Immer Hertha

Berlin ist die Hauptstadt der Fußball-Träume

| Lesedauer: 4 Minuten
Uwe Bremer
Finanzchef von Hertha BSC, Ingo Schiller träumt von einer Steigerung des Unternehmenswertes.

Finanzchef von Hertha BSC, Ingo Schiller träumt von einer Steigerung des Unternehmenswertes.

Foto: Oliver Mehlis / dpa

Seit Jahrzehnten gibt es kühne Utopien in Berlin: Doch nun wollen Hertha und Union den Standort aufwerten.

Berlin. Erinnern Sie sich, wo Sie am Nach­mittag des 16. April 1977 waren? ­Verdammt lang her – fast 42 Jahre. Da erlebten 42.000 Zuschauer das bisher letzte Bundesliga-Derby in Berlin. Tennis Borussia gewann 2:0 gegen Hertha. Das Olympiastadion war – im Gegensatz zur Hinrunde im November 1976 – nur deshalb nicht ausverkauft, weil TeBe ­abgeschlagen Letzter war.

Ein Bundesliga-Derby – seitdem Berlin wieder deutsche Hauptstadt ist (seit November 1990) – hat es noch nicht gegeben. Doch so weit der Fußball dieser Stadt auch von der nationalen Spitze entfernt ist: In Berlin wird Fußball geträumt.

Der 1. FC Union war nie so ernsthaft unterwegs wie in dieser Zweitliga-Saison, um sich den Traum vom Aufstieg in die Bundesliga zu erfüllen. Ob Trainer Urs Fischer, das Team um Kapitän Christopher Trimmel, die abgeklärte Spielweise – Union weckt Fantasien. Das hat sich auch in der Wirtschaft herumgesprochen. Ausrüster Adidas, der sein Engagement bei vielen etablierten Vereinen beendet hat und auf wenige Leuchtturm-Klubs vom Schlage Real Madrid, FC Bayern, Manchester United, Juventus Turin setzt – hat sich bis 2025 an Union gebunden.

Der Mainstream-Konzern macht gemeinsame Sache mit den „Eisernen“, die immer so viel Wert darauf legen, anders zu sein als andere – eine ungewöhnliche, eine spannende Liaison. Beflügelt durch die ­Perspektive, dass schon bald das erste deutsche Hauptstadt-Duell anstehen könnte. Mit zwei Protagonisten, Hertha und Union, wie sie unterschiedlicher kaum sein können.

Hertha wünscht sich den Sieg im Pokalfinale

Das Träumen hat auch bei Hertha Tradition. Übermächtig ist der Wunsch von einem Sieg im Pokal­finale, das seit 1985 traditionell im eigenen Wohnzimmer, dem Olympiastadion, ausgespielt wird: endlich wieder einen Titel. Das Beispiel von Eintracht Frankfurt – im vergangenen Mai Überraschungssieger gegen die Bayern – hat bestätigt, wie viel Reputation und Schwung ein Verein, der sonst nicht mit Erfolgen verwöhnt ist, aus dem Gewinn des Pokals ziehen kann.

Ingo Schiller, der Finanzchef von Hertha BSC, träumt davon, dass die Blau-Weißen ihren Unternehmenswert bis 2020 auf 600 Millionen Euro steigern können. Das wäre eine rasante Entwicklung, verglichen damit, dass der Marktwert des Klubs 2014 auf 220 Millionen Euro beziffert worden war.

Bei aller sportlicher und finanzieller Entwicklung, die Hertha in den vergangenen fünf Jahren hingelegt hat: Der Hauptstadt-Klub profitiert erheblich davon, dass die TV-Rechte sowohl für die Bundesliga als auch die internationalen Wettbewerbe deutlich an Wert gewonnen haben. Mit der Folge, wie Schiller es formuliert: Wenn mehr Wasser in den See fließt, liegen alle Schiffe höher. Will sagen: Eine Größe unter den deutschen Top-Sechs ist Hertha nach wie vor nicht.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen

Aber natürlich schauen sie auch von der Geschäftsstelle am Olympiastadion mit Wohlwollen nach Köpenick. Von zwei Berliner Erstligisten würde der Fußballstandort Berlin insgesamt profitieren. Dann wären die Topklubs wie die Bayern und Dortmund zweimal im Jahr in der Stadt. Dazu die Derbys – diese Geschichte ließe sich auch in London, Paris oder Mailand verkaufen: Im Fußballland Deutschland gibt es das erste Hauptstadt-Derby der Bundesliga in 2019 (oder 2020). Noch deutlicher: Union könnte Hertha helfen, das Image von „Berlin als grauer Fußball-Maus“ loszuwerden.

Aber, wie es so ist – es wurde schon oft geträumt in Berlin. Stellvertretend seien hier die kühnen Utopien erwähnt von Tennis Borussia, FC Viktoria 89, Club Italia, dem Berliner AK und anderen – zu träumen ist nicht schwer, sie umzusetzen sehr.

Ehe die Träume von den Blau-Weißen und Rot-Weißen wahr werden, ein Realitätscheck: Der sieht vor, dass Hertha am Sonnabend zum Ligazweiten Mönchengladbach muss. Der 1. FC Union hat sich in der Alten Försterei mit dem SV Sandhausen auseinander­zusetzen. Erst die Arbeit, dann das …