Berlin. In Wochen wie dieser, wenn sämtliche Nationalspieler von Hertha BSC bei ihren Auswahlmannschaften weilen, hat Michael Preetz einige Flugpläne im Kopf. Mathew Leckie etwa wurde für den späten Donnerstagabend in Berlin zurück erwartet. „So gegen 23 Uhr“, wie Preetz verriet. Herthas Australier war der letzte Nationalspieler, der es noch nicht zurück zu seinem Arbeitgeber geschafft hatte. Alle anderen waren seit Wochenbeginn nach und nach eingetroffen. Die beste Option für das Heimspiel am Sonnabend gegen Borussia Mönchengladbach (18.30 Uhr/Sky) ist Leckie nach der langen Reise, dem Schlafdefizit und dem Jetlag nicht, jedenfalls nicht, was die Startelf angeht.
Pal Dardai kennt das inzwischen zur Genüge. Wie mit Fernfahrern nach einer langen Tour, die wieder zu Hause einkehren, verhält es sich mit seinen Spielern. Manche kommen am Montag, andere am Dienstag, am Mittwoch und manch einer sogar erst Donnerstag gegen Mitternacht. Eine gründliche Vorbereitung auf den kommenden Gegner ist unter diesen Voraussetzungen kaum möglich. „Wir haben in dieser Woche viel mit den Spielern gesprochen, die hier waren, aber erst jetzt sind wir vollzählig und können taktisch ein paar Dinge thematisieren“, sagt Dardai. Wobei Herthas Trainer sich noch offen hält, mit welcher Taktik er das Spiel gegen Gladbach angeht. Im Raum steht auch eine Variante mit zwei Stoßstürmern, Vedad Ibisevic und Davie Selke. „Ich muss noch eine Entscheidung treffen, wer von Anfang an spielt. Beide könnten auch zusammen beginnen“, sagt Dardai.
Aufsteigende Leistungskurve bei Selke und Ibisevic
Sinnvoll erscheint diese Überlegung allein schon, weil der Gegner über eine der schlechtesten Verteidigungsreihen der Bundesliga verfügt. In elf Spielen kassierte Gladbach 19 Gegentore, nur der SC Freiburg und Köln haben noch mehr bekommen. Darüber hinaus nähert sich Selke nach langer Verletzungspause immer weiter seiner Bestform und hatte in den Spielen vor der Pause gezeigt, wie wichtig er für Hertha in Zukunft werden kann. Ibisevic beendete in Wolfsburg seine Torflaute und dürfte mit viel Selbstvertrauen in die kommenden Aufgaben gehen.
Beide Klubs befinden sich derzeit im Tabellenmittelfeld – Hertha ist Elfter, Gladbach Achter – und wollen unbedingt den Anschluss ans obere Drittel halten. „Gladbach ist ein Schlüsselspiel. Mit einem Sieg können wir noch einiges bewegen nach vorne“, sagt Dardai. Auf der anderen Seite würde eine Niederlage bedeuten, dass sich Hertha bis zur Winterpause eher nach hinten orientieren muss. „Wir sind in der Bundesliga in einer Ausgangsposition, die uns alles offen lässt für beide Richtungen“, sagt Manager Michael Preetz. „Wir haben alle Chancen.“
Siegesserien halten bei beiden Teams bisher nicht lang
Dardai hofft neben drei Punkten vor allem auf einen psychologisch positiven Effekt für die Wochen bis zur Winterpause, in denen Hertha ums Überwintern in der Europa League kämpft und versucht, in der Bundesliga Anschluss nach oben zu halten. „Wenn du gewinnst, kann das einen Schub geben“, sagt Dardai. National könnten die Berliner bis Weihnachten Boden gut machen. Die anschließenden Gegner Köln, Frankfurt, Augsburg und Hannover gelten als Konkurrenten von ähnlichem Niveau, in Leipzig zum Hinrundenabschluss ist Hertha hingegen eher der Außenseiter.
Was die Berliner und Gladbach in dieser Saison eint, ist die Suche nach Konstanz. Gladbachs längste Serie ohne Niederlage dauerte bisher zwei Spiele, im Fall von Hertha sind es drei. „Gladbach ist schwierig einzuschätzen. Wenn sie einen guten Tag haben, ist es schwer gegen sie“, sagt Dardai. Vor allem wenn die hoch talentierte Offensive um Lars Stindl, Thorgan Hazard und dem ehemaligen Herthaner Raffael ins Rollen kommt. „Sie haben gute und sehr bewegliche Angreifer“, sagt Dardai, der hofft, dass sein bester Innenverteidiger Karim Rekik bis zum Sonnabend komplett fit ist. Der Niederländer war mit einem grippalen Infekt von der Nationalmannschaft zurückgekehrt und hatte am Donnerstag nur leicht trainieren können.
Rekiks Dienste als Innenverteidiger werden gegen Gladbach allerdings gebraucht. Was die Mannschaft von Trainer Dieter Hecking imstande ist zu leisten, zeigte sie unter anderem beim 2:2 in Leipzig oder beim überzeugenden 3:1 in Hoffenheim. Diesen positiven Resultaten stehen empfindliche Heimniederlagen gegen Dortmund (1:6) und Leverkusen (1:5) gegenüber. Auch bei Hertha wechselten sich Licht und Schatten in dieser Spielzeit verlässlich ab. Nach der furiosen Aufholjagd gegen den FC Bayern (2:2) folgte ein ernüchterndes 0:2 gegen Schalke. Wirkte das Offensivspiel der Berliner oft verkrampft, entlud sich der ganze Frust plötzlich in einem 3:3 beim VfL Wolfsburg. Verlässlich ist an beiden Mannschaften bisher nur, dass sich die Zuschauer auf nichts verlassen können.