Gegen die Borussia setzte es zuletzt stets derbe Niederlagen. Nun im Topspiel wird Herthas Trainer Pal Dardai etwas Neues ausprobieren.
Er kam nicht in den Schlaf. Bis 1.30 Uhr in der Nacht lag Pal Dardai wach, und selbst danach dauerte die Ruhe nicht lange an. Schon ab 4.30 Uhr kreisten die Gedanken erneut: „Ich habe gegrübelt und nach Lösungen gesucht“, erzählte Herthas Cheftrainer.
Fast sieben Monate liegt diese Episode nun zurück. Ereignet hat sie sich nach dem krachenden 0:5 gegen Borussia Mönchengladbach, gegen das Team also, das die Berliner am Freitag (20.30 Uhr) im Olympiastadion empfangen.
Gerne denkt Dardai nicht daran zurück. Aber schlaflose Nächte, nein – die plagen den Ungarn momentan noch nicht. Als Gladbach am Dienstagabend in der Champions League spielte, brach er die Gegnerbeobachtung schon nach der ersten Halbzeit ab. „Danach bin ich schlafen gegangen“, sagte er, so wie er immer früh ins Bett gehe. Damit verpasste er zwar, wie die Fohlen gegen Celtic Glasgow den 1:1-Endstand kassierten, aber immerhin keine großartige Erkenntnisse darüber, wie man die Borussia knackt. Der Ausgleich fiel vom Elfmeterpunkt, ein anderes Rezept hatte auch Celtic nicht gefunden.

Langkamp und Plattenhardt fallen weiterhin aus
Die große Frage, die Dardai umtreibt, sie bleibt also bestehen: Wie ist diesen Gladbachern bloß beizukommen? Bislang hat der Hertha-Coach ja für jeden Gegner eine wirkungsvolle Lösung entwickelt. Klammert man die Übermacht Bayern München aus, konnte sein Team gegen sämtliche Konkurrenten der Liga bestehen, auch gegen die großen Namen. Leverkusen wurde bezwungen, Schalke gar zweimal, Wolfsburg und Dortmund jeweils ein Punkt abgetrotzt. Nur gegen Gladbach ging Hertha regelrecht unter.
Aus Borussen-Sicht sind die Berliner inzwischen ihr Lieblingsgegner. Fünf Siege aus den vergangenen fünf Duellen – gegen keinen Bundesligisten fällt die Bilanz besser aus. Aus Dardais Perspektive erscheinen die Ergebnisse indes wie eine Mischung aus Albtraum und Horrorfilm. Das 1:4 in der Hinrunde 2015/16 war die höchste Pleite seiner Trainer-Karriere. Bis zum besagten 0:5 in der Rückrunde. Noch ist es ihm nicht gelungen, Gladbach zu dechiffrieren.
„Da ich erstmal ratlos bin, gehe ich schnell in die Kirche“, scherzte Dardai am Mittwoch, „vielleicht haben wir dann Glück, dass wir diesmal nicht so viele Tore kassieren.“
Das allein wird freilich nicht reichen. Damit der Fußballgott hilft, bedarf es bekanntlich vorausgehender Selbsthilfe. Jene sieht Dardai nahen, wenngleich er weiterhin auf die Hälfte seiner Abwehr verzichten muss. Nach Sebastian Langkamp (muskuläre Probleme) meldete sich am Mittwoch auch Linksverteidiger Marvin Plattenhardt (Faserriss in der Hüftmuskulatur) ab. Dafür stehen jedoch neue Alternativen parat. „Wir haben zwar das gleiche Personal wie zuletzt gegen Hoffenheim zur Verfügung“, sagte Dardai, „aber wir werden es anders mischen.“
Youngster Mittelstädt bekommt seine Chance
Statt des erfahrenen Peter Pekarik (29) wird am Freitag der junge Maximilian Mittelstädt (19) hinten links auflaufen. Anders als Pekarik, als Rechtsverteidiger auf dieser Position eine Notlösung, ist Mittelstädt Linksfuß, wodurch sich Dardai auf der linken Seite mehr Impulse im Spiel nach vorne erhofft.
Daneben wird er auch das Abwehrzentrum umbauen. Fabian Lustenberger, der bei seinem Comeback in Hoffenheim den Job des Innenverteidigers übernahm, kehrt auf seinen angestammten Platz im defensiven Mittelfeld zurück. Er tauscht den Platz mit Sechser Niklas Stark. Ein Rollenwechsel mit Win-win-Charakter.
Lustenberger, inzwischen wieder in Vollbesitz seiner Kräfte, kann sein gutes Spielverständnis am besten im Mittelfeld ausspielen; Stark mit seiner Größe (1,89 Meter) und Kopfballstärke besser die Abwehr stabilisieren. Wie Dardai diesmal den noch gesperrten Spielmacher Valentin Stocker ersetzen wird, ließ er hingegen offen. Im Training durfte sich zunächst Salomon Kalou in der Offensiv-Zentrale beweisen. So viel zur Selbsthilfe.
Nun ist nicht restlos geklärt, wie eng der Fußballgott mit den Ansetzern der Bundesliga in Verbindung steht. Fakt ist aber: Hertha bekommt tatsächlich Hilfe von oben. „Ich weiß nicht, was sie sich dabei gedacht haben, einen Champions-League-Teilnehmer am Freitag spielen zu lassen“, zürnte Gladbachs Sportdirektor Max Eberl, „aber ich finde das äußerst unglücklich.“ Eine Beschwerde, für die sein Berliner Pendant Michael Preetz „auf jeden Fall Verständnis“ hatte.
Borussen-Manager Eberl klagt über die Ansetzung der DFL
Gladbachs knappe Regenerationszeit könnte sich für Hertha als Vorteil erweisen. So wie die Heimstärke (die Berliner haben alle vier Partien dieser Saison im Olympiastadion gewonnen), die wunderbar mit der Gladbacher Auswärtsschwäche zu korrespondieren scheint (das 4:1 in Berlin im Oktober 2015 war der vorletzte Sieg in der Fremde). Auch deshalb schöpft Dardai wohl Mut. „Wir werden versuchen, unsere Linie genauso durchzuziehen wie immer“, sagte er, „nur hoffe ich, dass es endlich mal zu einem Sieg reicht.“ Damit der Gladbach-Horror endlich ein Ende hat.