Berlin. In der Anklage steckte zugleich das größte Lob. „Ausgerechnet Jiri Pavlenka patzt“, urteilte die „Syker Kreiszeitung“ nach Werder Bremens jüngstem 2:4 bei Bayern München. Zugegeben, beim dritten Gegentreffer, einem Kopfball von Robert Lewandowski ins linke untere Eck, hatte der 1,96-Meter-Hüne nicht geglänzt. Deshalb von einem Fehler zu sprechen, ging Frank Baumann jedoch zu weit. „An einem richtig guten Tag kann er den Ball vielleicht halten“, sagte Werders Sportchef, „aber den muss man nicht kriegen.“ Ein Satz, der die Mini-Kritik der Medien treffend einordnete. Nach zahlreichen Glanztaten sind sie in Torwartfragen inzwischen verwöhnt in Bremen.
Pavlenka (25) ereilt momentan der Fluch der guten Tat. Weil er seit Monaten herausragende Leistungen zeigt, wird er längst an einem neuen Standard gemessen, der eigentlich ein alter ist, schließlich stand Bremen über Jahrzehnte für bemerkenswert starke Keeper. Von Günter Bernard in den Sechzigern über Dieter Burdenski in den Siebzigern und Achtziger bis zu Oliver Reck, Frank Rost und Tim Wiese – sie alle bewegten sich im Dunstkreis der Nationalmannschaft. Doch auf die Flut an prägenden Torhütern folgte nach dem Abgang des streitbaren Wiese plötzlich eine ungewohnte Ebbe. Seit 2012 durften sich fünf verschiedene Keeper versuchen, darunter auch der frühere Herthaner Jaroslav Drobny. Restlos zu überzeugen vermochte keiner – bis im vergangenen Sommer der Tscheche Pavlenka kam, der sich mit bislang 80 Paraden zur Nummer eins der Liga aufschwang.
Darida erkennt keine Schwächen bei seinem Nationalelfkollegen
Nun also ist die internationale Klasse zurück im Bremer Tor. Vladimir Darida, mit Hertha heute zu Gast bei Werder (18.30 Uhr, Sky), kennt Pavlenka aus dem Nationalteam, wo jener ebenfalls ins Rampenlicht hechtet. „Schwächen fallen mir zu ihm gar nicht ein“, sagt der Mittelfeldspieler. Stärken dafür umso mehr: „Er ist sehr groß, aber trotzdem unheimlich stark auf der Linie und in Eins-gegen-eins-Situationen.“ Einen letzten Beweis dafür lieferte Pavlenka zum Rückrundenstart gegen Hoffenheim (1:1), als er mit einer Wahnsinnsparade einen wuchtigen Sechs-Meter-Schuss von TSG-Angreifer Andrej Kramaric entschärfte. Es war nicht das einzige Mal, dass ihm Werder Zählbares zu verdanken hatte.
Für Florian Kohfeldt ist Pavlenka deshalb unverzichtbar. „So einen Mann im Tor zu haben, gibt mir ein gutes Gefühl“, sagt der Werder-Coach. Bedanken darf sich Kohfeldt dafür bei seinem Vorgänger Alexander Nouri, der Pavlenka unbedingt haben wollte und dafür sogar die bisherige Nummer eins Felix Wiedwald vergraulte. Eine Entscheidung, die Nouris Ruf nicht gerade verbesserte, schließlich war Wiedwald, ein Mann mit Bremer Wurzeln, nicht negativ aufgefallen.
Bei den Paraden ist der Tscheche die Nummer eins
„Pavlenka wird uns besser machen“, hatte Nouri insistiert – und dem Drei-Millionen-Einkauf von Slavia Prag so zusätzlichen Druck auferlegt. Bald darauf war Wiedwald weg, im Oktober dann auch der erfolgslose Nouri. Dem wurde am Ende zwar vieles vorgeworfen, jedoch mit keiner Silbe die Entscheidung pro Pavlenka. Der Keeper selbst sieht seine Situation nüchtern. „Es ist meine Aufgabe, Werder zu helfen“, sagt er mit seiner introvertierten, sachlichen Art, „ich habe ja nicht gerade wenig gekostet.“ Und so bleibt sein vielleicht einziger Makel, dass er sich schon für höhere Aufgaben empfiehlt. Werder-Kollege Theodor Gebre Selassie ist nicht der einzige, der ahnt: „Wenn er so weitermacht, müssen wir sehen, ob wir ihn halten können.“