Social Media im Fußball

Was Hertha im Internet von Barcelona lernen kann

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Lorenz Vossen

Foto: Reto Klar

Das neue Marketinginstrument von Fußballvereinen heißt Social Media. Auch Hertha BSC ist bei Facebook, StudiVZ und Co. vertreten - und dort der erfolgreichste aller Zweitligisten. Doch es gibt noch andere, die es besser machen.

Zwei Tage nach dem Auswärtsspiel in Ingolstadt hatte Christian Lell das Bedürfnis, die Internetgemeinde über seinen Gemütszustand aufzuklären: „Die Hertha ohne mich“, postet der Abwehrmann auf seiner Seite des sozialen Netzwerks Facebook. Daneben setzt er einen Doppelpunkt und eine eckige Klammer. In der Online-Sprache heißt das: Christian Lell ist „zornig“ darüber, dass er bei der Partie verletzungsbedingt nicht dabei war. Pierre-Michel Lasogga dagegen kann dem mageren Punktgewinn gegen den Abstiegskandidaten noch etwas Positives abgewinnen: „Diesmal leider kein Auswärtssieg – 1:1 in Ingolstadt! Aber ein Tor von Pierre-Michel Lasogga“, heißt es auf seiner Seite – 28 Personen „gefällt das“.

Hertha BSC ist im Social Web angekommen. Bei Facebook beispielsweise ist mittlerweile jeder Spieler mit einem eigenen Profil oder einer Fanpage vertreten. Regelmäßig fragen Lell und Co. ihre Fans dort nach einem Tipp für das nächste Spiel, laden Fotos hoch oder posten Links. Die beliebtesten Seiten sind die von Patrick Ebert, Nico Schulz und Lasogga. Das Portal ist Zugpferd für Herthas Social-Media-Aktivitäten. „Facebook ist unser Hauptkanal. Wir sind beeindruckt, wie gut die Resonanz ist“, sagt Robert Burkhardt, Leiter Neue Medien bei Hertha BSC. Seit dem letzten Jahr ist die Facebook-Seite des Vereins freigeschaltet und mit mehr als 65.000 Fans die erfolgreichste aller Zweitligisten. Dahinter folgen Fortuna Düsseldorf und 1860 München mit knapp 40.000 beziehungsweise 28.000 Fans. Der 1. FC Union belegt in dieser Tabelle mit rund 8600 Sympathisanten Platz sechs.

Nicht nur bei Facebook, auch bei Netzwerken wie StudiVZ oder Twitter versucht Hertha sich dem Fortschritt der Möglichkeiten anzupassen. Letzteres nutzt der Verein neuerdings als Live-Ticker während der Spiele. „Wir machen das nicht, weil wir das Gefühl haben, zu müssen, sondern weil wir es wirklich ernst meinen“, sagt Burkhardt. Wie ernst Hertha es meint, will der Verein beim nächsten Spiel gegen den SC Paderborn beweisen: 2500 Karten werden vorab über Facebook beworben und verkauft. Wer zugreift, bekommt für seine 14 Euro zusätzlich ein „exklusives Hertha BSC Facebook-T-Shirt“.

Kostenlose Erlösquelle

Die Social-Media-Welle überrollt seit einigen Monaten sämtliche deutschen Profivereine. Mehr als 91 Prozent aller deutschen Fans nutzen soziale Netzwerke. Die Hälfte von ihnen hält eine Social-Media-Präsenz ihres Vereins für wichtig, wie eine Umfrage von Diplom-Medienwirt Björn Hellmich aus dem Herbst 2010 unter 4400 Befragten belegt. Das Web 2.0 bietet den Klubs die Möglichkeit, eng mit Fans zu kommunizieren und ihre Kommunikation untereinander zu beobachten. So zeigt der „Social Media Bundesliga Report“ des Deutschen Instituts für Kommunikation und Recht im Internet, dass Hertha im Sommer 2010 sportlich zwar den letzten, in der so genannten „Wahrnehmungstabelle“ des Social Web aber den 14. Platz belegte. Sprich, über Hertha wurde im Netz positiver diskutiert als über Bayer Leverkusen oder den VfL Bochum.

Dazu kommt, dass Social Media im Gegensatz zum klassischen Marketing kostenlos ist. Auch lassen sich die Portale als zusätzliche Erlösquelle nutzen. Die Facebook-Seite von Hertha beinhaltet einen eigenen Fanshop und ein 3D-Ticketing, bei dem der User sich in einem virtuellen Olympiastadion seinen Platz aussuchen kann. Dennoch gilt die Bundesliga im internationalen Bereich als rückständig. Die Ligen in Spanien, England und Italien haben das Potenzial im Netz früher erkannt. Hat Bayern München bei Facebook gut eine Million Fans, sind es beim FC Barcelona mehr als 11,5 Millionen. „In Deutschland sind viele Vereine erst aus den Puschen gekommen, als Mesut Özil nach der WM mit seinem Facebook-Profil sehr erfolgreich war“, weiß Bastian Koch, Social-Media-Experte einer Berliner Marketingagentur. Auch Felix Magath habe durch seinen Auftritt, mit dem er das verkorkste Verhältnis zu den Schalker Fans verbessern wollte, ein Zeichen gesetzt.

Bei Hertha BSC ist es vor allem Lell, der das Internet für sich zu nutzen weiß. Neben Sascha Burchert und Raffael verfügt er über eine eigene Website. Auf „www.christian-lell.de“ hat der 26-Jährige eine Kolumne, in der er die Besucher an seinem Privatleben teilhaben lässt. Beim Öffnen der Seite erscheint ein Zitat von Albert Schweitzer: „Was der Mensch an Gutem in die Welt hinausgibt, geht nicht verloren.“ Bei Facebook ist Lell nahezu der einzige, der seine Beiträge selbst schreibt. „Wie viel steht's denn bei den Bayern? Bitte antworten! Fernseher kaputt“, bittet er seine Fans schon mal, um sich kurz darauf zu bedanken: „Danke an euch alle! Ihr seid spitze!“ Schickt man Lell eine Freundschaftsanfrage, bestätigt er diese nach wenigen Stunden. Gleiches gilt für Valeri Domovchisky.

Lells Auftritt im Netz ist authentisch, womöglich ganz in seinem Sinne. „Eine authentische Präsenz eines Fußballers im Internet steigert seinen Marktwert“, sagt Bernd Huck von der Marketingagentur „7dc“, die sich um Internet-Auftritte von Fußballprofis kümmert. Vor allem für Sponsoren sei dies wichtig. Das Unternehmen ist unter anderem für Herthas Raffael tätig und schreibt seine Beiträge bei Facebook. Es lässt sich darüber streiten, wie authentisch Beiträge sind, die nicht von den Spielern selbst geschrieben werden. Dadurch entsteht oft eine gleichförmige Tonalität. Lasogga beispielsweise beauftragt einen externen Administrator, hinter jedem zweiten Eintrag steht ein flottes „Ha Ho He!“. Das sieht auf den ersten Blick nett aus, wirkt auf den zweiten aber anbiedernd, gerade da offensichtlich ist, dass Lasogga nicht selbst postet. „Wir reden den Spielern da nicht rein. Vielleicht ist es auch besser, wenn sie sich auf Fußball konzentrieren und nicht den ganzen Tag auf Facebook sind“, sagt Burkhardt. Dennoch habe man mit der Mannschaft natürlich über Gefahren und Vorteile von Social Media gesprochen. „Gerade junge Spieler sind da anfällig. Die Fotos ihrer Tattoos sollten sie natürlich nicht hochladen.“ Bei Lasogga wird bald eine neue Agentur die Aktivitäten steuern, „persönlich ansprechbar und aktiv teilnehmen wird er in gewissen Abständen“, sagt Michael Brembach von der Agentur „Kick-Media“.

Ebert ist am beliebtesten

Wie man im Internet richtig populär werden kann, hat Carles Puyol vom FC Barcelona vorgemacht. Via Facebook versprach er seinen Fans, dass er seine Karriere erst mit 40 beenden würde, wenn seine Seite mehr als 250.000 Mitglieder erreicht habe. Prompt schnellten die Besucherzahlen in die Höhe, die 250.000 hat Puyol längst erreicht. Für den bei Facebook beliebtesten Herthaner Patrick Ebert vielleicht ein Ansporn, sich mal für seine zahlreichen Geburtstagsglückwünsche zu bedanken: Noch liegt der Berliner bei 1500 Fans.

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