Frauen-WM

Wie die WM zum Kampf für Gleichberechtigung wird

| Lesedauer: 6 Minuten
Björn Goldmann
Brasiliens Marta (M.) zeigt nach ihrem 16. WM-Treffer auf ihren Schuh. Darauf prangt ihr Zeichen für Gleichberechtigung: zwei rosa-blaue Streifen.

Brasiliens Marta (M.) zeigt nach ihrem 16. WM-Treffer auf ihren Schuh. Darauf prangt ihr Zeichen für Gleichberechtigung: zwei rosa-blaue Streifen.

Foto: JEAN-PAUL PELISSIER / Reuters

Geringere Prämien und halb volle Stadien: Das Turnier der weltbesten Fußballerinnen buhlt um mehr Anerkennung.

Montpellier. Als sie durch die Gassen der Innenstadt von Montpellier schlenderten, fielen sie kaum auf. Eine Handvoll Frauen, die sich in der südfranzösischen Stadt umsahen, die die Architektur, Geschäfte und Restaurants bewunderten. Sie zückten ihre Handys, machten Fotos. Wie es auch Touristen dieser Tage tun, jeden Tag im Sommer in Montpellier.

Doch diese Frauen waren keine Touristinnen, es waren unter anderem Marina Hegering und Sara Doorsoun, Mitglieder des deutschen Fußballfrauen-Nationalteams, das hier am Montag sein finales Vorrundenspiel gegen Südafrika bestreiten wird (18 Uhr/ARD und DAZN). Doch sie fielen nicht auf.

Man stelle sich vor, die Männernationalmannschaft würde einen Stadtausflug während einer WM unternehmen. Toni Kroos und Manuel Neuer würden recht schnell erkannt und von Passanten umringt werden, von deutschen Touristen und Einheimischen gleichermaßen, Straßenkleidung hin oder her.

„Wir konnten uns ganz gemütlich umsehen“, erklärte Abwehrchefin Hegering. Die 29-Jährige spielt lang genug Fußball, um diesem Umstand keine größere Bedeutung beizumessen. Wohlwissend, dass die Popularität des Frauenfußballs weit hinter der der Männer liegt.

Nur ein Hauch von WM in den französischen Spielorten

Dass sich das Zuschauerinteresse und die mediale Aufmerksamkeit vor und während großer Turniere wie dieser Weltmeisterschaft in Frankreich verstärken, dann aber wieder im Bundesligaalltag überschaubar sein werden. So genießen die deutschen Frauen die Momente wie diese, als sie vor dem zweiten Spiel gegen Spanien (1:0) – diesmal im offiziellen Trainingsanzug – durch Lille streiften und deshalb dann doch vermehrt um Fotos und Autogramme gebeten wurden.

Denn dass in Frankreich derzeit eine Fußball-WM gespielt wird, merkt man eher in den kleineren Städten, kaum aber in Metropolen wie Paris oder Montpellier. Das Eröffnungsspiel der Französinnen gegen Südkorea in Paris war gut besucht, ausverkauft war der Prinzenpark allerdings nicht. Auch in Montpellier wehen WM-Fahnen auf dem zentralen Platz der Stadt. In einigen Bars laufen aktuelle Spiele, die sonst nur im Bezahlfernsehen zu sehen sind. Dass es in Montpellier aber weniger belebt wäre ohne die Frauen-WM? Wohl kaum.

Amerikanerinnen haben eigenen Verband verklagt

Dabei ist diese WM doch auch eine große Bühne im Kampf um Aufmerksamkeit und Gleichberechtigung. Einige versuchen, sie zu nutzen. Die Forderung nach gleicher Bezahlung und Titelprämien von Männer- und Frauenteams mag in Deutschland recht schnell verstummt sein, auch weil Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg („Das ist der Vergleich von Äpfel und Birnen“) und Kapitänin Alexandra Popp („Die Prämien wurden doch schon verdoppelt, wir sollten die Kirche im Dorf lassen“) diese fix beiseite wischten.

Aber gerade die US-Amerikanerinnen suchen diesen Kampf neben dem um den WM-Pokal ganz bewusst. Den eigenen nationalen Fußballverband hatten sie vor dem Turnier verklagt, die Vorwürfe reichen von schlechterer Bezahlung im Vergleich zu Männern bis hin zum schlechteren Zustand der Spielfelder, auf denen sie ihrem Job nachgehen. Kapitänin Megan Rapinoe schweigt seitdem beim Erklingen der Nationalhymne.

Als Thailand im ersten Spiel gnadenlos mit 13:0 abgefrühstückt wurde, reagierte zudem US-Trainerin Jill Ellis fassungslos auf die Frage, ob der Sieg nicht zu hoch ausgefallen sei: „Würde diese Frage auch bei einer Männer-WM gestellt werden?“ Die Australierinnen hatten zuvor gezeigt, dass sich der Kampf lohnt. In der heimischen W-League wird künftig das gleiche Grundgehalt gezahlt wie bei den Männern.

Nun haben sie ihre Forderung an höhere Stelle gerichtet und werfen der Fifa Diskriminierung vor. Denn ja, das Preisgeld, das der Weltfußballverband bei der diesjährigen WM ausschütten wird, ist im Vergleich zu den Männern gering. Während im vergangenen Jahr in Russland 400 Millionen US-Dollar an die Männerteams verteilt wurden, werden es bei den Frauen lediglich 30 Millionen sein.

Brasiliens Star Marta beschwert sich bei ZDF-Reporter

Doch es geht nicht nur um Geld, sondern auch um Wertschätzung. Brasiliens Superstar Marta raunzte nach der 2:3-Pleite gegen Australien einen ZDF-Reporter an: „Mein Gott, wie konntet ihr das vergessen! Ich habe jetzt 16 WM-Tore, genau wie euer Klose“, sagte die sechsmalige Weltfußballerin. „Danach hättet ihr ruhig mal fragen können!“

Nach ihrem Treffer, der sie mit Rekordtorschütze Miroslav Klose gleichziehen ließ, zeigte Marta auf ihren Schuh, auf dem ein Symbol prangt: zwei Streifen, die entgegengesetzt von blau in rosa übergehen. „Es war ein Tor für Gleichberechtigung, ein Tor für alle Frauen“, sagte sie stolz. Seit Juli 2018 hat die 33-Jährige keinen Ausrüster. Nicht, weil Angebote gefehlt hätten, sondern, weil diese ihr nicht gut genug, nicht männernah waren.

Fifa rudert zum Thema Ticketverkauf zurück

Was das Zuschauerinteresse betrifft: Als Deutschland in Rennes gegen China (1:0) spielte, war das Stadion mit 15.000 Fans halb voll, beim Spiel gegen Spanien in Valenciennes mit knapp 21.000 immerhin gut gefüllt. Dies zu einem Vorwurf an die Frauenfußball-Nation Frankreich zu machen, wäre unfair. Auch in Deutschland würden vor allem die Spiele der Gastgeberinnen gut besucht.

Jüngst zog die Fifa sogar die Behauptung zurück, eine Million Eintrittskarten verkauft zu haben. Es seien auch Kontingente an Personen gegangen, die nichts für die Tickets bezahlen. Zuvor hatte der Weltverband schon die Aussage, 20 der 52 WM-Spiele seien ausverkauft, zurückgenommen. Immerhin das Finale im 60.000 Zuschauer fassenden Stadion von Lyon sei innerhalb einer halben Stunde ausverkauft gewesen. Angeblich.