Der längste Mann fehlte bei der Reisegruppe, die um 15.05 Uhr in Spandau in den ICE nach Bielefeld stieg. Maikel Aerts, 1,96 Meter groß, hatte die Angelegenheit am Vormittag mit seinem Vorgesetzten besprochen. Weshalb Trainer Markus Babbel wenig später per Pressemitteilung bekannt geben ließ: "Hertha BSC wird das Zweitliga-Auswärtsspiel beim SC Paderborn am Sonntag ohne Torwart Maikel Aerts bestreiten. Nach dem letzten Test beim Abschlusstraining am Sonnabend entschied Trainer Babbel, die Schlussmänner Marco Sejna und Sascha Burchert mitzunehmen." Die Entscheidung sei, wie zu hören war, "einvernehmlich" gefallen.
Das rechte Knie von Aerts war nach seinem Blitzcomeback gegen Ingolstadt (3:1) in der Vorwoche angeschwollen. Er hatte dort nur 17 Tage nach dem Anriss des rechten vorderen Kreuzbandes im Tor gestanden. Wegen der aufgetretenen Beschwerden konnte der Schlussmann seither nicht mehr mit dem Team trainieren. Auch am Sonnabend bei der Abschlusseinheit fehlte Aerts.
Aerts will nun gegen Bochum fit sein
Nachdem klar war, dass der ehrgeizige Niederländer in Berlin bleiben wird, sagte er: "Das Knie ist besser geworden. Ich hätte gern gespielt, aber das Risiko war zu groß. Jetzt arbeite ich daran, dass ich in acht Tagen gegen Bochum spielen kann." Aerts weiß, dass er sich auf dünnem Eis bewegt. In den nächsten zwei, drei Wochen sollte das Knie die erforderliche Stabilität erlangen - sonst scheint eine Kreuzband-Operation unausweichlich, die Herthas Nummer 1 bis zum Saisonende außer Gefecht setzen würde. Statt Aerts wird in Paderborn wohl Marco Sejna (38) zwischen den Pfosten stehen. Der Routinier ist trotz einer Innenband-Dehnung am Knie einsatzfähig.
Mannschaft wie Trainer stehen am elften Spieltag vor einer seltenen Aufgabe im so gut ausgeleuchteten Fußball-Geschäft: Der Gegner ist ein weitgehend unbekanntes Wesen. Hertha besteht seit 1892, hat aber noch nie ein Pflichtspiel gegen den SC Paderborn 07 absolviert. Dazu muss man wissen, dass der Klub eine Mischung ist. Die Ur-Vereine waren der FC Preußen Paderborn 1908, der ein Jahr ältere SV 07 aus dem Paderborner Stadtteil Schloß Neuhaus sowie der TuS Sennelager von 1910. Im Jahre 1973 vereinigten sich die letztgenannten Vereine zum TuS Schloß Neuhaus. Dessen Höhenflug brachte den Westfalenmeister 1982 in die Zweite Liga. Allerdings ging es 1983 als Tabellenletzter wieder abwärts. 1985 fusionierten TuS Schloß Neuhaus und der 1. FC Paderborn zu TuS Paderborn Neuhaus. 1997 fand der bunte Reigen sein bisheriges Ende mit der Umbenennung in den SC Paderborn 07.
Wäre Markus Babbel ein Fan, würde er heute einen Groundhopper-Punkt sammeln und ein Fähnchen auf seine Deutschland-Karte stecken. Der Hertha-Trainer sagte: "Ich war noch nie in Paderborn, kenne das Stadion nicht. Ich freue mich auf dieses Spiel."
Auch das Personal der Gastgeber ist weitgehend unbekannt. Trainer ist Andre Schubert. Aus dem Kader sind allein Rolf-Christel Guié-Mien (ehemals 1. FC Köln und SC Freiburg) sowie Edmond Kapllani (Karlsruher SC, FC Augsburg) namhafte Profis. Kapllani ist mit vier Saisontreffern der beste Torschütze im Team. Auch Paderborn hat einen Stürmer aus Kolumbien namens Mosquera. Der heißt Jorge mit Vornamen und teilt mit seinem Namensvetter John Jairo Mosquera vom 1. FC Union, mit dem aber nicht verwandt ist, die Flaute vor dem Tor: Beide Mosqueras haben erst jeweils einen Saisontreffer erzielt. Insofern beschränkt sich das Wissen bei Hertha auf das, was die Tabelle hergibt.
"Die sind heimstark, da müssen wir aufpassen", erzählt Mittelfeld-Abräumer Peter Niemeyer. In der Tat hat Paderborn alle zehn Saisonpunkte in der Energieteam-Arena eingefahren (drei Siege, ein Unentschieden, eine Niederlage bei 8:2 Toren). Auf dem Papier ist Hertha als Spitzenreiter Favorit beim Vorjahres-Aufsteiger. Doch Babbel macht das, was ein Trainer immer macht: zur Vorsicht mahnen. "Wir müssen die richtige Einstellung an den Tag legen. Wenn wir wie in Koblenz denken: 'Wir fahren da mal hin und schießen irgendwann ein Tor' wird das schief gehen." Der Coach ärgert sich immer noch über die Pokal-Pleite bei Drittligist Koblenz (1:2) vor zehn Tagen. Nach dem Studium einiger DVDs beschreibt Babbel Paderborn als eine "kompakt stehende Mannschaft, die sehr schnell von Abwehr auf Angriff umschaltet. Uns erwartet da ein schweres Stück Arbeit." Lokalrivale Union verlor bei den Westfalen mit 0:2.
In der Punktspielrunde ist Hertha als einzige Mannschaft in Deutschland ungeschlagen. Gelingt am Sonntag ein Sieg stellt der Hauptstadt-Klub eine Bestmarke auf: 29 Punkte nach elf Saison-Runden hat noch nie ein Zweitligist geschafft.
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