Hertha BSC

Wie John Brooks die Zukunft einholt

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Jörn Lange

Foto: Ottmar Winter

John Brooks hat sich bei Hertha vom Talent zum Stammspieler entwickelt. Die Frage ist nur: Wie weit wird sein Weg in Berlin noch gehen?

Berlin.  Er kann es nicht mehr hören. Bei der Frage, wie ihm die Vergleiche mit Jerome Boateng gefallen, winkt John Brooks gleich ab: „Ach Gott“, stöhnt Herthas Abwehrspieler – das schon wieder. Dabei sind die Parallelen ja nicht zu leugnen, auch wenn Brooks (23) und den Weltmeister von Bayern München (28) ein paar Jährchen trennen. Zwei Berliner Jungs, beide gute 1,90 Meter, beide in der Innenverteidigung zuhause und geformt in Herthas Jugendabteilung.

Also gut. „So oft wie ich den Vergleich gehört habe, wird schon etwas dran sein“, sagt Brooks schließlich. Klar sei Boatengs Karriere ein Vorbild, wer würde nicht gerne zu den weltweit Besten seines Fachs gehören? Nicht mehr, nicht weniger. Sollen doch andere seine Laufbahn extrapolieren. Brooks will sich lieber auf sich konzentrieren. Auf das Hier und Jetzt.

Dabei schwingt bei seinem Namen ja immer auch ein Hauch Zukunft mit, schon seit Teenager-Tagen. Brooks’ Mix aus starker Physis und fußballerischem Talent – zumal als Linksfuß – findet sich schließlich selten. Das weiß auch Jürgen Klinsmann, sein Trainer beim US-Nationalteam. Der verglich ihn im Mai mit „dem jungen Per Mertesacker“, ehe er ihn im Sommer bei der Copa America erneut in die Schlagzeilen hievte: Mit überragenden Leistungen wie im Viertelfinale gegen Ecuador, schaue „ganz Europa“ auf den Berliner.

Klinsmann sieht den Berliner für Höheres bestimmt

An seinen besten Tagen, so wie gegen Ecuador, scheint Brooks die Zukunft bereits eingeholt zu haben. Dann steht der Mann, der seine Tweets mit dem Hashtag „#wallofbrooks“ versieht, in der Abwehr tatsächlich wie eine unüberwindbare Mauer.

Daneben existiert aber auch der andere John Brooks, der, dem an schwächeren Tagen noch fehlenden Konzentration und Konstanz innewohnt, der nachlässig agiert und Gegentore verschuldet. Nur gesichtet wird dieser John Brooks immer seltener bei Hertha.

Auch beim Medientermin am Dienstag wirkt Brooks – ganz in schwarz, aber mit strahlend weißem Lächeln – nicht unsicher, obwohl er sonst den Kontakt mit den Journalisten scheut. „Ich bin nun mal kein Mann großer Worte“, sagt er knapp, ehe er zwar kurze, aber fast druckreife Antworten gibt.

Beständigkeit statt Wellentäler

Am häufigsten fällt dabei das E-Wort: Entwicklung. „Mein Weg war nicht immer einfach“, sagt Brooks. Er hat sie nicht vergessen, die Wellentäler, die er bei Hertha erlebt hat. Ex-Coach Jos Luhukay verpasste dem aufstrebenden Profi Denkzettel in Serie, wechselte ihn mehrfach schon Mitte der ersten Halbzeit aus. „Das war wirklich bitter“, gibt Brooks zu. Aber: Er ist daran gewachsen.

Heute hat bekanntlich Pal Dardai das sportliche Sagen, er ist ein großer Förderer des Verteidigers. Aber auch ein Forderer. Defensiv, sagt Dardai, sei Brooks immer eine Verstärkung, im Spiel nach vorne könne er indes noch zulegen. Tatsächlich liegt sein bislang letztes Tor fast ein Jahr zurück, und die langen Diagonalpässe, die in seinem linken Fuß stecken, kommen noch längst nicht mit der Häufigkeit und Präzision wie bei Boateng.

Preetz kann sich vorstellen, dass er mal Kapitän wird

„Der Trainer gibt mir zu 100 Prozent das Vertrauen“, sagt Brooks, „das hilft mir.“ Dabei ist es mittlerweile immer häufiger er selbst, der Kollegen hilft. Die Zeiten, in denen er einen stabilen Nebenmann benötigte, sind passé. Inzwischen hat sich Brooks stabilisiert, er hat die besten Zweikampf- (64,5 Prozent) und Passquoten (88,2 Prozent) aller Herthaner.

Wer ihn im Spiel oder beim Training beobachtet, sieht ihn daher immer häufiger als Führungskraft. Brooks dirigiert, lenkt, coacht – wird auch laut, wenn es sein muss. „Ich muss jetzt Verantwortung übernehmen“, sagt er, „und wenn man in der letzten Reihe steht, gehört es dazu, dass man den Mund aufmacht.“

Für Michael Preetz eine logische Entwicklung. Der Manager sieht Brooks als Führungsspieler der Zukunft, traut ihm langfristig dann sogar das Kapitänsamt zu. Anfang des Jahres gelang es ihm, das Eigengewächs nach langen Verhandlungen bis 2019 zu binden.

Regeneration bei minus 175 Grad Celsius

Ein beidseitiges Bekenntnis, wohlwissend, dass Brooks langfristig von einer Zukunft bei einem großen Premier-League-Klub träumt. Mit einem Angebot des bestenfalls mittelprächtigen FC Watford, der einen zweistelligen Millionenbetrag bot, beschäftigten sich im Sommer aber weder Klub noch Spieler.

Stattdessen hat Brooks sein Leben weiter professionalisiert. Im Juni lernte der Berliner beim US-Nationalteam eine sogenannte Cryosauna kennen, eine Röhre, in der bis zu minus 175 Grad Celsius herrschen. Drei bis vier Mal pro Woche steigt er nun auch in Berlin kurz in die futuristische Alternative zur Eistonne – zur besseren Regeneration. „Ich fühle mich danach einfach gut“, sagt er. So wie bei Hertha. Noch hat er vieles vor mit den Berlinern. „Hier entsteht gerade etwas“, sagt Brooks, „und wir sind längst nicht am Ende.“