Bundesliga

Hertha ist gegen Leipzig ohne jede Chance

| Lesedauer: 5 Minuten
Uwe Bremer
Herthas Keeper Rune Jarstein und Verteidiger Karim Rekik (v.r) verkamen zu Statisten. Leipzigs Yussuf Poulsen erzielte seine Saisontore 13, 14 und 15.

Herthas Keeper Rune Jarstein und Verteidiger Karim Rekik (v.r) verkamen zu Statisten. Leipzigs Yussuf Poulsen erzielte seine Saisontore 13, 14 und 15.

Ein überfordertes Hertha-Team erlebt in Leipzig ein Debakel. Beim 0:5 bleiben die Berliner ohne eigenen Schuss aufs Tor.

Hertha BSC wird von einem Leipzig-Komplex geplagt. Ausgerechnet in diesem Prestigeduell kassierten die Berliner im sechsten Bundesliga-Vergleich die fünfte deutliche Niederlage. Diesmal kehrte die Mannschaft von Trainer Pal Dardai aus Sachsen mit einem 0:5 (0:2) zurück. Mit Blick auf die Chancen, die das Team zuließ, war es mit diesem Resultat noch ordentlich bedient. „Gefühlt“, sagte Dardai, „war es die größte Niederlage meiner Trainer-Karriere. Vom Spielplan hat man nichts gesehen, nicht offensiv und nicht defensiv.“

Torwart Jarstein verhindert eine noch höhere Niederlage

Seine Spieler waren nach der höchsten Pleite seit knapp einem Jahr – damals gab es gegen denselben Gegner ein 2:6 – genauso bedient. "Wir waren nur in den ersten fünf Minuten im Spiel“, sagte Rechtsverteidiger Valentino Lazaro, „dann haben wir uns verarschen lassen. Keiner ist die Gegenspieler angelaufen, wir hatten zu viele Fehlpässe im Spielaufbau – da war kein Herz, keine Leidenschaft.“ Davie Selke wollte gar nicht erst in die Analyse gehen. „Ich finde eigentlich immer Worte“, sagte der Stürmer, „aber heute nicht. Nach so einem Abend ist man besser ruhig.“

Keine halbe Stunde war vor 41.939 Zuschauern gespielt, da war bereits klar, warum die Hausherren aussichtsreich im Rennen um die Champions League liegen. Und warum Hertha in dieser Saison im Mittelfeld dümpelt, fernab der Ränge, die mit internationalem Fußball zu tun haben. Dynamisch, ballsicher und spielstark war RB unterwegs. Die Gäste gaben sich Mühe, verteidigten nach Kräften – aber sie hatten dem Angriffswirbel nicht viel entgegenzusetzen. Nach 14 Minuten jubelten die Leipziger Fans zum ersten Mal. Hier hatte Hertha Glück, Emil Forsberg hatte einen Freistoß nur ans Außennetz gesetzt. Dann war es ein einfacher Pass von Kevin Kampl über die Berliner Abwehr hinweg, Herthas Innenverteidiger Karim Rekik kam zu spät, Emil Forsberg erzielte die RB-Führung, 0:1 (17.).

Im Hertha-Mittelfeld gelang es Marko Grujic, Arne Maier und Ondrej Duda nicht, den Ball mal zu halten, geschweige denn sich am gegnerischen Strafraum festzusetzen. So gab es jenen Einbahnstraßen-Fußball zu sehen, wie in eigentlich allen Duellen dieser Kontrahenten: Leipzig berannte das Berliner Tor, die Gäste standen tief und reagierten nur.

Dazu leistete sich der Hauptstadt-Klub ungewohnte Fehler. Fabian Lustenberger agierte als letzter Mann umständlich mit dem Ball, bis Yussuf Poulsen dazwischensprang und im Doppelpass mit Timo Werner allein aufs Hertha-Tor zuging, 0:2 (27.). Lustenberger reklamierte auf Freistoß. Die Wahrheit ist: Die Berliner wirkten in dieser Phase überfordert.

Nach der Pause versuchte sich Hertha in der Offensive. Aber bei den Hausherren reichte solider Einsatz, um nachzuweisen, warum RB die mit Abstand beste Defensive der Liga (20 Gegentore) hat. Und: Leipzig hatte nun Konterchancen nach Belieben. Hertha-Torwart Rune Jarstein rettete gegen Werner, als der frei vor ihm auftauchte (54.). Bei der anschließenden Ecke köpfte Maier den Ball noch von der Linie, doch im nächsten Angriff war es Poulsen, der den Ball aus zwölf Metern an Torwart Jarstein vorbeischob, 0:3 (56.).

Nun reagierte Trainer Dardai, brachte Lukas Klünter für den sichtlich bedienten Lustenberger. Allein, es änderte sich am Spiel nichts. Poulsen steuerte, erneut nach einem Konter, einen sehenswerten Treffer bei, aus vollem Lauf lupfte der Däne den Ball über Torwart Jarstein, 0:4 (62.). Langsam wurde es peinlich – auch der nächste Ball landete im Netz, diesmal war es Amadou Haimara, der bei seinem Startelf-Debüt aus 16 Metern zum 0:5 traf (64.). Am Ende durften sich die Berliner bei Torwart Jarstein bedanken, der mit mehreren Paraden dafür sorgte, dass das Debakel nicht noch höher ausfiel. Aber: So drückend die Überlegenheit des Konzernklubs war (Hertha blieb ohne Schuss aufs Tor), die 3400 mitgereisten Hertha-Fans sangen trotzig die inoffizielle Klubhymne „Nur nach Hause gehen wir nicht“.

Nach der zehnten Saisonniederlage ist bei Hertha nun auch die letzte Hoffnung auf die Europa League dahin. Stattdessen gilt es für den Zehnten (35 Punkte) am kommenden Sonnabend im Olympiastadion aufzupassen, um nicht von Gegner Fortuna Düsseldorf (34) überholt zu werden. Ein Spiel, an das Selke noch gar nicht denken mochte. „Wir haben in einem Topspiel, in dem wir uns viel vorgenommen haben, richtig auf die Mütze bekommen“, sagte der frühere Leipziger, „das müssen wir erstmal sacken lassen.“