Hertha BSC

Salomon Kalou und der Triumph des Glaubens

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Jörn Lange
Gegen Frankfurt traf Salomon Kalou (r.) zum 2:0, nachdem er zuvor das 1:0 durch Mitchell Weiser für Hertha vorbereitet hatte. Der Ivorer war an fünf der sieben Rückrundentreffer der Berliner beteiligt

Gegen Frankfurt traf Salomon Kalou (r.) zum 2:0, nachdem er zuvor das 1:0 durch Mitchell Weiser für Hertha vorbereitet hatte. Der Ivorer war an fünf der sieben Rückrundentreffer der Berliner beteiligt

Foto: Boris Streubel / Bongarts/Getty Images

Salomon Kalou hat Hertha BSC zurück in die Erfolgsspur geführt – und das nicht nur mit seinen Toren.

Pal Dardai hatte sein schelmischstes Grinsen aufgesetzt. „Den Klassenerhalt“, sagte der Hertha-Coach am Donnerstagvormittag, „haben wir jetzt geschafft.“ Und weil das nun mal das erklärte Saisonziel gewesen sei, „packen wir im Trainerstab jetzt die Koffer und machen Urlaub“. Ein kleiner Scherz, der einerseits ziemlich gut zur unbeschwerten Stimmung nach dem 2:0 (0:0) gegen Eintracht Frankfurt passte, zugleich aber einen ernsten Hintergrund hatte.

Es war Dardais vorweggenommene Antwort auf die Frage, die er nicht beantworten möchte. Wenn das erste Ziel erreicht ist, Herr Dardai, wie lautet dann eigentlich das neue? Das Wort „Europa“, es wollte dem Ungarn nicht über die Lippen kommen.

Seine Spieler waren am späten Mittwochabend deutlich lockerer mit dem Thema umgegangen. Ob Torschütze Mitchell Weiser oder Spielmacher Vladimir Darida – nach wochenlangen „Wir denken von Spiel zu Spiel“-Parolen bändelten sie in den Katakomben des Olympiastadions erstmals verbal mit dem internationalen Wettbewerb an. Nur ein einziger Berliner Profi hatte schon Anfang November von höheren Sphären geträumt. Der, der gegen Frankfurt mit einem Treffer und einer Torvorlage zum spielentscheidenden Mann wurde: Salomon Kalou.

Für Trainer Dardai ist der Ivorer ein „Ausnahmespieler“

„Salomon“, sagt Per Skjelbred, „ist der Chef.“ Eine Aussage, die man einordnen muss, denn ein Lautsprecher alter Schule ist der 30-jährige Ivorer gewiss nicht. Kalou gewann neben sieben weiteren Titeln auch die Champions League (2012) und den Afrika Cup (2015), hat seine Bodenhaftung aber nie verloren. Das, was Skjelbred meint, ist die gesunde Mischung aus Selbstvertrauen und Gelassenheit. „Er hat immer noch Hunger“, sagt der Norweger, „und er spielt immer mit Herz.“

Genau daran hatten sie bei Hertha ja eine Weile ihre Zweifel. Nur sechs Tore brachte der hochdekorierte Angreifer in seiner ersten Saison zustande, im Abstiegskampf blieb er elf Partien lang ohne Treffer. Am vorletzten Spieltag, auch damals hieß der Gegner Eintracht Frankfurt, vergab er das Siegtor, weil er den Ball nicht einfach am Torwart vorbeischob, sondern sich freistehend an einem Lupfer verhob.

Ging es um Kalou, schwang fortan immer auch ein Bruder-Leichtfuß-Image mit. In der Sommervorbereitung zählte Dardai ihn gar an. Langsam, sagte der Coach im Trainingslager, könne er den Ärger über Kalou nicht mehr herunterschlucken. Zu wenig Aggressivität, zu viel Phlegma. Das Vertrauen, es stand bedenklich auf der Kippe.

Zweitbeste Torquote aller Topstürmer der Bundesliga

Mittlerweile scheint dieses Szenario weiter entfernt als Kalous Geburtsort in der Elfenbeinküste. „Salomon“, sagt Dardai, „hat diese Ausnahmemomente drauf, die es manchmal braucht.“ So wie am vergangenen Freitag in Köln, als er das Siegtor für Vedad Ibisevic vorbereitete. Oder gegen Frankfurt, als er erst die Vorarbeit für Weiser leistete (63.) und später selbst traf (78.).

Trotz der fehlenden Tore in der Vorsaison, trotz der Kritik: Verrückt machen ließ sich Kalou nie. Im zweiten Jahr bei einem neuen Klub laufe es bei ihm immer besser als im ersten, sagte er im Sommer. Der Glaube in die eigenen Fähigkeiten scheint bei Kalou unerschütterlich, und er scheint ihn stark zu machen. Sein persönliches Ziel, „mindestens zwölf Bundesligatore“, hat er Mittwoch spielerisch erreicht.

„Salomon“, sagt Dardai, „hat uns aus der Unentschieden-Phase rausgeführt“. Nach vier Remis und einer Niederlage schien die Berliner Traumsaison im Jahr 2016 ja zunehmend zu zerbröseln. Nun aber steht Hertha nach sieben Rückrundenspielen mit zehn Punkten da. In der Hinserie waren es zum gleichen Zeitpunkt elf. Der Vorsprung auf Rang sieben, der sehr wahrscheinlich zur Europa-League-Teilnahme berechtigt, beträgt beträchtliche sieben Punkte. Auch dank Kalou.

50. Bundesligaspiel für den Afrikaner gegen den HSV

Beim Hamburger SV wird der Angreifer am Sonntag (17.30 Uhr) sein 50. Bundesligaspiel absolvieren. Ein besonders zweikampfstarker Stürmer ist er zwar immer noch nicht (44,75 Prozent), dafür aber einer mit herausragender Treffsicherheit. Knapp 30 Prozent seiner Abschlüsse landen im Tor. Nur Werders Routinier Claudio Pizarro (37) weist unter den Top-Stürmern eine bessere Quote auf.

„Beobachtet, wie sich Salomon bewegt“, hat Dardai seinen Spielern mit auf den Weg gegeben. „Dass wir oben mitspielen, ist für ihn kein Stress, sondern Motivation.“ Selbstvertrauen und Gelassenheit. Salomon, der Chef.

Längst ist er unverzichtbar. Gegen Frankfurt ließ Dardai sogar seinen Kapitän Fabian Lustenberger auf der Bank, weil er unbedingt Kalou als zweite Spitze aufbieten wollte und die Statik des Berliner Spiels gefährdet sah. Eines wollte der Trainer jedoch keinesfalls: Den Sieg gegen Frankfurt als Kalou-Show verstanden wissen. Das gesamte Team habe hart gearbeitet und sich dadurch einen „Tick vom Fußballgott“ verdient. Auch dabei galt: Erfolg ist mitunter eine Glaubensfrage.