Bundesliga-Rückrunde

Warum sich für Hertha die Negativgeschichte nicht wiederholt

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Jörn Lange
Eng am Mann werden die Hertha-Profis am Mittwoch sein müssen – so wie Julian Schieber (r.) und Per Skjelbred in dieser Szene gegen Gladbachs Raffael

Eng am Mann werden die Hertha-Profis am Mittwoch sein müssen – so wie Julian Schieber (r.) und Per Skjelbred in dieser Szene gegen Gladbachs Raffael

Foto: dpa Picture-Alliance / City-Press / picture alliance / City-Press Gb

Vor einem Jahr begann das Rückrundentief der Berliner in Gladbach. Sechs Gründe dafür, warum das diesmal anders wird.

Berlin.  Die erste Etappe des Einbruchs liegt genau ein Jahr zurück. Am 28. Spieltag der Saison 2015/16, dem 3. April, erlebte Hertha bei Borussia Mönchengladbach ein 0:5-Debakel. Anschließend holten die Berliner nur noch zwei Punkte aus sieben Partien, verspielten ihre grandiose Hinrunde und das Ticket nach Europa.

Dass es Mittwoch (20 Uhr) erneut zur Borussia geht, sorgt beim Anhang für ein mulmiges Gefühl. Die Befürchtung eines erneuten Leistungsabfalls hat sich durch die Enttäuschungen der Vergangenheit eingebrannt in die blau-weiße Fan-Seele. Zumal die Umstände nicht eben verheißungsvoll sind: Mit Vedad Ibisevic (gesperrt) fehlt der beste Torjäger. Auswärts ist Hertha das drittschlechteste Team der Liga. Der letzte Sieg in Gladbach liegt acht Jahre zurück. „Wird mal wieder Zeit“, sagt Manager Michael Preetz, und tatsächlich sprechen einige Gründe dafür, dass sich die Geschichte nicht wiederholt.

1. Es geht auch ohne Ibisevic. Elf Treffer, vier Vorlagen – kein Hertha-Profi ist so torgefährlich wie Ibisevic. Hinzu kommt der Mehrwert des Kapitäns für das Team – sei es als physisch starker Stürmer, der Bälle behauptet und somit die Statik des Berliner Spiels prägt, oder als „Aggressive Leader“. Wenn jemand bei Hertha unersetzbar ist, dann Ibisevic. Sollte man meinen. Statistisch belegen lässt sich diese These allerdings nicht. Seit seinem Hertha-Debüt 2015 fehlte Ibisevic sechs Mal gesperrt. Die Bilanz ohne den Bosnier: vier Siege, ein Remis, eine Niederlage. Zuletzt mussten die Berliner Anfang Dezember ohne ihn auskommen – und gewannen 3:2 in Wolfsburg.

„Als Führungsspieler können Sebastian Langkamp und Per Skjelbred seine Rolle übernehmen“, sagt Dardai, „auch von John Brooks muss mehr kommen.“ Und als Stürmer? Wird der Ungar auf den schnellen Genki Haraguchi setzen. „Unser Spiel wird mit ihm ganz anders“, sagt Dardai, „wir müssen mit Genki mehr auf Umschaltspiel setzen.“

2. Klarer Fokus. Ja, Mönchengladbach markierte zwar die erste Niederlage des Hertha-Tiefs, aber nicht die entscheidende. Die ereignete sich erst gut zwei Wochen später, im klar verlorenen DFB-Pokal-Halbfinale gegen Borussia Dortmund. Das 0:3 ließ den Traum vom Endspiel im eigenen Stadion zerplatzen – und riss die Spannung im Team gleich mit sich. „Wir haben uns sehr stark auf dieses Spiel fokussiert“, erinnert sich Angreifer Salomon Kalou, „danach hatten wir nicht mehr die nötige Energie.“ In dieser Saison war im Achtelfinale Schluss, seither gilt alle Konzentration der Liga. Und: Anders als vom Vorjahr setzt sich Hertha betont hohe Ziele. „Wir wollen Platz fünf oder sechs unbedingt verteidigen“, bekräftigt Dardai. Als 2016 die angestrebten 45 Punkte erreicht waren, habe sich unterschwellig Zufriedenheit breitgemacht, bemängelt der Coach rückblickend.


3. Gladbach schwächelt. Das, was der Boulevard vor ein paar Wochen noch als „Hecking-Effekt“ feierte, ist inzwischen verpufft. Zur Erinnerung: Als Dieter Hecking (52) im Januar den glücklosen Trainer André Schubert beerbte, schien Gladbach zurück zu alter Stärke zu finden. Nach acht Siegen aus elf Spielen kam die Borussia jedoch aus dem Tritt. Mittlerweile wartet Hecking seit fünf Partien auf einen Dreier. Dass es zuletzt gegen Frankfurt zu einem 0:0 reichte, war einzig Keeper Yann Sommer zu verdanken, der einen Elfmeter parierte. Auch Hecking wusste: „Wir waren 90 Minuten die schlechtere Mannschaft.“

Offensiv will dem Tabellenzehnten momentan wenig gelingen. Lars Stindl und Thorgan Hazard, beide wochenlang verletzt, fehlt es noch an Rhythmus, Ex-Herthaner Raffael scheint in Gedanken bei seiner hochschwangeren Frau zu sein. Das Trio, das 18 von 30 Gladbacher Toren erzielte, blieb zuletzt harmlos. Dazu kommen die Ausfälle der Sechser Christoph Kramer (Innenbandriss im Knie) und Tobias Strobl (gesperrt).

4. Erfahrung. „Vor einem Jahr haben wir eine schlechte Rückrunde gespielt“, sagt Dardai, „damals waren wir am Ende ängstlich und gehemmt. Dieses Jahr ist das eine ganz andere Hertha.“ Die Ausgangssituation, der Druck – das alles haben die Spieler in der Vorsaison schon erlebt. Jetzt müssen sie zeigen, dass sie daraus gelernt haben.

5. Restprogramm. Mit einem Sieg würde Gladbach den Rückstand auf Hertha auf vier Punkte verkürzen. Aber: Das Restprogramm der Borussia hat es in sich – auf Köln (6.) und Hoffenheim (3.) folgt der BVB (4.). Selbst wenn die Fohlen kräftig punkten, schwächen sie zumindest Herthas Konkurrenz.

6. Verbesserte Reisebedingungen. Weil der Terminplan in der englischen Woche eng gesteckt ist, gönnt sich Hertha zur An- und Abreise (beides Mittwoch) einen Charterflieger. „Das ist sehr teuer, danke an den Manager“, schmunzelt Dardai, „jetzt müssen wir aber auch Leistung bringen, sonst reisen wir nächstes Mal mit Pferd und Kutsche an.“ Einer kann den Komfort jedoch nicht genießen: Linksverteidiger Marvin Plattenhardt fällt wegen der Folgen einer Mittelohrentzündung doch aus, nachdem er es zunächst versucht hatte. Ihn ersetzen soll der junge Jordan Torunarigha (19).