Berlin. Raus mit Applaus – so wird es am 18. Mai sein, wenn Hertha BSC im letzten Saisonspiel Leverkusen empfängt. Schon klar, ob die Fans der Mannschaft applaudieren, hängt auch vom Erfolg ab. In jedem Fall aber wird es Ovationen geben für Fabian Lustenberger. Der verlässt im Mai den Hauptstadt-Klub nach zwölf Jahren und kehrt in seine Heimat zurück. Lustenberger (30) erhält beim Schweizer Meister, den Young Boys Bern, einen Drei-Jahres-Vertrag plus einer Option.
Hertha-Manager Michael Preetz versprach: „Am Saisonende werden wir unseren dienstältesten Spieler gebührend verabschieden.“ Seit August 2007 schnürt Lustenberger, vom damaligen Trainer Lucien Favre empfohlen, die Schuhe in Berlin. Ungewöhnliche Treue in der schnelllebigen Fußballbranche. Von den aktuellen Profis der Bundesliga ist nur Franck Ribéry länger bei seinem Arbeitgeber. Der Franzose hatte seinen Vertrag beim FC Bayern im Juli 2007 unterschrieben.
Einziger Hertha-Torwart ohne Gegentor
Nach dem ersten Training der Woche stellte sich Lustenberger auf dem Schenckendorff-Platz den Medien. Er wirkte erleichtert. „Es ist nicht einfach, nach einer so langen Zeit eine Änderung herbeizuführen“, sagte Lustenberger. „Es ging um zwei Komponenten: um das Sportliche. Da ist Berlin und die Bundesliga überragend. Das andere ist das Familiäre. Meine Familie lebt seit anderthalb Jahren in der Schweiz. Mein Großer geht in die zweite Klasse, meine Jungs und die Kleine brauchen den Papa.“
Der Schweizer hatte es nicht leicht. Am Anfang warfen Verletzungen den Mittelfeldspieler zurück. Hinter vorgehaltener Hand wurde die Frage diskutiert, ob sein filigraner Körper für Hochleistungssport taugt. Doch Lustenberger kämpfte. Er lebte extrem professionell. Und war, ungewöhnlich genug, in der zweiten Hälfte seiner Karriere deutlich weniger verletzt als zuvor. Publikumsliebling war Lustenberger nie. Ihm geht das Spektakuläre ab. Drei Tore in 201 Bundesliga-Spielen zeigen, wo sein Fokus liegt: Lustenbergers sorgt dafür, dass das Team funktioniert. Er ist ein Trainer-Spieler.
Einer, der Lücken schließt, so dass der Gegner erst gar keine Chance entwickeln kann. Einer, der läuft, auch wenn es wehtut. Einer, der dafür sorgt, dass andere gut aussehen. Qualitäten, die kaum ein Fan registriert – sehr wohl aber die Mitspieler. Dass Lustenberger trotz der vielen Jahre in Deutschland in der Schweiz auf nur drei Länderspiele kam, hat mit seinem Grundverständnis zu tun. Er ist keiner, der Rabatz macht, um darauf hinzuweisen, wie gut er ist.
Was ihm die Hertha-Fans hoch anrechneten: Dass Lustenberger nach den Abstiegen 2009 und 2011 blieb. Heute erinnert sich Lustenberger: „Die beiden Aufstiege waren Höhepunkte.“ Unter anderem bleibt er in Erinnerung als der vermutlich einzige Hertha-Torwart, der kein Gegentor kassiert hat. Im Dezember 2010 bei 1860 München zog Lustenberger nach einer Roten Karte für Marco Sejna – Herthas Wechselkontingent war ausgeschöpft – das Torwarttrikot über und hielt den Kasten in den letzten acht Minuten sauber.
Lustenberger widerlegte auch die ungeschriebene Fußballregel, Innenverteidiger müssten zwischen 1,85 und 1,95 Meter groß sein. Wenn man ein gutes Stellungsspiel hat und wenig foul spielt, kann man auch mit 1,80 Metern einen prima Manndecker abgeben.
Drei Jahre war Lustenberger Kapitän. Als sich Trainer Pal Dardai im Sommer 2016 nach der verpassten Europacup-Qualifikation bei Bröndby (1:0, 1:3) für Vedad Ibisevic als neuen Kapitän entschied, schien die Zeit des Schweizers vorbei zu sein – wieder einmal. Doch Lustenberger hielt durch. Nun überzeugte er mit einer Eigenschaft, die sich unspektakulär anhört, aber wichtig ist für jeden Klub: Wenn er gebraucht wurde, war Lustenberger da – ob im defensiven Mittelfeld oder als Manndecker. In der vergangenen Saison kam Lustenberger auf 23 Einsätze. Aktuell war er bei 19 Spieltagen 16 Mal im Einsatz.
Von Abschied will er noch nicht sprechen. „Die Entscheidung ist gefallen. Jetzt gilt die volle Konzentration den letzten Monaten mit Hertha.“ Sportlich wird sich Lustenberger womöglich verbessern. Ob Hertha 2019/20 international spielt, ist noch offen. Die Young Boys Bern führen in der Schweiz mit 19 Punkten vor Verfolger Basel. Und der Schweizer Meister ist automatisch für das Play-off zur Champions League qualifiziert.