Stuttgart/Berlin. Rune Jarstein saß eingeklemmt im mittleren von drei Sitzen der Maschine nach Berlin am Dienstagmorgen. Seine Knie stießen an den Vordersitz, und spätestens da wusste Herthas Stammtorwart, dass der Orbit es derzeit irgendwie nicht gut mit ihm meint.
0:6 verlor Jarstein am Abend zuvor mit der norwegischen Nationalelf gegen Deutschland. Die Bälle flogen dem 32-Jährigen um die Ohren, als hätte jemand das Tor zur Torwarthölle aufgerissen und es nicht wieder zusperren können. „Man muss ehrlich sein“, sagte Jarstein der Morgenpost. „Das war peinlich von uns. Wir waren zu langsam, wir liefen nur hinterher. Nichts hat gestimmt. Wir müssen uns bei den norwegischen Fans entschuldigen.“
Klub-Coach Dardai kann nicht hinsehen
Andere wären an seiner Stelle wortlos durch alle Journalisten hindurch ins Dunkel der Nacht geflohen. Jarstein nicht. Er stellte sich auch den heimischen Reportern, die Bundestrainer Joachim Löw fragten, ob es gegen Norwegen so leicht gewesen sei wie sonst nur gegen San Marino. „Ich habe mich in diesen 90 Minuten wahnsinnig klein gefühlt“, sagte Jarstein.
Bei Hertha scheinen sie das irgendwie geahnt zu haben und schickten ihm noch am Abend aufbauende SMS. „Lass den Kopf nicht hängen, stand da“, sagte Jarstein. „Das fand ich nett.“ Jarsteins Vereinstrainer Pal Dardai hatte das 0:6 am TV verfolgt und schon nach 20 Minuten nicht mehr hingucken können. „Man hat gesehen, dass es nicht wenig Gegentore sein werden, aber Rune war trotzdem der beste Mann auf dem Platz“, sagte der Ungar und übertrieb da natürlich.
Jarstein hielt sicher, was zu halten war, doch der beste Mann auf dem Platz war eher einer aus Löws Auswahl. Doch darum ging es ja nicht. Dardai wollte vielmehr Mitgefühl äußern und wählte dafür folgende Formulierung: „Wenn du Eis bestellst, sind sechs Kugeln nicht wenig – die musst du erst mal runterschlucken. Aber so etwas ist noch schwieriger“, sagte der 41-Jährige. „Doch wir kriegen ihn wieder hin. Wenn er kommt, machen wir gute Laune.“
In Berlin wartet deutlich mehr Hilfe
Jarstein selbst verschaffte sie sich am Dienstag im Kraftraum bei Hertha, bevor er heim zu seiner Familie fuhr. Und er wollte nur noch nach vorn gucken: „Jetzt haben wir das Spiel gegen Bremen am Sonntag, und darauf freue ich mich. Es ist wieder gut, nach Hause zu Hertha zu kommen. Da wird das nicht passieren“, sagte er. Das letzte Mal, dass Jarstein sechs Tore kassierte, war zwar mit Hertha (2:6 gegen Leverkusen im Mai), aber eine Wiederholung gegen Bremen ist eher unwahrscheinlich.
Mit Norwegen hatte Jarstein schon vor der Abreibung gegen Deutschland die WM in Russland quasi verpasst – lag neun Punkte und 14 Treffer hinter dem Gruppenzweiten Nordirland. Nun ist die Sache unumstößlich, und Jarstein blickt schon auf die EM-Qualifikation für 2020. „Aus solchen Abenden wie gegen Deutschland müssen wir lernen. Das ist das Wichtigste“, sagte er.
2020 wird Rune Jarstein 35 sein und stramm auf die 36 zugehen. Es dürfte seine letzte Chance auf ein großes Turnier mit seinem Heimatland sein.