Berlin. Es immer schlecht, wenn man von einer Rumpftruppe sprechen muss. Ist nur der Rumpf da, fehlen schließlich Kopf und Gliedmaßen, und damit lässt es sich nun einmal nicht gut vorankommen. Aber bei Hertha BSC können sie es im Moment nicht ändern: Wenn die Berliner an diesem Sonntag um 14.30 Uhr auf dem Schenckendorffplatz in die Vorbereitung auf die neue Bundesliga-Saison starten, wird nur der halbe Kader anwesend sein.
Lediglich 15 bis 16 Profis werden gemeinsam mit Trainer Pal Dardai den Rasen betreten. Die Nationalspieler um Valentin Stocker und Salomon Kalou sind noch bis zum 6. Juli im Urlaub. Julian Schieber und Änis Ben-Hatira fehlen weiter verletzt. Und von den erhofften neuen Spielern wird nur Mitchell Weiser vorstellig werden.
Widmayer mit Einjahresvertrag
Aber das passt ja auch irgendwie zum aktuellen Stand der Planung für das neue Spieljahr. Bisher muss man diese ebenso noch als eine Rumpfplanung bezeichnen, weil viele Fragen unbeantwortet sind. Da ist die Kaderzusammenstellung. Wer soll kommen, wer gehen? Und dann ist da auch noch das Trainerteam, bei dem zwar eine Menge in Bewegung ist, aber was den Kopf des Ganzen angeht ist ebenso einiges ungeklärt. Herthas Trainingsstart in die Spielzeit 2015/16 ist ein Aufbruch ins Ungewisse. Aber beginnen wir hinten.
Die zweitwichtigste Personalie im Team ist im Stillen erledigt worden, ohne dass der Verein dies öffentlich gemacht hätte. Co-Trainer Rainer Widmayer hat endlich einen Vertrag unterschrieben. Dass das so kommen würde, stand lange fest. Aber Vollzug wurde nicht gemeldet.
Nach Informationen der Morgenpost hat Widmayer nun einen Kontrakt über ein Jahr mit Option für weitere zwölf Monate unterzeichnet. Trotz der nachgewiesenen Qualitäten des 48-Jährigen braucht die kurze Laufzeit niemanden zu überraschen: Sie lehnt sich an der des Vertrages seines Cheftrainers an. Dardai hat, anders als kolportiert, keinen unbefristeten Cheftrainer-Vertrag unterschrieben. Auch dieser ist zunächst lediglich auf ein Jahr begrenzt.
Zsolt Petry löst Richard Golz als Torwarttrainer ab
Dass liegt daran, dass der Gang mit Dardai in die neue Saison ein Wagnis für Hertha ist. Der Ungar hat geschafft, was sie ihm im Februar aufgetragen hatten: In einer schwierigen Gemengelage konnte er den Klub vor dem Abstieg retten. Der 39-Jährige hat sich erarbeitet, dass man ihn weitermachen lässt.
Aber die Frage, ob Dardai auch in der Lage ist, ein Team zusammenzustellen und durch eine gesamte Saison zu lotsen, kann trotz aller Verdienste als Rekordspieler und Retter im Moment niemand seriös beantworten.
Manager Michael Preetz vertraut seinem alten Mannschaftskollegen vorerst und baut das Team nach dessen Wünschen um: Am Sonnabend verkündete der Verein, dass man sich von Torwarttrainer Richard Golz trotz des noch bis 2016 laufenden Vertrages getrennt habe – „einvernehmlich“, wie es in einer Klubmitteilung hieß. Golz wird damit zitiert, dass er seine berufliche Zukunft „auf einer anderen Ebene“ sehe.
Dardai soll Engagement in Ungarn aufgeben
Das klingt, als hätten alle bekommen, was sie wollten, aber ganz so war es nicht. Für Golz bekommt Dardai nun einen Vertrauten an seine Seite: Zsolt Petry, 48, Torwarttrainer der ungarischen Nationalelf und zuletzt bei der TSG Hoffenheim angestellt.
Vertraute sind Petry und Dardai, weil Letzterer neben Hertha auch die Auswahl der Ungarn trainiert. Und das ist der nächste Punkt, der bisher ungeklärt blieb: Hertha hat die Option, das Engagement Dardais beim ungarischen Verband zu beenden. Preetz will das so, weil das im Interesse des Vereins ist.
Das Problem ist nur, dass Dardai das offenbar anders sieht. „Wer mich kennt, weiß, dass ich gern beende, was ich angefangen habe“, sagte er neulich, und das heißt, dass er die EM-Qualifikation plus möglicher Relegationsspiele im November gern noch absolvieren möchte. Preetz sagt, er werde sich im Juli mit Dardai zusammensetzen, um eine Entscheidung zu fällen.
Wunschspieler Balazs Dzsudzsak
Kommen wir zum Kader: Weiser, 21, ist bisher der einzige Neue. Der Mittelfeldspieler kam ablösefrei vom FC Bayern und verspricht, eine Verstärkung zu werden. Aber Verstärkung hat Hertha auch auf vielen anderen Positionen nötig: Nach dem Abgang von John Heitinga (Ajax Amsterdam) wird ein neuer Innenverteidiger gesucht.
Zudem fahndet Preetz weiter nach flinken Flügelspielern, denn er und Dardai haben fehlende Schnelligkeit im Kader ausgemacht. Dardais Wunschspieler ist Balazs Dzsudzsak, 28, Kapitän der ungarischen Nationalelf und ein ziemlich kostspieliger Profi, der noch bis Ende des Jahres bei Dynamo Moskau unter Vertrag steht. Bei ihm geht es darum, Ablöse und Gehalt zu drücken.
Ein neuer Stürmer soll kommen
Dazu sucht Hertha einen Spielgestalter. Die Kreativabteilung war die Schwachstelle in der Vorsaison. Nach Morgenpost-Informationen schaut Hertha sich darüber hinaus noch nach einem neuen Stürmer um, obwohl Sami Allagui nach seiner Ausleihe aus Mainz zurückkehrt. Preetz und Dardai werden bis zum 31. August, dem Ende der Transferperiode, am Kader basteln.
Das liegt auch daran, dass Spieler abgegeben werden müssen, um Geld für Neue zu haben: Der erste Streichkandidat ist der Brasilianer Ronny. Zudem würde man Sandro Wagner, Peter Niemeyer, Rune Jarstein und Johannes van den Bergh gern ziehen lassen. Auch Ben-Hatira wurde mitgeteilt, dass er gehen darf. Aber bisher hat neben Heitinga nur Marcel Ndjeng (Paderborn) den Klub verlassen. Auch hier ist eine Menge ungewiss bei Hertha.
In rund 40 Tagen steht das erste Pflichtspiel im DFB-Pokal bei Arminia Bielefeld an. Eine Woche später beginnt die neue Bundesliga-Saison auswärts gegen den FC Augsburg.