Hertha BSC

Ibisevic gegen Gomez ist das Duell der alten Meister

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Sebastian Stier
Vedad Ibisevic macht gegen seinen Ex-Klub Stuttgart sein 100. Bundesligaspiel für Hertha.

Vedad Ibisevic macht gegen seinen Ex-Klub Stuttgart sein 100. Bundesligaspiel für Hertha.

Foto: dpa Picture-Alliance / Gladys Chai von der Laage / picture alliance / Gladys Chai v

Warum die beiden Ü30-Stürmer für Hertha BSC und den VfB Stuttgart immer noch wichtig sind.

Berlin.  Zu behaupten, dem Stürmer Mario Gomez (33) wäre im Laufe seiner Karriere oft gehuldigt worden, wäre maßlos übertrieben. Kritiker gingen mit ihm hart ins Gericht. Allein die Tatsache, dass den meisten Menschen eher sein Fehlschuss bei der EM 2008 gegen Österreich in den Sinn kommt als eines der über 200 Pflichtspieltore, spricht für ein Ungleichgewicht bei der Wahrnehmung des Spielers.

Vor diesem Hintergrund war der 13. Januar 2018 ein besonderer Tag. Ganz Stuttgart hatte sich aufgemacht, um die Rückkehr von Gomez zu erleben, dem verlorenen Sohn, der sich einst aufgemacht hatte für eine große Laufbahn. Der beim FC Bayern und in Istanbul Meisterschaften gewann, Torjägerwettbewerbe für sich entschied und zigfach das Trikot der deutschen Nationalelf überstreifte. Dieser Held schloss sich nun nach neun Jahren in der Fremde wieder seinem Jugendverein an, mit dem er 2007 Meister wurde. Als Gomez gegen Hertha auch noch das Siegtor zum 1:0 erzwang, verwandelte sich das Stadion in ein Tollhaus.

Fast ein Jahr ist das her. Wenn Hertha am Sonnabend wieder beim VfB vorbeischaut (15.30 Uhr/Sky), ist Gomez immer noch der Hoffnungsträger auf Stuttgarter Seite, irgendwie. Einfach, weil sich niemand sonst anbietet aus einem Kader, der schwer mit den Anforderungen zu ringen hat, welche die Bundesliga stellt. Hinter dem VfB liegen eine katastrophale Hinrunde und ein Trainerwechsel, als 16. steckt der Klub im Abstiegskampf. Das war in der vergangenen Saison genauso. Bis Gomez kam. Der traf in der Rückrunde acht Mal und schoss Stuttgart fast noch in den Europapokal. Und jetzt? Trifft Gomez nicht mehr. Seit sieben Spielen schon. Nur drei Saisontore bisher. „Der Ball geht momentan nicht über die Linie. Ich muss den Kopf hochnehmen und weitermachen“, sagt Gomez. Ein Satz, den niemand von seinem Hoffnungsträger hören möchte.

Und einer, der Vedad Ibisevic (34) vermutlich so nicht über die Lippen gekommen wäre. Ibisevic hätte wohl eher einen finsteren Blick aufgesetzt und den Ball so lange angestarrt, bis der vor Angst ganz allein wieder ins Tor geflogen wäre. Vedad Ibisevic und Mario Gomez mögen vom Gemüt her recht unterschiedliche Menschen sein, was ihre Rolle am Sonnabend angeht, sind sie aber nah beieinander. Beide gehören zu den erfolgreichsten noch aktiven Torjägern der Bundesliga, in ihren Mannschaften haben sie die Rollen als Führungsspieler, Vorbilder und Lehrmeister inne. Als Mannschaftskapitän ist Ibisevic bei Hertha noch immer eine Instanz. Seine ist eine der wichtigsten Stimmen in der Kabine, sein Wort hat Gewicht. Die Jüngeren hören ihm zu, die Älteren schätzen seinen Blick für das große Ganze. Er ist der Klebstoff, der die Umkleide zusammenhält.

Ibisevic macht Sonnabend sein 100. Spiel für Hertha

Als die Aufstiegseuphorie verflogen war im vergangenen Winter, hatten sie einen solchen Spieler gesucht in Stuttgart und in Mario Gomez auch gefunden. Einen, der all die Erwartungen und den Druck in diesem schwierigen Umfeld auf sich zieht. Gomez nahm die Rolle gern an, aber der Blitzableiter ist nun in der unkomfortablen Situation, selbst Hilfe zu brauchen. Chancen bekommt er ja immer noch. Wie am vergangenen Sonntag, als er in Gladbach den gegnerischen Torwart Yann Sommer beim Stand von 0:0 anschoss. Am Ende hieß es 0:3.

Wie schnell sich die Dinge ins Gegenteil verkehren können, das weiß Ibisevic nur zu gut. Einst sollte er in Stuttgart die Lücke schließen, die Gomez’ Abschied hinterlassen hatte. Am Anfang gelang ihm das gut, dann immer seltener. Die Tore wurden weniger, der Unmut wird größer. Inzwischen trifft Ibisevic, der in Stuttgart sein 100. Bundesligaspiel für Hertha bestreiten wird, wieder zuverlässig. Sechs Tore sind es in dieser Saison schon.

Dabei wurde dem Bosnier vor nicht allzu langer Zeit das Gleiche nachgerufen, was sich Gomez nun anhören muss: zu alt, zu ungefährlich, den Torriecher verloren. Was so gesagt und geschrieben wird, wenn Stürmer nicht mehr treffen. Ibisevic hat diese Thesen nun widerlegt. „Erfahrung ist auch bei Angreifern enorm wichtig. Vedad weiß einfach, was er machen muss, wie er sich bewegen muss, um ein Tor zu machen. Im Strafraum macht ihm da niemand was vor“, sagt sein Mitspieler Fabian Lustenberger.

Auf das erfolgreiche Wirken der alten Instinkte, ähnlich wie bei Ibisevic, hofft auch Gomez. „Ich weiß, dass ich immer treffe. Früher oder später“, sagt er. Unterstützung erhält er von Sportvorstand Michael Reschke: „Wir werden bis Weihnachten noch ein wichtiges Gomez-Tor sehen. Das sagt mir mein Bauchgefühl.“ Aus Berliner Sicht muss das nicht unbedingt gleich gegen Hertha sein.