Kansas City. Uli Hoeneß ohne den FC Bayern? Auch andersherum: der FC Bayern ohne Uli Hoeneß? Ohne den Macher, den Manager, den späteren Präsidenten und Aufsichtsratsvorsitzenden? Uli Hoeneß, der erste Fan und Anwalt des Vereins, Herz und Seele der Münchner seit seinem Amtsantritt als Selfmade-Manager 1979, will sich im November nicht mehr als Präsident zur Wiederwahl stellen. Nicht nur das: Auch den Posten als Aufsichtsratsvorsitzender der FC Bayern München AG möchte der 67-Jährige, obwohl noch mit einem bis 2022 unterschriebenen Vertrag ausgestattet, der übrigens erst im vergangenen Dezember bestätigt worden ist, aufgeben.
Wenn es wirklich stimmt, was die „Bild“ in der Heimat berichtete, während der Tross des Rekordmeisters noch in den USA weilte, ist es nicht mehr und nicht weniger als: das Ende einer Ära. Die Uhren beim FC Bayern werden offenbar auf der nächsten Mitgliederversammlung, wohl auch diesmal am letzten Freitag im November, auf null gestellt. Hoeneß selbst sorgte am Mittwoch nicht für Klarheit. „Am 29. August werde ich dem Aufsichtsrat meine Entscheidung mitteilen, vorher gibt es von mir keine offizielle Erklärung“, sagte er dem „Kicker“. Das ist kein Widerspruch, aber eben auch keine klare Bestätigung.
Verein muss sich von Hoeneß emanzipieren
Sollte die Vermutung also Wirklichkeit werden, dann beginnt der wahre Umbruch bei den Münchnern. Nicht der aktuell im Kader vollzogene, sondern der in der Führungsetage. Der Verein muss flügge werden – ohne Hoeneß. „Mia san Uli“ wird Geschichte.
Der Präsident war nicht mit in die USA gereist, weil er andere Dinge zu erledigen hatte. Wie aus diversen Quellen zu hören war, gehörte seine Zukunftsplanung dazu. Eine richtige Entscheidung, die er mutmaßlich getroffen hat, wenn auch überraschend. Dass Hoeneß wirklich würde loslassen können – kaum zu glauben. Doch er übergibt den FC Bayern aus seiner Sicht in beste Hände, einer der Gründe für den vorzeitigen Rückzug. Der langjährige Adidas-Chef Herbert Hainer, ein enger Freund von Hoeneß und aktuell sein Stellvertreter im Aufsichtsrat, wird sich zur Wahl stellen. Hainer kennt den Verein in- und auswendig, hat eine gute Reputation.
Ein Abgang mit gutem Gewissen
Und wenn ihn Hoeneß den Mitgliedern und dem Aufsichtsrat vorschlägt, wird Wunschkandidat Hainer in beide Ämter gewählt. Kein Zweifel. Mit Ex-Kapitän Oliver Kahn, ebenfalls eine bei den Fans hoch geschätzten Symbolfigur des Vereins mit viel Charisma, steht bereits ein Nachfolger für Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge bereit, der Ende 2021 aufhört. Hoeneß hat das Feld bestellt, seine letzte Aufgabe erfüllt. Er sieht seine „wichtigste Aufgabe darin, dann aufzuhören, wenn ich das Gefühl habe, es ist alles so, wie ich es mir vorstelle“, betonte Hoeneß immer wieder.
Die heftige Kritik auf der vergangenen Jahreshauptversammlung aus den eigenen Reihen, von einigen seiner sonst so treuen Fans, hat ihn schwer getroffen. Nachhaltig. Nun lässt er los. Rechtzeitig. Seine Frau Susi und seine Familie werden es ihm danken.
Vielleicht mal ein langer Urlaub
Endlich mal richtig entspannen am Tegernsee, endlich ein längerer Urlaub, mehr als nur ein Kurztrip an die Cote d’Azur mit ständiger Handy-Präsenz? Vielleicht mal eine Weltreise? Seiner Susi hatte Hoeneß bereits nach Ende seiner Gefängnisstrafe wegen Steuerhinterziehung (von Juni 2014 bis Herbst 2016) versprochen, kürzerzutreten.
Doch weil Rummenigge in der Uli-losen Zeit an der Säbener Straße viel Macht und Einfluss an sich gerissen hatte, kehrte Hoeneß mit der großen Motivation zurück, es noch einmal allen zeigen zu wollen („Das war’s noch nicht!“). Es kostete Hoeneß eine Menge Kraft, die alten Machtverhältnisse wiederherzustellen. In strategischen Zukunftsentscheidungen, etwa in der Frage des Sportdirektors wie des Trainers nach Carlo Ancelotti, einem Rummenigge-Mann, setzte sich Hoeneß durch – ein letztes Mal?
Doppelspitze über die Jahre aufgerieben
Philipp Lahm wurde nicht Sportdirektor, Thomas Tuchel nicht Chefcoach. Bauchmensch Hoeneß beförderte Hasan Salihamidzic zum Sportdirektor und machte sich für Niko Kovac stark. Viel Vereins-DNA, viel Stallgeruch. Mit der Personalie Kahn ist Hoeneß total happy.
Der Dualismus Hoeneß/Rummenigge, der den Verein über Jahrzehnte angetrieben und zugleich aufgerieben hat, endet also diesen Herbst. Reibung erzeugt kurzfristig Energie, kostet aber langfristig Kraft. Es wird interessant zu sehen, wie Rummenigge das eine Jahr ohne Hoeneß bis Ende 2021 nutzen wird. Denn so lange er lebt, gilt: Big Uli is watching you. Zumal er einen Sitz im Aufsichtsrat behalten soll.