Zweite Fussball-Bundesliga

Babbels Mischung tut Hertha BSC gut

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Uwe Bremer

Hertha BSC ist Spitzenreiter der Zweiten Fußball-Bundesliga: Wie der neue Trainer Markus Babbel den verunsicherten Absteiger nach vorn gebracht hat.

Ein letzter schwerer Gang lag noch vor Nikita Rukavytsya (24). Nachdem er bereits aus dem Kader für das Regional-Derby beim FC Cottbus gestrichen war, musste der australische Nationalspieler vor die Medien treten und erklären, was vorgefallen war. Auf dem Weg runter vom Trainingsplatz gesellte sich jener Mann zu Rukavytsya, der die Denkpause von einem Spiel angeordnet hatte: Markus Babbel. Der Hertha-Trainer zwinkerte seinem Mittelfeldspieler zu: „Nikita, damit ist die Sache dann vorbei. Wenn Du ordentlich arbeitest, hast Du alle Chancen auf einen Platz in der Startelf.“

Also stellte sich Rukavytsya den Journalisten: „Ich entschuldige mich. Ich habe in der Kabine auf den Plan geschaut und die Trainingszeiten verwechselt, mein Fehler.“ 45 Minuten zu spät war er am Freitag zum Abschlusstraining erschienen. Ohne mit der Wimper zu zucken hatte der Trainer seinen Stammspieler für die Partie in Cottbus suspendiert. „Das war hart, am Fernseher zuzuschauen“, sagte Rukavytsya über das mit 1:0 gewonnene Topspiel bei Verfolger Cottbus.

Der schnelle Australier hatte in allen sechs Pflichtspielen zuvor in der Anfangsformation gestanden. Doch unter Babbel sind die Zeiten vorbei, wo die aufgestellten Regeln, nicht immer für alle gelten. Zu Zeiten von Ex-Manager Dieter Hoeneß hatten es die Trainer schwer, Disziplin durchzusetzen. Ob Alves, Marcelinho, Kevin Boateng oder Pantelic, egal, was sie angestellt hatten, egal, ob die Trainer Stevens, Götz oder Favre hießen – die Sünder fanden viel zu häufig beim Manager ein offenes Ohr. Wobei das Problem weniger war, ob die fehlbaren Profis nun die vorgesehene Strafe zu begleichen hatten. Vor allem wurde durch den Mangel an Konsequenz in der sportlichen Leitung die Trainer-Autorität untergraben.

Disziplin ist oberstes Gebot

Babbel zeigte im Fall Rukavytsya zum wiederholten Mal Durchsetzungsvermögen. Aber gestern wollte er das Thema nicht weiter kommentieren. „Ruka war sehr enttäuscht.“ Jetzt sei es gut. Schon zum Trainingsauftakt hatte der damals neue Coach auf die schlechte konditionelle Verfassung von der halben Mannschaft mit einer drastischen Maßnahme reagiert. Drei Wochen lang ließ er den Kader um 7.30 Uhr eine zusätzliche Laufeinheit absolvieren, er war auch dabei. „Disziplin und Konsequenz sind der Schlüssel zum Erfolg im Mannschaftssport“, unterstützt Manager Michael Preetz die Linie des Trainers. Babbel wiederum hat aus dem gelernt, was ihm auf der ersten Trainer-Station beim VfB Stuttgart zum Vorwurf gemacht worden war: Er sei zu sehr „Spielerversteher“ gewesen. Deshalb hatte der Coach in Berlin beim Amtsantritt Mitte Mai formuliert, dass er „gegenüber den Spielern auch mal die Peitsche rausholen“ werde. Die Mannschaft goutiert das Verhalten, weil jeder versteht, dass die Regeln für alle gelten.

Disziplin ist ein Mosaikstein auf dem Weg zum Erfolg. Beim Sieg im Prestige-Duell in Cottbus (Tor: Rob Friend/60.) zeigten auch andere Maßnahmen Wirkung. So erhielt am Tag nach dem fünften Saisonsieg die beiden besten Herthaner ein Sonderlob, allerdings für Fähigkeiten, mit denen sie bisher nicht so oft aufgefallen waren. „Man traut es Raffa und Adrian nicht zu, aber sie haben ein sehr gutes Zweikampfverhalten in der Defensive und das gegen Energie auch gezeigt.“

So stibitzte Raffael dem Gegner mehrfach dem Gegner den Ball. Und die Rettungstat von Adrian Ramos in der Nachspielzeit, als der Kolumbianer auf der eigenen Linie für den bereits geschlagenen Torwart Aerts rettete, sicherte den Auswärtserfolg. Babbels Mischung bekommt Hertha. Was sich am besten an Ramos (24) und Raffael (25) belegen lässt. Beide wissen es nicht nur, sie erleben es auch in diversen Situationen auf dem Platz, dass sie besser sind als fast alle Gegner. Eben deshalb hatten sie bei Hertha Sorge, ob die Beiden bereit sind, die Herausforderung Zweite Liga anzunehmen. Bei Ramos hatte Babbel von Anfang an den Eindruck, dass der Torjäger im Unterhaus ebenso kompromisslos auftreten würde wie in der Bundesliga, Also spielte er, ungeachtet seines Flirts mit Hoffenheim, in allen sieben Pflichtspielen (inklusive DFB-Pokal) von der ersten bis zur letzten Minute durch.

„Ich träume viel, wenn die Nacht lang ist.“

Bei Raffael hingegen stellte Babbel ausdrückliche keine Einsatz-Garantie aus. Beim Spielmacher sagte der Coach: Raffa kann viel mehr. Das will ich auch sehen. So herausgefordert, lieferte Raffael nicht nur gegen Karlsruhe (4:0), sondern auch in Cottbus eine sehenswerte Leistung ab (88 Prozent gewonnene Zweikämpfe). Es war eine deutliche Steigerung gegenüber seiner Leistung im Derby bei Union (1:1). Trotz des formidablen Starts mit 16 von 18 möglichen Punkten und Platz eins in Liga zwei, weiß Babbel, dass der Weg zum Wiederaufstieg lang ist. Die Boulevard-Medien wollen ihm entlocken, dass er von einer Saison ohne Niederlage träumt. Solche Fragen winkt er durch. „Ich träume viel, wenn die Nacht lang ist.“ Ihm geht es um ein Selbstwustsein, das weder arrogant noch überheblich ist. „Wir stehen jetzt da, wo wir auch am Saisonende stehen wollen.“

Sein wichtigster Verbündeter, neben Cotrainer Rainer Widmayer, ist Manager Preetz. Das Duo joggt zwei, dreimal die Woche zusammen. „Keine Handyanrufe, keine Leute im Büro: Da besprechen wir alles, was ansteht“, erzählt Preetz. Von seinen Spielern fordert Babbel „eine topprofessionelle Einstellung“. Die lebt der Trainer vor. Als sich seine Profis mit ihren Familien längst im Wochenende befanden, saßen Babbel und Preetz im Amateurstadion, schauten sich ein Derby an: Herthas A-Jugend gewann 3:2 gegen Hertha Zehlendorf.

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