Als der Abstieg von Hertha BSC just Wirklichkeit geworden war, da riet der Kabarettist und Satiriker Frank Lüdecke den Berlinern zum Stadionbesuch. Nun, da „andere Zeiten“ gekommen seien, könnten „philosophisch veranlagte Menschen“ im weiten Rund des Olympiastadions ihre sinneweitende Erfüllung finden. Besonders gegen Paderborn, „vor 5000 Zuschauern“ – so hielt Lüdecke es in einer „kicker“-Kolumne im Mai vergangenen Jahres fest.
Wer will ihm den Defätismus schon verdenken, war Paderborn doch ein Synonym der Graumäusigkeit, die dem Hauptstadtklub in Liga zwei ein Jahr bevorstehen würde. Nicht zu rechnen jedenfalls war zwei Tage nach dem bitter beweinten Verweis aus der Beletage des deutschen Fußballs, dass Anfang April eine „Aktion Traumkulisse“ gegen Paderborn nicht 5000, sondern annähernd 75.000 Fußballfreunde ins damit alles andere als leere Olympiastadion locken würde. Dass sich der bei seinem Amtsantritt artikulierte Wunsch des neuen Cheftrainers Markus Babbel bewahrheiten sollte, „dass wir auch gegen Aue, Osnabrück, Paderborn und wie sie alle heißen, 60-, 70. 000 Menschen begrüßen können“. Babbels kühne Vision wird Sonntagnachmittag ab 13.30 Uhr Realität – weil die Sponsoren des Klubs ihren finanziellen Part zum Gelingen der Aktion beigetragen haben.
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Aber zu einem nicht unerheblichen Teil auch, weil Berlin seit jeher ein Faible hat für große Spiele. Und sei es nur ein solches gegen den Sportclub Paderborn, der sich mit einer kaum für möglich gehaltenen Zuschauerkulisse einreihen wird in eine Historie von legendären Partien, die im Olympiastadion stattgefunden haben.
• 14. Februar 2008, FC Bayern, 2:1
Mit einem Heimsieg vor ausverkauftem Haus Tabellenführer werden – was in Liga zwei gelingen soll, gelang Hertha in der Bundesliga zuletzt ausgerechnet gegen den FC Bayern. Es war der Anfang vom Traum von der Meisterschaft, und es war auch der Anfang der Festwochen des Andrey Voronin. Per Doppelpack erlegte der Ukrainer die Bayern im Alleingang, vom 1:0 hielt das Fachmagazin „kicker“ in seiner Analyse fest: „Außenverteidiger Lell irrte planlos umher und verließ sich zudem auf seinen Keeper Rensing, der nach ein paar Schritten nach vorne letztlich stehen blieb. Voronin kam dadurch am Fünfer völlig frei zum Kopfball und drückte den Ball per Kopf in die Maschen.“ Das 2:1-Siegtor erzielte Voronin nach einem zentimetergenauen Pass von Raffael. 74.244 Zuschauer jubelten nach Schlusspfiff über Platz eins.
• 23. November 1999, FC Barcelona 1:1
Sätze wie diese sind für sich allein genommen schon legendär. „Ist das jetzt schon der Eckball oder noch die Wiederholung?“ „Die Fans jubeln, auf der Gegenseite muss etwas passiert sein.“ „Jürgen Röber sollte seiner Mannschaft sagen, dass sie nur auf der linken Außenbahn spielen soll, damit wir wenigstens etwas sehen.“ Es sprach diese Sätze der TV-Kommentator der Partie in der Champions-League-Zwischenrunde, die 60.500 Zuschauer sehen wollten – aber des dichten Nebels wegen im Olympiastadion genau wie die Reporter kaum etwas zu sehen bekamen. „Einfach genial, wie der Torjubel sich durch das Stadion vorgetastet hat und einem dann klar wurde, dass Hertha den Ausgleich geschafft hat“, schilderte „Arzalan“ im Morgenpost Online-Blog ImmerHertha seine noch immer lebhaften Erinnerungen an das 1:1 der Berliner in der 33. Minute durch Kai Michalke.
• 7. April 1997, Kaiserslautern, 2:0
Zur „Nacht der Aufsteiger“ hatte das DSF das Topspiel am Montagabend erhoben, und obwohl da erst der 24. Spieltag anstand, sollte sich die Prognose der Programmmacher bewahrheiten: Der FCK stieg als souveräner Zweitliga-Meister auf, Hertha als Dritter punktgleich mit dem Zweiten Wolfsburg. Vor 75. 000 jubelten an diesem Aprilabend vor fast auf den Tag genau 14 Jahren aber die Berliner. Axel Kruse erzielte vor der Pause die Führung, nach dem Seitenwechsel erledigte ein Eigentor von Axel Roos den Rest – und an beiden Gegentoren attestierten die Chronisten dem in die Jahre geratenen FCK-Keeper Gerald Ehrmann zumindest eine Teilschuld. Was das Spiel aus Berliner Sicht so besonders machte: Am Ende der Aufstiegssaison hatten durchschnittlich gerade mal 17.530 Fans die Spiele im Olympiastadion sehen wollen – kaum auszudenken, wie es sich mit diesem Mittelwert ohne die Nacht der Aufsteiger verhalten hätte, an deren Ende die Massen noch lange sangen: „Nur nach Hause geh’n wir nicht…“
• 24. April 1979, Roter Stern Belgrad, 2:1
Vielleicht hat Hertha BSC nie in der Vereinsgeschichte ein größeres Spiel ausgetragen als jenes im Halbfinale des Uefa-Pokals der Saison 1978/79. Weit vor jedem Umbau in ein Stadion moderner Prägung wollten 75. 000 Zuschauer miterleben, ob die Berliner die 0:1-Hinspielniederlage – übrigens vor 100. 000 Zuschauern in Jugoslawiens Kapitale – noch würden umbiegen können. Im Endspiel sollte immerhin auf jeden Fall ein deutscher Gegner warten, entweder der MSV Duisburg oder die Borussia aus Mönchengladbach, die sich schließlich durchsetzte (und dann auch den Uefa-Pokal holte). Zur Pause war Hertha nach Toren von Erich Beer (2. Minute) und Wolfgang Sidka (18.) auf einem guten Weg, dann traf Sestic zum Endstand – der Arithmetik des Europapokals folgend, war Hertha ausgeschieden.
• 19. April 1975, Mönchengladbach 2:1
Obgleich es kaum zu glauben ist, haben sich alle Quellen auf diesen Wert festgelegt: 91. 000 Zuschauer sollen es gewesen sein, die für einen hierzulande wohl ewig gültigen Rekord sorgten, als Hertha im Frühjahr nach dem deutschen WM-Sieg im eigenen Land die Vogts, Bonhof und Stielike und Heynckes zu Gast hatte – und diese als Tabellenführer angereiste Fohlen-Elf geschlagen auf die Rückreise schickte. Der Schweizer Kurt Müller drehte per Doppelpack die Gladbacher Führung durch Stielike. Die Borussia wurde trotzdem Meister, aber Hertha feierte mit Platz zwei einen vor der Saison kaum für möglich gehaltenen Erfolg.
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