Von den vielen klugen Ratschlägen, die man im Laufe des Lebens erhält, ist mir einer besonders nahe. Er besagt, dass man eine Sache nicht mit allzu hohen Erwartungen angehen sollte, allein der möglichen Enttäuschung wegen. Das ist aus der Kategorie „tiefstapeln, hoch gewinnen“, um im Fußballjargon zu bleiben. Vor Kurzem zeigte sich wieder, wie gut ich damit fahre.
Ein Interview stand an mit Marko Grujic. Das ist ein junger Fußballer aus Serbien, der vom ruhmreichen FC Liverpool an Hertha BSC ausgeliehen ist. Spieler von Klubs dieser Güteklasse sind inzwischen geschulter im Nichtssagen als Schönheitsköniginnen oder Politiker, Gespräche mit ihnen ungefähr so aufregend wie eine Scheibe Knäckebrot. Meine Erwartungen waren also auf ein Minimum heruntergefahren.
Umso besser schmeckte die Unterhaltung, als sich herausstellte, dass Grujic keinesfalls einer dieser Langweiler ist. Trotz Medienschulung hat sich der Serbe eine jugendliche Unbekümmertheit bewahrt, und so gingen mein Kollege und ich mit vielen lustigen Anekdoten im Block nach Hause, obwohl wir ein weißes Blatt Papier befürchtet hatten. Fußballklubs, das liegt in der Natur der Sache, gehen anders mit Erwartungen um. Wenn sie hinter den eigenen zurückbleiben, müssen Angestellte (meist Trainer) dran glauben. Wenn sie über den allgemeinen Erwartungen liegen, gehen Angestellte (meist Spieler) von alleine. Weil ihre Fähigkeiten andernorts noch üppiger entlohnt werden.
Von daher ist das, was Hertha BSC gerade abliefert, der goldene Mittelweg. Als Tabellensiebter ist man in etwa dort, wo man sich selbst verortet hätte und auch von der Fachwelt verortet wurde. Die Gefahr, dass einem die Konkurrenz zu Weihnachten den blau-weißen Laden leer räumt, ist nicht gegeben. Genauso wenig wie die Not, Köpfe rollen zu lassen. Alles gut so weit.
Doch der Schein trügt. Gefahr droht, wenn auch erst in mittelferner Zukunft, aus dem Universum der Funktionäre. Ende der vergangenen Woche kamen die Darth Vaders beim europäischen Verband Uefa auf die lichtschwertmäßige Idee, ab 2021 einen dritten europäischen Wettbewerb ins Leben zu rufen.
So wie in guten alten Zeiten. Für den gibt es zwar noch keinen Namen, aber da lässt sich schon sicher was Galaktisches finden. Auch wenn die Bezeichnung fehlt, der Modus ist schon in etwa klar. Aus Deutschland soll jeweils der Tabellensiebte der Vorsaison teilnehmen, also der Region, in der sich Hertha sieht. Die Berliner wären dann im Jahresrhythmus europapokalgefährdet. Gefährdet deshalb, weil der Wettbewerb nichts bringen dürfte außer schweren Beinen und Alltagssorgen im Broterwerb Bundesliga.
Selbst die neue, kleinere Arena, in die Hertha im Juli 2025 einziehen möchte, dürfte nicht mal annähernd gefüllt sein, wenn sich an einem regnerischen Novemberdonnerstag ab 16.30 Uhr (das ist die neue Anstoßzeit) die Vertretungen von Zulte Waregem oder der FC Videoton die Ehre geben. Laut Uefa war auf der großen Speisekarte neben den Hauptgängen Champions League und Europa League noch Platz für einen Nachtisch.
Doch die Vorstellung von solchen Spielen lässt eher Gedanken an einen abgestandenen Pudding mit zu viel Haut aufkommen. Hertha ist zu wünschen, dass sich der Klub in Zukunft entweder für die Champions League qualifiziert oder einen Bogen um Europa macht. Nur was tun, wenn Platz sieben droht? Ein Nichtangriffspakt nach deutsch-österreichischem Muster? Oder eine Europavermeidungstruppe mit Reservisten und Tribünenstammgästen zum letzten Saisonspiel schicken? Das kann nicht im Interesse der Uefa sein.
Sie merken schon, meine Erwartungen an die Zukunft sind in dieser Hinsicht gering. Mehr denn je hoffe ich, dass sich eine Wende nach altbewährtem Muster einstellt. Wäre ja nicht das erste Mal.