Spiel 30, 40 Minuten mit eklatanten Defensivproblemen gezeigt. Es war erstaunlich, wie viel Platz die Gegner am und im Hertha-Strafraum hatten. Die sehr guten Torwartleistungen von Rune Jarstein und Thomas Kraft kaschierten diese Schwierigkeiten.

Das Schlüsselwort für die Bundesliga wird sein, die richtige Balance zwischen offensiver Ausrichtung und defensiver Stabilität zu finden.

Kann es Ante Covic?

Eine andere Frage lautet: Kann es Ante Covic, der Nachfolger von Pal Dardai? Der Coach, der seit Jahren die U23 trainiert hatte, verantwortet nun zum ersten Mal eine Profimannschaft. Wiederholt hat Covic das Training unterbrochen und ausführlich erklärt, was ihm nicht gefallen hat.

Die Stimmung ist dabei nicht nur heiter. Einmal beschwerte sich Thomas Kraft, nachdem ihm Vedad Ibisevec aus Nahdistanz den Ball ins Gesicht geschossen hatte, lautstark bei Covic, wie der die Übung leitete. Ein andermal hatte Ibisevic laute Widerworte gegen den Trainer, weil der eine Übung seiner Meinung nach zu früh abgebrochen hatte. Covic erzählte über seinen Führungsstil aber auch das: „Als Trainer versuchst du den Spielern, wenn sie mal eine schlechtere Phase haben, die Hand zu geben, damit sie wieder hoch kommen.

Läuft die Saison gut, wird es heißen: Leistung braucht Reibung, dafür müssen auch mal die Funken fliegen. Läuft es schlecht… Wie immer, wenn ein Neuer da ist, braucht es ein, zwei gemeinsame Erfolgserlebnisse, um das Vertrauensband zwischen Trainer und Team zu stärken.

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Hertha und das Erwartungsmanagment in Berlin

Ein großes Thema in Berlin ist das Erwartungsmanagement. Frank Baumann, Geschäftsführer Sport bei Werder Bremen, sagte in der „Süddeutschen Zeitung“, dass zehn, elf Klubs bessere finanzielle Möglichkeiten haben. Trotzdem habe Werder ausgegeben: „Ja, wir wollen nach Europa! Wir wollen auch künftig klare und mutige Ziele benennen.“

Die Berliner Führung um Manager Michael Preetz wird dagegen keine „klaren und mutigen Ziele“ benennen. Zumindest nicht öffentlich. Wenn die Mikrofone an sind, ist die Rede davon „sich zu verbessern“, sich „vielleicht mittelfristig“ ins obere Drittel zu orientieren.

Ziel: 2020 Europapokal zu spielen

Was nicht heißt, dass Hertha sich nicht durchaus mutige Ziele steckt – intern. Nach Morgenpost-Informationen wollen die Berliner den Schwung mit den frischen Mitteln, neuen Spielern und neuem Trainer-Team nutzen. Und es geht nicht darum, sich in der Liga von Rang elf auf, sagen wir, Rang acht zu verbessern. Die Mannschaft und die Chefetage von Hertha wollen 2020 im Europacup spielen.