Bundesliga

Wie Hertha vom doppelten Ibisevic profitiert

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Jörn Meyn und Uwe Bremer
Vedad Ibisevic kam im vergangenen Sommer ablösefrei aus Stuttgart zu Hertha und hat nun in 16 Pflichtspielen bereits acht Tore erzielt (sechs in der Liga, zwei im Pokal)

Vedad Ibisevic kam im vergangenen Sommer ablösefrei aus Stuttgart zu Hertha und hat nun in 16 Pflichtspielen bereits acht Tore erzielt (sechs in der Liga, zwei im Pokal)

Foto: Daniel Maurer / dpa

Stürmer Vedad Ibisevic hält Herthas Pokaltraum am Leben und trifft nun auf den VfB Stuttgart – den Klub, der ihn weiterhin bezahlt.

Stuttgart.  Jürgen Kramny fuhr es in die Glieder. Der Trainer des VfB Stuttgart saß am Mittwochabend auf der Tribüne der Heidenheimer Arena, in der einem die nasse Kälte von unten in die Beine kroch. Er wollte sehen, wie sich sein nächster Gegner anstellt. Nun ja, der schaffte Historisches: Hertha BSC besiegte den Zweitliga-Achten 1.FC Heidenheim mit 3:2 und steht erstmals seit 35 Jahren wieder im DFB-Pokal-Halbfinale. Am 19. oder 20. April begrüßt der Hauptstadtklub Borussia Dortmund im Olympiastadion. Zuvor aber geht es am Sonnabend (15.30 Uhr) gegen den VfB Stuttgart in der Liga.

Ob ihm bange sei, dass Kramny seine Elf ausspioniert habe, wurde der Berliner Trainer Pal Dardai gefragt. „Ich war am Dienstag beim Spiel Stuttgart gegen den BVB. Ich habe die also auch ausspioniert“, antwortete der Ungar. Allgemeines Gelächter. In Berlin sind sie gerade mächtig gut gelaunt. Es ist ja nicht nur das erste Pokal-Halbfinale seit 1981 und das Fortbestehen des großen Traums vom Finale im eigenen Stadion. Es ist gefühlt das erste Pokal-Heimspiel seit 35 Jahren.

Vierter Doppelpack im 16. Pflichtspiel

Kramny dagegen fand in Heidenheim wenig Grund zum Lachen. Er sah eine Hertha, die bis auf zwei untypisch dusselige Patzer in der Defensive eines Bundesliga-Dritten würdig auftrat. Er sah dazu auch einen Stürmer, der wieder einmal doppelt traf. Und wie die Kälte von unten dürfte die Erkenntnis beim VfB-Trainer nach oben gestiegen sein: Dieser Vedad Ibisevic hätte am Sonnabend nicht gegen ihn, sondern für ihn auf Torejagd gehen können.

Der Bosnier erzielte in Heidenheim in seinem 16. Pflichtspiel für Hertha schon den vierten Doppelpack. „Dafür muss man geboren sein“, sagte Dardai. „Von mir hat er das jedenfalls nicht.“ Schon 14 Mal hat Ibisevic in seiner Bundesligakarriere für Aachen, Hoffenheim, Stuttgart und nun Hertha zweifach in einem Spiel getroffen. In seiner Pokalbilanz stehen nun bereits drei Doppelpacks. „Von mir aus könnte das öfter klappen“, sagte Ibisevic, sah sich aber nicht als Mann des Tages. Der 31-Jährige tritt neben dem Rasen oft so euphorisiert auf wie ein Berufsschullehrer am Montagmorgen.

Das kann auch mit seinen zuletzt unschönen Erfahrungen zu tun haben: Noch bis zum Sommer war Ibisevic Stürmer des VfB Stuttgart. Und zwar, so hört man aus verlässlichen Quellen, eigentlich der beste im Kader der Schwaben in der Vorbereitung. Aber Kramnys Vorgänger auf der VfB-Trainerbank, Alexander Zorniger, durfte ihn nicht aufstellen: Mit 3,5 Millionen Euro im Jahr war Ibisevic der Großverdiener und sollte unbedingt von der Gehaltsliste des zum Sparen gezwungenen Klubs gestrichen werden. Also musste das bundesweit wahrnehmbare Signal versendet werden: Ibisevic hat in Stuttgart keine Zukunft mehr.

Stuttgart zahlt 60 Prozent des Gehalts

Bei Hertha allerdings war es auch nicht so, wie es nun gern gesehen wird: Dass man bei der Stürmersuche kurz vor Transferschluss im August dankend zugriff, weil da plötzlich ein Torjäger alter Schule für wenig Geld zu haben war. Nein, auch bei einigen Verantwortlichen der Berliner brauchte es etwas Überzeugungsarbeit, bis man sich für Ibisevic entschied. Der hatte nämlich einen Rüpelruf. Förderlich war letztlich, dass der VfB am Ende nicht nur auf eine Ablöse verzichtete, sondern nach Morgenpost-Informationen auch dazu bereit war, 60 Prozent von Ibisevics Gehalt bis Ende seiner Vertragslaufzeit 2017 weiter zu zahlen.

Was die Vorliebe für zwei Tore in einem Spiel angeht, wird sich in Stuttgart am Sonnabend also ein zweifacher Ibisevic auf dem Rasen herumtreiben. Aber er ist auch ein Stürmer, der kurioserweise von beiden Klubs gleichzeitig finanziert wird.

In Berlin hat Ibisevic im Herbst seiner Karriere noch einmal ein erfolgreiches Kapitel begonnen. Einen Spieler wie ihn hatten sie in diesem chronisch zu braven Team nicht. Ibisevic ist einer der letzten Unangepassten des deutschen Fußballs. „Er tut dem Gegner weh“, sagte Herthas Manager Michael Preetz.

Der Bosnier kennt die Atmosphäre im Pokalfinale

Aber Ibisevic tut auch Herthas Mannschaft gut. Er ist der Einzige im Team, der schon einmal da war, wo die Hauptstädter hinwollen: im Pokalfinale. 2013 verlor er mit dem VfB gegen den FC Bayern nur knapp 2:3 und sagte nun: „Das ist eine ganz besondere Atmosphäre, für die es sich zu kämpfen lohnt.“

Was er denn am 21. Mai, dem Finaltag in Berlin, machen werde, fragte man Ibisevic: „Noch habe ich nichts vor“, sagte er und schaute dabei wie einer, der nicht nur im Strafraum ein Schlawiner ist. Zuvor aber muss im April der BVB aus dem Weg geräumt werden. Preetz sprach von einem „tollen Los für die Fans“. Nach vier Zweitligisten bisher im Pokal wartet im Halbfinale der nach den Bayern schwerste Brocken.

Und Stuttgart? Über seine erste Rückkehr zum VfB am Sonnabend wolle er nicht sprechen, sagte Ibisevic, und seine Miene verfinsterte sich. Da sind dann doch noch ein paar alte Rechnungen nicht beglichen.