Berlin. Sie wissen, wie man Dortmund schlägt. Marvin Plattenhardt (25) schoss Hertha im bislang letzten Duell mit dem BVB zum Sieg, indem er einen seiner gefürchteten Freistöße verwandelte. Mitchell Weiser (23), zuvor lange verletzt, war beim 1:0 im Olympiastadion als Joker gekommen und holte jenen Standard heraus, der das Spiel entscheiden sollte. Am heutigen Sonnabend (18.30 Uhr, Sky und im Liveticker bei immerhertha.de) will das Duo den Favoriten erneut ärgern.
Herr Plattenhardt, Herr Weiser, als Außenverteidiger werden Sie in Dortmund Schwerstarbeit verrichten müssen. Schlotternde Knie?
Mitchell Weiser: In der Bundesliga hat man oft schnelle und wendige Gegenspieler – und in Dortmund spielen halt auch ein paar von der Sorte. Aber ich werde gern gefordert. Ich mag solche Spiele. Wir wollen uns mit den Besten messen.
Sie, Herr Weiser, spielen Ihre Rolle sehr offensiv. Ist Angriff die beste Vereidigung?
Weiser: Das kann man so nicht sagen. Erstens bekommt man als Mannschaft immer zusammen Gegentore, und zweitens versuchen wir je nach Spielsituation zu verteidigen. Mal stehen wir höher, mal tiefer. Das Ziel heißt „zu Null spielen“. Auch in Dortmund.
Dortmunds Kader wird mit gut 400 Millionen Euro taxiert, Herthas mit 90 Millionen. Nur in der Außenverteidigung scheint Hertha mindestens gleichwertig. Für nicht wenige sind Sie die beste Außenverteidiger-Zange der Liga.
Plattenhardt: Diese Anerkennung ehrt uns. Aber wir müssen ja trotzdem weiter unsere Leistung bringen. Wir sind noch jung. Die großen Sachen haben wir noch vor uns.
Weiser: Klar, Platte ist sehr gut, und ich fühle mich auch ganz gut (lacht), aber ich mag Vergleiche nicht.
Konkurrenz belebt das Geschäft. Gibt es einen Wettstreit um Tore und Vorlagen?
Plattenhardt: Jeder von uns hat den Anspruch, Tore oder Vorlagen beizusteuern, aber wir haben da keinen Wettkampf.
Weiser: Wenn er zu erfolgreich ist, darf Platte eben keine Standards mehr schießen (lacht.)
Ohne Flachs und Piesackereien scheint es zwischen den beiden nicht zu gehen. Seit sich ihre Wege 2015 bei Hertha gekreuzt haben, verstehen sie sich prächtig, auf Auswärtsfahren teilen sie ein Zimmer. Warum es zwischen ihnen so gut klappt? Wohl auch, weil sie eigentlich recht unterschiedlich sind. Hier Plattenhardt, der ordnungsbewusste Schwabe, dort Weiser, eher Typ Hallodri, der Spaß daran hat, seinen Zimmernachbarn mit ein wenig Chaos auf die Palme zu bringen. Und so wie sie sich im Wesen unterschieden, unterscheiden sie sich auch als Spieler.
Herr Weiser, um welche Qualität beneiden Sie Marvin Plattenhardt?
Weiser: Um seinen linken Fuß! Ich darf mittlerweile ja auch Standards schießen, aber wenn es so weit ist, habe ich immer das Gefühl, ich müsste ihm den Ball geben. Bei ihm weiß man immer, dass er eine super Flanke oder einen super Schuss abliefern kann. Das kann man nicht lernen. Ich glaube, er trainiert dafür auch gar nicht so viel (lacht.) Keine Ahnung, warum das so gut klappt.
Herr Plattenhardt, was macht Mitchell Weiser besser als Sie?
Plattenhardt: Eins-gegen-eins-Duelle in der Offensive. Da geht er viel Risiko, macht das aber auch mit Köpfchen. Er traut sich viel zu und kommt oft durch. Da kann ich noch einen Zahn zulegen.
Eine Schwäche des jeweils anderen?
Weiser: Vielleicht sein rechter Fuß. Den habe ich noch nicht so oft gesehen.
Plattenhardt: Ohne Witz: Das ist wirklich nicht leicht zu sagen. Am ehesten das Kopfallspiel, aber auch da hast du dich schon verbessert.
Weisers Kopfballspiel steht dabei stellvertretend für die Entwicklung, die das Duo unter Hertha-Coach Pal Dardai genommen hat. Der Ungar beförderte Plattenhardt bei Dienstantritt auf Anhieb vom Reservisten zum Stammspieler – sah sofort das große Potenzial des Linksfuß. Selbiges galt für Weiser, der als hochgehandeltes Talent beim FC Bayern im Abseits gelandet war. In Berlin erhielt der Sohn von Ex-Profi Patrick Weiser schnell Vertrauen und Spielzeit. Genutzt haben beide ihre Chance. Bei Hertha zählen Plattenhardt und Weiser längst zu den Leistungsträgern. Ein Aufwärtstrend, der auch außerhalb Berlins registriert wurde.
Herr Weiser, was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Marvin Plattenhardt im Juni von Joachim Löw für den Confed Cup nominiert wurde?
Weiser: Ich habe mich sehr für ihn gefreut, so wie alle. Das war in meinen Augen sehr verdient, und er konnte sich beweisen. Ich hoffe für ihn, dass er weiter diese Chance bekommt.
Waren Sie ein bisschen neidisch? Für Sie ging es zur U21-EM.
Weiser: Wie gesagt: Ich vergleiche mich nicht mit anderen. Jeder, der es in die Nationalmannschaft schafft, hat das verdient – egal, was andere sagen oder schreiben. Es gibt viele Neider, aber ich gehöre sicher nicht dazu.
Herr Plattenhardt, kann Mitchell Weiser ein Kandidat für die WM 2018 in Russland werden?
Plattenhardt: Er macht viel Dampf und bringt alles mit, was es auf der rechten Seite braucht. Natürlich ist es für ihn ein Ziel, er hat das vielleicht auch im Hinterkopf. Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, wenn er eine Einladung kriegen sollte. Und warum soll er die nicht bekommen?
Auch wenn sie für die anstehenden Spiele in der WM-Qualifikation nicht berücksichtigt wurden: Plattenhardt und Weiser dürfen sich berechtigte Hoffnungen machen, eines Tages gemeinsam im Nationaltrikot aufzulaufen. Beim Confed Cup bekam Plattenhardt zwar kaum Spielzeit, wurde von Bundestrainer Löw aber explizit als „Alternative“ gelobt. Weiser schoss derweil die deutsche U21 zum EM-Titel in Polen. Im Finale gelang ihm per Kopf das Siegtor. Beide haben sich in den Fokus gespielt, sind attraktiv geworden für andere, größere Klubs. Womit sich die Frage nach der Zukunft stellt. Was, wenn ein großer Verein anfragt, etwa Borussia Dortmund?
Herr Plattenhardt, Mitchell Weiser zählt zu den größten Talenten des Landes. Wo sehen Sie ihn in drei Jahren?
Plattenhardt: Ich wünsche ihm, dass er verletzungsfrei bleibt. Für welchen Weg er sich entscheidet, muss er selbst wissen. Es ist nicht angebracht, dass ich da irgendwelche Prognosen abgebe.
Weiser: Ehe die Frage jetzt auch an mich geht: Das, was er sagt (lacht.)
Muss es für Spieler wie Sie nicht das Ziel sein, bei einer Top-Adresse zu landen? Zum Beispiel beim BVB?
Weiser: Wir haben gerade mal einen Spieltag und eine Pokalpartie hinter uns, und dann kommt so eine Frage ...
Unberechtigt?
Weiser: Wer weiß denn, was passiert? Vielleicht verletze ich mich ja nächste Woche. Es ist zwar eine Floskel, aber sie stimmt: Wir denken von Spiel zu Spiel, wollen einfach gesund bleiben und gute Leistungen zeigen. Weiter denken wir gar nicht.
Ihre Verträge laufen bis 2020. Sie haben die Chance, bei Hertha eine kleine Ära zu prägen.
Plattenhardt: Hertha hat als gesamter Verein ein paar Schritte nach vorne gemacht. Jetzt sind wir in der Europa League dabei – das ist für uns Spieler eine wichtige Erfahrung und eine große Aufgabe. Es stimmt schon: Der Verein ist im Kommen, es gibt viele Ambitionen, die Perspektiven sind positiv. Wir fühlen uns wohl hier, und wir spielen regelmäßig. Es macht Spaß!
Weiser: Das würde ich unterschreiben. Wir haben alle das Ziel, uns im internationalen Geschäft zu etablieren. Dabei wollen wir helfen.