Pal Dardai trifft mit Hertha auf Borussia Mönchengladbach und den Mann, der ihm den Weg in seine Trainerkarriere gezeigt hat: Lucien Favre. Auch dessen Spielstil hat sich der Berliner Coach abgeschaut.

Vorbilder. Wer redet schon gern darüber? Das Problem ist nämlich, dass man damit nicht nur ein Ideal benennt, wie man sich das in der Zukunft so vorstellt. Man hält sich auch selbst an die Vergleichsgröße heran. Und meistens sieht man daneben klein aus.

Pal Dardai, Sohn eines ungarischen Fußballlehrers, nennt Hans Meyer (bei Hertha BSC 2004) und Erwin Koeman (bei der ungarischen Nationalelf 2008-10), unter denen er selbst spielte. Sie seien Vorbilder, weil sie zwar hart, aber immer ehrlich gewesen seien, sagt Dardai. So will der 39-Jährige, da er nun selbst bei Hertha das sportliche Abschneiden des Profiteams verantwortet, auch arbeiten.

Aber zwischen Meyer und Koeman fällt noch ein anderer Name: „Lucien Favre war auch so“, sagt Dardai. Favre, Dardais Trainer bei Hertha von 2007 bis 2009, ist also unter denen, die dieser als Orientierungshilfe nennt. Man könnte aber auch sagen, dass Favre eigentlich nach ganz vorn gehört: Denn ohne ihn hätte es den Weg, den Dardai seit Ende seiner Profikarriere 2011 eingeschlagen hat, so womöglich niemals gegeben.

Zunächst zu den Kindern

Im Herbst seiner Spielerlaufbahn sprachen Dardai und Favre über das Trainersein. Der Schweizer empfahl: „Pal, gehen Sie erst einmal zu den Kindern! Da können Sie sehr gute Erfahrungen sammeln.“ Favre hatte damit nämlich selbst gute Erfahrungen gemacht: Nach seiner Profikarriere in der Schweiz arbeitete er 1991 zunächst als Assistenztrainer in der C-Jugend des FC Echallens.

Ein Jahr später übernahm er sie als Cheftrainer und wenig später das Männerteam, mit dem er direkt in die Nationalliga B aufstieg. Das war der Ursprung seiner Trainerlaufbahn, die ihn später über Genf, Zürich und Berlin nach Mönchengladbach führte.

Mit Borussia trifft Favre am Sonntag auf Hertha BSC (17.30 Uhr/im Liverticker bei immerhertha.de) im Olympiastadion und seinen ehemaligen Spieler Dardai als Kollegen an der Seitenlinie, weil dieser den Rat des heute 57-Jährigen damals befolgte. Dardai ging als Trainer tatsächlich zunächst zu den Kindern, ebenfalls in die C-Jugend, die bei Hertha U15 heißt. Seit Februar ist er Chefcoach des Bundesligateams und sagt über das Wiedersehen mit Favre: „Ich habe von ihm sehr viel gelernt, besonders im taktischen Bereich. Es ist ein besonderes Verhältnis.“

Dardai: „Ich habe sehr viel von Favre gelernt“

Wenn man wie Dardai Spieler war und dann sehr schnell auch Trainer in der Bundesliga wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man dort die eigenen alten Trainer wiedertrifft. Bei Dardai war das bereits so. Neulich ging es gegen Huub Stevens auf der Bank des VfB Stuttgart, unter dem Dardai ebenfalls bei Hertha trainierte (2002-03).

Aber Favres Einfluss auf Dardai war ein viel größerer. Favre hob Hertha auf ein nie da gewesenes taktisches Niveau, tüftelte, verbesserte ständig und belehrte seine Profis. Damit verprellte er bei Hertha irgendwann die meisten Führungsspieler, was letztlich auch einer von mehreren Gründen für seinen Niedergang und Rausschmiss in Berlin 2009 war.

Aber Dardai empfand das anders. Der damalige Mittelfeldspieler, der unter Favre 55 Bundesliga-Spiele bestritt, verstand das Belehren nicht als Beleidigung der eigenen Qualitäten, sondern als Bereicherung. Er wollte sich entwickeln und den Fußball besser verstehen. Daher sagt Favre heute über Dardai: „Ich wusste, dass er einmal Trainer werden würde. Man konnte sich mit ihm gut über Fußball unterhalten. Er hat immer sehr gut verstanden, was ich als Trainer von ihm wollte.“

Gladbachs Max Kruse vor dem Abgang

Neben Lucien Favre sieht Pal Dardai noch ziemlich klein aus, wenn man das Vorbild als Vergleichsgröße heranhält. Gegen Hertha kann dem Borussen-Trainer sein 100. Sieg in der Bundesliga gelingen (in dann 220 Partien/75 für Hertha, 145 für Gladbach). Dardai dagegen steht erst noch am Anfang mit elf Partien und vier Siegen.

Aber auf der Suche nach dem Weg in eine erfolgreiche Zukunft als Trainer ist Favre auch dieses Mal nicht der schlechteste Kompass. Denn was Favre seit 2011 gelungen ist, davon träumen sie auch bei den Berlinern: den Weg von ganz unten nach ganz oben finden – und das in nur vier Jahren sowie gegen eine finanzstärkere Konkurrenz und trotz des ständigen Verlustes der besten Spieler.

Favre übernahm Borussia 2011 auf einem Abstiegsplatz und rettete sie über die Relegation vor dem Gang in Liga zwei. Ein Jahr später wurde er mit Gladbach Vierter, dann Achter, Sechster, und nun liegt er auf Rang drei und Kurs auf die direkte Champions-League-Qualifikation. Dazwischen verlor er Marco Reus, Dante, Marc-André ter Stegen und muss nun mitansehen, wie Stürmer Max Kruse nach dieser Saison wohl nach Wolfsburg wechselt.

Auch Dardai übernahm Hertha auf einem Abstiegsplatz. Auch Dardai würde gern eine Ära bei seinem Klub prägen. Dazu muss er zunächst aber den Abstieg verhindern und wählt dafür einen Stil, den schon Favre in Berlin gern spielen ließ: kompakte Defensive (nur Bayern hat derzeit weniger Tore kassiert als Gladbach/22) und schnelles Umschalten. Seit Dardai da ist, haben nur Gladbach (sechs) und Bayern (sieben) weniger Gegentore hinnehmen müssen als Hertha (acht). Dies ist Pal Dardais Weg zum Erfolg. Diesen gezeigt hat ihm auch Lucien Favre.