Düsseldorf. Der Rückkehrer fiel nicht groß auf: Toni Kroos, nach einer Verletzungspause wieder dabei im Kreis der deutschen Nationalmannschaft, lief nicht vorweg im Training im Düsseldorfer Stadion, wo sich die Mannschaft vorbereitet auf die EM-Qualifikationsspiele gegen Weißrussland am Sonnabend und Nordirland am Dienstag (beide 20.45 Uhr/RTL). Er fiel aber auch nicht zurück, er bewegte sich recht unauffällig inmitten der Gruppe. Und es gibt Kritiker, die meinen, damit lasse sich auch das fußballerische Wirken von Toni Kroos angemessen zusammenfassen.
Es gibt sogar erstaunlich viele Kritiker angesichts der Laufbahn und der Erfolge, die der 29-Jährige vorzuweisen hat. Spanischer Meister, mehrfacher Double-Gewinner in Deutschland – vor allem aber: Weltmeister und viermaliger Champions-League-Sieger. Letzteres hat noch kein deutscher Fußballer geschafft. Und Kroos war stets Stammspieler und Leistungsträger, er war der Dirigent des deutschen Ballbesitzspiels. Von den noch aktiven deutschen Spielern ist er mit weitem Abstand der erfolgreichste. Aber er ist auch einer der umstrittensten, zumindest in der Öffentlichkeit.
Beim DFB hat Kroos noch viele Fürsprecher
Den Umbruch nach der desaströsen Weltmeisterschaft 2018, der Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller hinwegfegte, hat Kroos überstanden – obwohl sein Name und sein Spielstil untrennbar verbunden zu sein schien mit jenem Ballbesitzspiel, das nun plötzlich als Relikt von vorgestern galt. Weil es die deutsche Mannschaft bis zum Exzess getrieben hatte, weil sie am Ende weniger den Gegner als sich selbst einschläferte und deswegen in Russland gehörig baden ging.
Nun soll es schneller gehen nach vorne, dynamischer, es soll mehr gedribbelt und direkter in Richtung Tor gespielt werden. Kein Kroos-Stil also. Wird der da überhaupt noch gebraucht? Ja, finden die gewichtigen Fürsprecher, die er nach wie vor beim DFB hat. Einer davon heißt: Toni Kroos. „Ich bin immer gerne bereit, mich anzupassen“, sagt er – und betont, dass sein Typ ja immer noch gebraucht werde. „Wir reden jetzt immer von Spielern, die in Eins-gegen-eins-Situationen gehen können, von denen wir mehr haben. Aber die musst du natürlich in diese Situationen bringen.“
Abschied aus der Nationalmannschaft stand zur Debatte
Kroos hatte durchaus einen Abschied von der Nationalmannschaft erwogen, weil er als Vielspieler bei Real Madrid ohnehin schon kaum Pausen und damit auch nur wenig Zeit für die Familie hatte. Doch am Ende überwog die Lust, den Umbruch mitzugestalten – sehr zur Freude des Bundestrainer, der nach wie vor zu den größten Kroos-Fans zählt: „Toni ist mit seiner Erfahrung, mit seiner Klasse ein Stabilisator“, meint Joachim Löw. „Er tut unserem Spiel gut, er hat eine große Ausstrahlung.“
Nationalmannschafts-Direktor Oliver Bierhoff hält gleich ein grundsätzliches Plädoyer über die Kroos’schen Qualitäten, über dessen Bekenntnis zur Nationalmannschaft und auf den Wert für die Mannschaft. Und am Ende landet er bei ganz ähnlichen Sätzen wie Löw: „Toni ist einfach wichtig, weil er der Mannschaft durch seine Position in der Zentrale aufgrund seiner Erfahrung Halt, Rhythmus, und eine Richtung geben kann“, sagt Bierhoff. „Aber er muss sich natürlich auch der Konkurrenz stellen.“
Junge Konkurrenz um Goretzka kämpft für Einsätze
Und die drängelt immer ungeduldiger von hinten nach. Im derzeit favorisierten 3-4-3-System besetzt Kroos einen der beiden Plätze im zentralen Mittelfeld, den anderen belegt Joshua Kimmich. Kein Platz also für hochklassige Fußballer wie Ilkay Gündogan, Kai Havertz und den ebenfalls nach einer Verletzung zurückgekehrten Leon Goretzka.
Der rüttelt zwar nicht öffentlich am Kroos-Podest – aber er lässt zumindest durchblicken, dass auch er der Mannschaft helfen könnte. Etwa wenn es um die stärkere Robustheit geht, die Bundestrainer Löw neuerdings fordert. „Bei Bayern haben wir zuletzt aufgrund unserer Spielweise zwangsläufig einen robusten Eindruck gemacht“, sagt er. „Wir sind hoch und intensiv angelaufen, da kommst du fast automatisch in die Zweikämpfe und die führst du mit anderem Engagement, als wenn du passiv in der eigenen Hälfte verteidigst. Die Spielweise tut der ganzen Mannschaft gut.“
Vor allem ist es eher Leon-Goretzka-Fußball als Toni-Kroos-Stil. Noch aber überwiegt die Anzahl der Kroos-Anhänger – zumindest bis zum nächsten Umbruch.