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Das Hannover-Geheimnis von 96-Schreck Kalou

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Legendär: Im November 2015 gelangen Salomon Kalou in Hannover trotz Kopfverletzung drei Tore

Legendär: Im November 2015 gelangen Salomon Kalou in Hannover trotz Kopfverletzung drei Tore

Foto: dpa Picture-Alliance / Jan Kuppert/SVEN SIMON / picture alliance / Sven Simon

Salomon Kalou pflegt zu Herthas heutigem Gegner Hannover eine besondere Beziehung.

Berlin.  Vielleicht ist es nur Zufall, sagt Salomon Kalou, und vielleicht hat er damit sogar recht. Womöglich ist die Mär von den Lieblingsgegnern ja tatsächlich Quatsch, aber Restzweifel dürfen trotzdem erlaubt sein. Weil die Statistik nun mal etwas anderes vermuten lässt, einerseits. Und weil Kalou plötzlich ein spitzbübisches Lächeln übers Gesicht huscht. Also nachgehakt.

Hertha-Kollege Vedad Ibisevic treffe doch auffällig häufig gegen Köln oder den Hamburger SV. Und Kalou selbst, mit elf Saisontreffern mal wieder bester Berliner Torjäger, habe schließlich auch seine Favoriten. Mönchengladbach zum Beispiel oder Augsburg, vor allem aber Hannover 96, wo Hertha an diesem Sonnabend (15.30 Uhr, Sky) antritt. In den jüngsten drei Duellen hat Kalou den Niedersachsen sechs Tore eingeschenkt, eine Wahnsinnsquote, die ihm den mehr oder weniger schmeichelhaften Beinamen „Hannover-Schreck“ eingebracht hat. Seien Sie ehrlich, Herr Kalou, kann das wirklich noch Zufall sein?

Der Stürmer schoss zuletzt in drei Duellen sechs Tore

Also gut. „Vielleicht“, sagt er vorsichtig, „vielleicht haben die Verteidiger ein wenig mehr Respekt, weil sie sich denken: nicht der schon wieder. Vielleicht steigen sie in manchen Situationen nicht mit 100 Prozent ein, weil sie wissen, dass ich gegen sie schon häufiger getroffen habe. Dadurch ergeben sich Lücken – und die muss man nutzen.“ Klingt auf den ersten Blick plausibel, nur hat sich Hannovers Mannschaft im Zuge des Ab- und Wiederaufstiegs nicht unwesentlich verändert. Kalou-geplagte Defensiv-Akteure aus der Spielzeit 2015/16 finden sich kaum noch bei 96, aber immerhin zwei von ihnen – Salif Sané und Miiko Albornoz – dürften sich heute in der Startelf wiederfinden.

„Es ist ein kleines Psychospielchen“, sagt Kalou, ehe er zum zweiten Teil seiner These kommt, von dem er noch überzeugter klingt als vom ersten. Die eingeschüchterten Abwehrspieler seien schließlich nur die eine Hälfte der Konstellation, und die zweite habe er selbst in der Hand. „Natürlich werde ich sehr selbstbewusst ins Spiel gehen, weil ich mit diesem Gegner gute Erfahrungen verbinde“, sagt der Ivorer, „das gibt dir einen kleinen Vorteil.“

Was für Kalou (32) im Speziellen gilt, gilt natürlich auch für Hertha im Allgemeinen: Glaube und Überzeugung können in der engen Bundesliga wichtige Erfolgsfaktoren sein – ein Aspekt, den die Berliner in dieser Saison auf fast schon skurrile Art und Weise zu spüren bekommen. Im Vergleich zur Vorsaison hat sich Hertha von einem der schlechtesten Auswärtsteams zu einem der besten verwandelt, allerdings ist gleichzeitig die über Jahre kultivierte Heimstärke verloren gegangen. Eine 180-Grad-Veränderung, die Kalou nur schwer verdauen kann.

„Hätten wir zu Hause so gespielt wie in den letzten zwei Jahren, wäre in dieser Saison mehr drin gewesen“, sagt er. „Es kann nicht sein, dass man gegen Spitzenteams wie Bayern, Leverkusen und Leipzig so gute Auswärtsspiele macht wie wir und trotzdem nicht zu den Top Sechs gehört. Das ist der kleine Makel dieser Saison.“

Allzu sehr hadern will er jedoch nicht mit der Spielzeit, im Gegenteil. Wie Hertha die ungewohnte Mehrbelastung durch den Europacup verkraftet hat, macht ihn stolz, zudem freut er sich über die Integration von Valentino Lazaro, Davie Selke, Karim Rekik oder Talent Arne Maier, die sich als echte Verstärkungen erwiesen haben. Nur die Schwäche im Olympiastadion nagt an Kalou, weil er weiß, dass der Schlüssel auch hier im Kopf zu finden ist.

„Wir dürfen zu Hause einfach keine Angst haben, das Spiel zu machen“, sagt er. „Wir haben oft zu vorsichtig gespielt, waren zu sehr auf Sicherheit bedacht.“ Was sich auswärts dank verbessertem Konterspiel als Stärke entpuppte, erwies sich im eigenen Stadion zunehmend als Schwäche. „Mit unserer Vorsicht und den vielen Rückpässen haben wir die Gegner aufgebaut“, meint Kalou, „wir haben ihnen Selbstvertrauen geschenkt.“ Kopfsache also, wie so oft, wenn auch nicht als alleiniger Faktor. Dass Hertha im zentral-offensiven Mittelfeld ein Spielgestalter fehlt, ist auch Kalou nicht entgangen.

Während seine Berliner Kollegen mitunter zu Blockaden neigen, scheint Kalous Selbstbewusstsein unerschütterlich. Oft schon wurde er abgeschrieben, für zu alt und zu langsam befunden, für zu schwach in der Verteidigung auch. In dieser Saison musste er zwischenzeitlich sogar dem jungen Maximilian Mittelstädt (21) den Vortritt lassen, doch der Routinier tat das, was er immer gemacht hat: weiter trainieren und bei nächstbester Gelegenheit treffen. Inzwischen jagt er sogar seinen persönlichen Bundesliga-Rekord von 14 Saisontoren (2015/16). Drei Treffer fehlen ihm noch, bei zwei ausstehenden Spielen und dem Lieblingsgegner im Blick. Ob sich Hannover Sorgen machen muss? „Das weiß ich nicht“, sagt Kalou. Und wieder kann er sich das Spitzbuben-Lächeln nicht verkneifen.

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