Um zu verstehen, was gerade passiert, oder besser, was passieren könnte, braucht es ein paar Zahlen: 21, 15, 10, 10, 19 und 25. Die Superzahl lautet 6. Die ersten sechs Ziffern zeigen den Punktevorsprung an, mit welchem der FC Bayern in den vergangenen Jahren jeweils deutscher Meister wurde. Die Superzahl steht für sechs Titel in Folge. Nie zuvor in der Geschichte der Bundesliga hat es einen Verein gegeben, der die Konkurrenz derart unterjochte. Drei Meisterschaften in Serie waren davor Maximum (auch da meist erspielt von den Bayern). Die Münchner sind der Alleinherrscher einer Liga geworden, die sich ihm unterwirft und sich kaum einen Gedanken an eine Revolution erlaubt. Bis Freitag.
Das 2:0 von Hertha BSC im Berliner Olympiastadion war ein Fest des kleinen Mannes. Ein Aufbegehren gegen die zementierten Machtverhältnisse im deutschen Fußball. Nicht, dass die Berliner sich nun anschicken, die Bayern zu entthronen. Meister werden sie nicht. Aber Hertha hat gezeigt, dass es keineswegs ein Naturgesetz gibt, wonach man sich als Bundesliga-Klub bereits ergeben muss, sobald die Münchner nur zum Aufwärmen aufs Spielfeld laufen. Nach dem berauschenden Abend im Olympiastadion will man rufen: Liga, schau auf diese Stadt! Und dann mach es nach!
Für die Revolution von unten war das ein guter Tag
Der Hertha-Sieg, ohne ihn aufgrund lokalpatriotischer Gefühlsduselei überhöhen zu wollen, muss ein Vorbild für alle anderen Bundesligaklubs sein. Denn das Team von Trainer Pal Dardai hat sich diesen Erfolg nicht ergaunert. Es hat ihn errungen – mit Spielwitz, Glaube an sich und Mut. All das hat der Restliga in den vergangenen Jahren oft gefehlt, wenn es gegen den Potentaten aus Bayern ging. Das erzeugte nicht nur Langeweile, was für jeden Wettkampf tödlich ist. Es schwächte auch den deutschen Fußball insgesamt, weil die deutschen Nationalspieler, von denen der FC Bayern nun mal die meisten stellt, im Liga-Alltag zu wenig gefordert wurden.
Nun hat Hertha gezeigt, dass ein echter Wettkampf um den Titel auch in Deutschland möglich sein könnte. Schon Augsburg muckte unter der Woche auf und ertrotzte sich ein 1:1. Die Bayern mit ihrem neuen Trainer Niko Kovac müssen künftig nachweisen, dass ihr Kader, in dem der große Personalumbruch im Sommer ausblieb, gut genug ist, die Aufmüpfigen in Schach zu halten.
Für die Revolution von unten war Freitag ein Anfang. Aber sie kann auch schnell wieder erstickt werden. Zum selben Zeitpunkt im Vorjahr hatten die Bayern drei Punkte Rückstand auf den Tabellenführer Dortmund. Am Ende hatten sie 21 Punkte Vorsprung.